Bundestag beschließt 200-Milliarden-„Abwehrschirm“

Energiekrise

Der Bundestag hat grünes Licht für den 200 Milliarden Euro schweren „Abwehrschirm“ gegeben. Die Opposition kritisiert das Vorgehen der Regierung scharf.

Berlin

21.10.2022, 12:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Bundestag hat den Weg für die Finanzierung der geplanten Energiepreisbremsen und Unternehmenshilfen zur Abfederung der Energiekrise frei gemacht.

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, ein Sondertopf außerhalb des Bundeshaushalts, darf nun Schulden von bis zu 200 Milliarden Euro aufnehmen, wie die Abgeordneten am Freitag (21.10.) beschlossen. Der Bundestag genehmigte dafür erneut eine Ausnahme von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Die Mittel sollen den Plänen der Bundesregierung zufolge bis 2024 ausreichen.

Mit dem Geld soll vor allem der zuletzt stark gestiegene Gaspreis gesenkt werden. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hat vorgeschlagen, dass der Bund die Dezember-Abschläge für alle deutschen Gaskunden übernimmt. Ab März könnte dann für Privatkunden eine Preisobergrenze für ein Grundkontingent von 80 Prozent des üblichen Verbrauchs greifen. Für Großkunden in der Industrie soll es schon ab Januar eine Preisbremse geben. Ob die Bundesregierung die Vorschläge genau so umsetzt, ist allerdings noch offen.

„Abwehrschirm“: Opposition kritisiert Unklarheit bei Verwendung

Die Opposition kritisierte deshalb, man wisse noch überhaupt nicht, wofür die hohe Milliardensumme tatsächlich genutzt werden solle. „Sie wollen uns die Katze im Sack verkaufen, und das wollen wir nicht akzeptieren“, sagte Gesine Lötzsch von den Linken. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg betonte, normalerweise überlege man sich erst, was man kaufe und was das koste - und gehe dann zur Bank, um das Geld zu holen. Die Ampel-Regierung wolle es umgekehrt machen.

Außerdem sollten die Kredite nur deshalb komplett in diesem Jahr aufgenommen werden, damit Finanzminister Christian Lindner (FDP) 2023 künstlich sein Versprechen der Schuldenbremse einhalten könne. Auch der Bundesrechnungshof kritisiert, dass der Milliardentopf über mehrere Jahre bis 2024 genutzt werden soll. Das widerspreche dem Grundsatz der Jährlichkeit, der besagt, dass ein Bundeshaushalt immer für ein Jahr aufgestellt werde. FDP-Haushälter Otto Fricke konterte, durch das Sondervermögen sei sichergestellt, dass das Geld genau dann auch da sei, wenn es gebraucht werde.

Der 200 Milliarden Euro starke „Abwehrschirm“ soll auch helfen, den Strompreis zu drücken. Eigentlich soll eine Strompreisbremse durch die Abschöpfung hoher Gewinne von Stromunternehmen finanziert werden. Reicht das aber nicht aus, soll nach einem Koalitionsbeschluss „zeitlich begrenzt“ das Sondervermögen genutzt werden.

Um die Stromversorgung zu stabilisieren, will Bundeskanzler Olaf Scholz die Laufzeit von drei AKW bis Mitte April nächsten Jahres verlängern. Scholz beendete mit der Anwendung seiner Richtlinienkompetenz einen langen Streit in seiner Regierungskoalition. Bei den Grünen ist die Entscheidung umstritten.

Strompreisbremse: Vergünstigtes Basiskontingente für Verbraucher

Am Konzept der Strompreisbremse wird in der Bundesregierung ebenfalls noch gearbeitet. Auch hier ist bisher geplant, dass Verbraucher ein vergünstigtes Basiskontingent bekommen - wer mehr verbraucht, muss dann höhere Preise zahlen. Damit will die Bundesregierung sichergehen, dass trotz des gedrückten Preises Energie gespart wird.

Der Rest der Kredite soll zur Unterstützung von Unternehmen genutzt werden, die durch Russlands Krieg in der Ukraine in Schwierigkeiten geraten. Darunter sind auch mehrere Gasimporteure, die ihr Geschäft auf günstiges russisches Gas aufgebaut hatten, das nun nicht mehr fließt. Für die besonders betroffenen Unternehmen Sefe, Uniper und VNG sollten mit Staatsgeld nun „maßgeschneiderte Lösungen“ entwickelt werden, beschloss die Koalition. Deutschlands wichtigsten Gasimporteur Uniper will der Bund fast vollständig übernehmen.

Weitere Entlastungsmaßnahmen sollen aus dem 200-Milliarden-Topf nicht finanziert werden - das betonte zuletzt vor allem Lindner. Er will so vermeiden, dass seine Kabinettskollegen allzu viele Finanzierungswünschen einreichen, die aus dem normalen Bundeshaushalt nicht zu stemmen sind.

Umstritten ist aber zumindest, ob zusätzlich zu den Gaskunden auch Bürger mit Öl-, Pellet- und anderen Heizungen entlastet werden sollten. Mehrere Politiker der Ampel-Fraktionen haben bereits angedeutet, dass die das unterstützen würden. „Wir wissen, dass auch andere Energieträger spürbar teurer geworden sind. Darum arbeiten wir auch hier an Lösungen, um Härtefälle abzufedern“, sagte etwa die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast.

dpa/seh


Lesen Sie jetzt
" Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht beim Grünen-Bundesparteitag zu den Delegierten.

Der Kanzler spricht ein Machtwort im Atomstreit: Die Grünen reagieren zurückhaltend, teils kommt deutliche Kritik. Wirtschaftsminister Habeck versucht, die Reihen zu schließen.