Büchner-Preis für Terézia Moras Figuren in Bedrängnis
Ihre schonungslosen und eindringlichen Schilderungen des Innenlebens von Menschen am Rande der Gesellschaft haben Terézia Mora schon viele Auszeichnungen eingebracht. Jetzt erhält die Deutsch-Ungarin auch den bedeutenden Büchner-Preis.

Terézia Mora ist die diesjährige Büchner-Preisträgerin. Foto: Arne Dedert
Terézia Mora ist eine Meisterin des Wandels: Aufbau, Sprache und Ton sind bei jeder Erzählung und jedem Roman anders.
„Nachdem ich ein Buch fertig geschrieben habe, verliere ich im Grunde meine Sprache - und ich muss sowieso von vorne anfangen“, erklärt die deutsch-ungarische Schriftstellerin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe keine Gangart, mit der ich durch jedes Buch meines Lebens käme.“ Dabei helfe ihr: „Ich spiele unglaublich gerne.“
Für ihre „lebendige Sprachkunst“ und „eminente Gegenwärtigkeit“ erhält die bereits mehrfach ausgezeichnete Autorin und Übersetzerin jetzt auch die wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland: Den mit 50.000 Euro verbundenen Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Mit Büchner verbinde sie viel, sagt Mora, die im ungarischen Sopron zweisprachig aufwuchs und inzwischen mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Berlin-Pankow lebt. Büchners „Woyzeck“ und Friedrich Schillers „Die Räuber“ waren die ersten deutschen Texte, die sie las, als sie mit 19 Jahren nach Berlin zum Studieren kam.
„Mit beiden, insbesondere mit dem armen Woyzeck, habe ich mich sofort identifiziert. Das ist seitdem nicht anders geworden“, berichtet die 47-Jährige. Dabei sei es ihr vor allem darum gegangen, was für ein Druck auf dem kleinen Mann liege, und was das aus ihm mache. Auch Moras Geschichten drehen sich um „etwas unglücklich an den Rand gedrängte Figuren oder Figuren, die in Bedrängnis sind“, wie sie selbst sagt.
Sie lote dabei „schonungslos die Abgründe innerer und äußerer Fremdheit aus“, lobt die Büchner-Preis-Jury. „Mora ist eine Autorin, die das Leben und das Schreiben ernst nimmt“, formuliert es der Leiter des Frankfurter Literaturhauses Hauke Hückstädt.
Der Büchner-Preis wirke anspornend und beruhigend auf sie, sagt Mora erfreut. Die Auszeichnung habe sie auf der „Zielgeraden der Melancholie“ mit ihrer Trilogie über den IT-Spezialisten Darius Kopp wieder motiviert. Aber sie spüre vor ihrer Dankesrede zur Preisverleihung am 27. Oktober in Darmstadt auch Druck. „Das wird diejenige Dankesrede sein, wo man hinhören wird.“ Voraussichtlich werde sie jedoch einfach über sich und Büchner reden.
Nach dem Sommerurlaub in Ungarn werde sie im Herbst den dritten Band der Trilogie zu Ende schreiben, kündigte Mora an. Er soll im Herbst 2019 erscheinen und damit etwa ein Jahr früher als geplant. „Es hat keinen Sinn, Kopp zu verschleppen.“ Anders als der zweite Teil „Das Ungeheuer“, für den Mora 2013 den Deutschen Buchpreis bekam, habe sie erstmals eine „einfache lineare Geschichte“ geschrieben. „Das ist aber keineswegs einfacher als eine komplizierte Geschichte zu schreiben.“
Ungefähr 300 Seiten umfasse der letzte Band der Trilogie. Damit ist er nur ungefähr halb so dick wie das kompliziert aufgebaute „Ungeheuer“. Darin wird Kopp mit dem Selbstmord seiner Frau Flora nicht fertig und macht sich mit ihrer Urne auf den Weg in ihre ungarische Heimat. Ein Strich trennt im gesamten Roman Darius' Erzählungen von den Tagebucheintragungen der von Depressionen gequälten Flora
Die Melancholie, die drei Bände über Kopp fast abgeschlossen zu haben, überwältige sie gerade ein wenig, sagt Mora. „Ich weiß aber schon, was ich danach machen werde und freue mich darauf.“ Sie plane einen Roman mit einer neuen, weiblichen Figur im Mittelpunkt - „und einer ganz anderen Erzählweise“.
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