Brief an Thomas Rech
Sie sind ein Teamchef, einfühlsam, motivierend, fordernd, im Schatten der Scheinwerfer, aber gerne auch in erster Reihe - Hermann Beckfeld schreibt heute an einen Ruhrgebiets-Regisseur.

© bettina engel-albustin / far
Lieber Thomas Rech,
wäre das nicht eine Szene, die zu Ihnen passt? Der Mondpalast von Wanne-Eickel ist leer, die Scheinwerfer sind aus, nur an den Saalwänden funzeln einige Notlichter. Es ist Nacht; Sie sitzen am Bühnenrand, lassen die Beine baumeln, Ihre Gedanken fliegen.
Der Grübler, der Melancholiker, der Spaßmacher spielt die Rollen seines Lebens nach, auf und neben der Bühne. Der Bürgerliche als Bundesbahninspektor, eine Fehlbesetzung. Der Student der Philosophie und der katholischen Theologie, der den Hörsaal gegen ein eigenes kleines Theater in Bochum tauscht, das Ecce Homo; ein schöner, doch zu kurzer Traum. Der Schauspieler, der viel von seinem berühmten Lehrer Peter Zadek abguckt und im Schimanski-Tatort „Der Pott“ im Schatten eines Stars steht, wieder einmal.
Der Caveman, der mehr als 400 Mal vor über 80 000 Besuchern über den Mann als Jäger und die Frau als Sammlerin sinniert. Beides passt nicht zusammen. Die einsame Rolle holt Sie wieder ein. „Mittwochs hat mich meine Frau verlassen, am Montag drauf bekam ich die Krebs-Diagnose.“
Abschied und Neuanfang
Der Neuanfang, der Abschied, die Rückkehr, turbulente Zeiten. Sie sind Gründungsintendant, als sich Ronaldo und Julia verlieben. Schalke küsst Dortmund, bestes Volkstheater, ein Klassiker im Revier. Sie hören auf, als sich die Wohnung unterm Theaterdach, als sich die Seele leer anfühlt. Und kommen zurück, geholt, gedrängt vom Prinzipal Stratmann, der weiß, was er an Ihnen hat; einen Freund, nun Chefdramaturg genannt; einen, der gebraucht wird als Ausputzer, der aber lieber der Spielmacher, der Mann mit der Nummer 10, sein möchte und auch ist. Für den aber bei allem Engagement seine Kinder immer an erster Stelle stehen werden.
Im Schatten der Scheinwerfer
Ein Teamchef, einfühlsam, motivierend, fordernd, im Schatten der Scheinwerfer, aber gerne auch mal in der ersten Reihe. Komisch, kultig, ein Knaller, wie Sie am Silvesterabend in der Pott-Fassung von „Dinner for one“ als Butler Jaköbchen alle mit Wanner Flächenbrand schicker machen: Obersteiger Klimaschewski, Tambourmajor Schwerdtfeger, Küster Behrend vonne Maria-Hilf-Kirche und Omma Soffies alte Flamme, Taubenvater Hans-Werner Höttges. Und Christian Stratmann, der im Stück die Omma Soffie spielt und sie ganz schön alt aussehen lässt.
Paraderolle Redner
In einer Rolle gefallen Sie mir besonders: als Redner, wenn es in Wanne-Eickel an der Wilhelmstraße etwas zu feiern gibt. Legendär Ihre Laudatio auf den Chef, der 60 wurde. „… aber Christian Stratmann ist nicht nur ein guter Mensch, nein, und er hat mich ausdrücklich darum gebeten, das hier nicht zwanghaft zu verschweigen. Er ist auch ein guter Chef. Leider fällt mir jetzt auf die Schnelle kein Beispiel ein.“
Leichtigkeit der Worte
Gesprochene Kunstwerke voller Witz und Leichtigkeit der Worte, mit kleinen Eitelkeiten und nicht schmerzenden Nadelstichen: „… Christian hat es geschafft, die scheinbar unvereinbaren Begriffe Unternehmer und Würde zusammenzuführen. Er sagt, niemals würde ich was unternehmen, was kein Geld bringt.“
Lieber Thomas Rech,
bringen wir die Geschichte, Ihre Geschichte noch nicht zu Ende. Jetzt ist der Saal leer, dunkel, aber nichts ist so schön wie der Mond von Wanne-Eickel. Passen Sie auf, als Chefdramaturg, ein bisschen auch als Hausmeister, dass der Prinzipal noch möglichst lange allen Gästen am Eingang die Hand schüttelt, dass es vorher Currywurst gibt, dass auf der Bühne der Pott tobt, wie wir ihn lieben.
Mit besten Grüßen
Hermann Beckfeld