Brief an Werner Polak
Beckfelds Briefe
Werner Polak kann die Liebe erklären. Er ist seit 65 Jahren mit seiner Frau Inge verheiratet. In seinem Brief gratuliert Chefredakteur Hermann Beckfeld zur Eisernen Hochzeit.

Werner Polak und seine Frau Inge sind seit 65 Jahren verheiratet.
Lieber Werner Polak,
ich schaue auf das Foto, das Ihre Geschichte erzählt, ohne Worte, durch die Sprache des Körpers. Inge lehnt sich an Ihre Schulter. Sie sind Stütze, Beschützer, Ihr Kopf ist Ihrer Frau zugewandt. Sie beide lächeln, Sie sind sich nah, was guttut; selbst dem Betrachter.
Ich gratuliere Ihrer Frau und Ihnen zur diamantenen Hochzeit, und nicht nur ich werde Sie gefragt haben, welches Ihr Erfolgsrezept für 65 lange Ehejahre ist. Man darf nicht egoistisch sein, man muss auf den Partner eingehen, darf ihn auf keinen Fall beherrschen wollen, antworteten Sie mir, und es klang so, als wäre es das Einfachste der Welt, Ihre Regeln zu befolgen. Und doch sind Zweifel erlaubt, weil diese Welt, diese Zeit so vieles auf den Kopf stellt, brüchig macht, was wertvoll für eine Partnerschaft ist: das Zusammenhalten, auch wenn es mal kriselt; die Treue, die in Turbulenzen gerät, wenn das Prickelnde dem Gewohnten Platz macht; die Bereitschaft, sich zurückzunehmen, wenn andere auf der Überholspur durchs Leben rasen.
Am Anfang gab es Schmetterlinge im Bauch
Aber wer könnte uns besser die Liebe erklären als Sie beide, die sich dieses seltene Glück in guten wie schlechten Zeiten verdient, erlebt, manchmal wohl auch erarbeitet und erkämpft haben? Am Anfang, klar, da hatten Sie Schmetterlinge im Bauch, als Sie sich in Schwerte kennenlernten, und die Schmetterlinge flogen weiter, wenn Sie einmal im Jahr zum Ahornbaum gefahren sind, unter dem Sie sich den ersten Kuss gegeben hatten. Damals, sagen Sie, wussten Sie sofort, die oder keine. Damals, da waren Inge 17 und Sie, der Tischler und spätere Bergmann, 18. Eine Ewigkeit später geben Sie sich jeden Abend einen Gutenachtkuss, „egal, wie sauer wir aufeinander sind“.
Drei Jahre lang sind Sie miteinander gegangen, dann wurde geheiratet, ganz bescheiden Hochzeit gefeiert in Ihrer kleinen Siedlungswohnung in Dorsten mit drei Onkeln und Tanten und zwei Trauzeugen. „Wir waren für Zirkus wie große Partys nie zu haben, auch später nicht bei anderen Ereignissen.“
„Schade, dass ich Inge so spät kennengelernt habe“
Zudem war das Geld knapp, aber der Traum von einem eigenen Haus mit kleinem Garten groß. Jahrelang haben Sie sich dafür krummgelegt. Sie verkauften Ihren Wagen, einen 500er Fiat, fuhren mit dem Rad zur Zeche. Zwei Mal in der Woche gab es nur Pellkartoffeln zu essen. „Wir mussten sparen. Das Darlehen war für uns ein Graus. Ich war so erleichtert, als ich dem Sparkassenmitarbeiter die letzten 4000 Mark auf den Schreibtisch knallte.“
So viele gemeinsame Erinnerungen. An ganz, ganz früher, an die Kinobesuche, die Sie sich nur selten leisteten. Die Karten im Dorstener Hedoli-Palast kosteten 55 Pfennige, gezeigt wurden Heimatschnulzen wie Schwarzwaldmädel und Feuerzangenbowle. Erinnerungen an die Zeit, als die Kinder Pia und Klaus noch klein waren und die Familie nur ein Urlaubsziel kannte; einmal Tirol, immer Tirol. „Das Bergsteigen war unsere Welt, doch aus gesundheitlichen Gründen können wir das nicht mehr machen.“
Schmerzliche, traurige Erinnerungen: Vor fünf Jahren starb Ihr Sohn Klaus an Krebs. Kurz vor dem Tod erfüllte er sich seinen Traum von einer Weltreise.
Lieber Werner Polak,
Sie sagen selbst, Sie würden am liebsten ein Buch schreiben, mindestens 700 Seiten stark, über Ihre geliebte Jagd, über die Einsamkeit und Ruhe auf dem Hochsitz, wenn die Sonne aufgeht und die Hektik weit weg ist. Über den Hausbau, die Zeit als Tischler und Bergmann; natürlich über Ihre Tochter Pia, die jetzt in München wohnt, und über Ihre geliebte Inge. Ich wüsste schon einen Anfang. Es ist Ihr Satz, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist. „Schade, dass ich Inge so spät kennengelernt habe.“
Mit besten Grüßen an das Jubelpaar
Hermann Beckfeld