Corona-Notbremse und Co. – die Kernpunkte des Infektionsschutzgesetzes

Coronavirus

Der Bundestag hat am Mittwoch die „Bundesnotbremse“ mit konkreten Vorgaben bei hohen Corona-Infektionszahlen beschlossen. Welche Regelungen gibt es im neuen Infektionsschutzgesetz? Ein Überblick.

Berlin

22.04.2021, 06:28 Uhr / Lesedauer: 3 min
Der Bundestag hat am Mittwoch (21. April) der Bundes-Notbremse zugestimmt.

Der Bundestag hat am Mittwoch (21. April) der Bundes-Notbremse zugestimmt. © picture alliance/dpa

Mit bundesweit verbindlichen Regeln für schärfere Gegenmaßnahmen soll die dritte Corona-Welle in Deutschland bekämpft werden. Der Bundestag hat dazu am Mittwoch (21. April) eine „Bundesnotbremse“ mit konkreten Vorgaben bei hohen Infektionszahlen beschlossen. Dazu gehören weitgehende nächtliche Ausgangsbeschränkungen, Schließungen von Schulen und strengere Bestimmungen für Geschäfte.

Gezogen werden soll die „Bundes-Notbremse“, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) an drei Tagen hintereinander über 100 liegt.

Auf eine ähnliche Notbremse hatten sich Anfang März auch schon Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten verständigt. Eine teils zögerliche Umsetzung in den Ländern stieß aber auf Kritik besonders des Bundes. Daher soll nun ein Bundesgesetz greifen. Fürs Umschalten auf Fernunterricht in den Schulen gilt fortan ein höherer Schwellenwert von 165.

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Das sind die Kernpunkte der „Bundes-Notbremse“ für Regionen mit hohen Infektionszahlen:

Ausgangsbeschränkungen

Von 22 Uhr bis 5 Uhr darf man die Wohnung oder sein Grundstück nicht verlassen. Aber es gibt einige Ausnahmen. Dazu zählen medizinische Notfälle, die Berufsausübung, Pflege und Betreuung von Angehörigen, die Versorgung von Tieren oder andere gewichtige Gründe. Joggen und Spaziergänge sollen bis Mitternacht erlaubt bleiben, allerdings nur alleine.

Private Kontakte

Es darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre zählen dabei nicht mit. Für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gilt die Beschränkung nicht. Zu Trauerfeiern sollen bis zu 30 Menschen zusammenkommen dürfen.

Läden und Freizeit

Fürs Einkaufen jenseits des Lebensmittel-, Drogerie-, Buch- und Blumenhandels soll gelten: Geschäfte können Kunden nur einlassen, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Steigt der Wert über 150, wäre nur noch das Abholen bestellter Waren (Click & Collect) erlaubt.

Geöffnet bleiben dürfen außerdem: Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken, Tankstellen sowie Tierbedarfs- und Gartenmärkte. Die Betreiber müssen aber für eine Personengrenze innerhalb des Ladens sorgen.

Freizeiteinrichtungen, Restaurants, Spielhallen, touristische Angebote, Schwimmbäder und Kultureinrichtungen müssen im Zuge der Notbremse schließen.

Schulen

Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage hintereinander über 165 wird ab dem übernächsten Tag der Präsenzunterricht verboten. Ausnahmen für Abschlussklassen und Förderschulen sind möglich.

Arbeit

Die Testpflicht für Personen, die nicht im Homeoffice arbeiten wurde nun noch einmal verschärft. Beschäftigte sollen demnach zwei Corona-Tests pro Woche von ihrem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommen.

Sport

Personen die sich sportlich betätigen wollen, dürfen das lediglich alleine, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstandes. Für Kinder gibt es eine Grenze von fünf Personen. Eine Ausnahme gibt es nach wie vor nur für Berufs- und Leistungssportler.

Welche Regionen sind betroffen?

In vielen Landkreisen in Deutschland ist die Inzidenz aktuell enorm hoch. Damit wären rund 350 der über 400 Landkreise und kreisfreien Städte von der Notbremse betroffen. Die höchste Inzidenz besteht in den Kreisen Saala-Orla-Kreis (Thüringen), Kronach (Bayern) und Greiz (Thüringen).

Neues Infektionsschutzgesetz: Ab wann gelten Notbremse und Co.?

Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes sollen am Donnerstag (22. April) in den Bundesrat gehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll das Gesetz am darauffolgenden Freitag unterschreiben. Somit könnte es schon am Samstag (24. April) in Kraft treten.

Grüne: „Maßnahmen sind nicht ausreichend“

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Ein bundeseinheitliches Vorgehen ist richtig, aber die Maßnahmen sind nicht ausreichend.“ Bei einem Inzidenzwert von 100 werde die Notbremse zu spät und zu zögerlich gezogen, greifen müsste sie schon ab 50. „Die Maßnahmen fokussieren sich zu stark auf private und zu wenig auf wirtschaftliche Aktivitäten.“ Am Arbeitsplatz sollte zwei Mal wöchentlich verpflichtend getestet und das auch dokumentiert werden, dort sei eine FFP2-Maskenpflicht geboten. Schulschließungen ab einer Inzidenz von 165 seien viel zu spät. „Mit diesem halbgaren Gesetz werden wir die Kontrolle über das Virus nicht zurückgewinnen.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte, das Gesetz könne vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, was verheerende Auswirkungen für den Rückhalt in der Bevölkerung hätte. „Deshalb ist der Bundestag aufgefordert, die notwendigen bundesweiten Maßnahmen nicht allein auf Inzidenzen zu stützen“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. Daneben seien die Impfrate der betagten und schwerst kranken Menschen sowie die Belastung der Krankenhäuser im Infektionsschutzgesetz zu berücksichtigen. Der Blick allein auf Intensivstationen reiche nicht, denn dort werde nur ein kleiner Teil der Covid-19-Patienten versorgt.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte die Pläne zu Ausgangsbeschränkungen. „Der Blick ins Ausland zeigt, dass alle Länder, die hohe Infektionszahlen wieder in den Griff bekommen haben, phasenweise zu Ausgangsbeschränkungen gegriffen haben“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Schäuble betonte zugleich: „Unabhängig von Verboten und Kontrollen: Jeder Einzelne kann mit dem richtigen Verhalten dazu beitragen, die dritte Welle zu brechen.“ Der Landkreistag mahnte, Ausgangsbeschränkungen mit Augenmaß zu überwachen. „Die Menschen dürfen die Kontrolle nicht als schikanierend empfinden“, sagte Präsident Reinhard Sager dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

RND

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