Brief an Josef Schmeisser
Als Du den Signal-Iduna-Park besichtigt hast, fehlten der Stadionführerin die Worte - Hermann Beckfeld schreibt in dieser Woche an Kloppos Doppelgänger.

Bei Kaiserwetter in St. Wolfgang, Strobl und St. Gilgen wurde aufgetischt © Klemens Fellner
Lieber Josef Schmeisser,
wer weiß, vielleicht bist Du ja irgendwie mit Hans Strobl, dem Namensgeber Deines Heimatortes, verwandt. Das Unikum, ungezähmt und zupackend, ein Urtyp mit strubbeligem Haar, lebte im 16. Jahrhundert, war rund um den Wolfgangsee im Salzkammergut bekannt; er verdiente sein Geld damit, Eisenerz, das auf Fuhrwerken aus der Steiermark in sein Dorf kam, mit Booten über den See nach St. Gilgen zu transportieren.
Viele Gemeinsamkeiten
Ich bin überzeugt, Du und Hans, ihr habt viele Gemeinsamkeiten: nicht nur die Liebe zu Strobl, auch den nicht zu bremsenden Tatendrang, den leidenschaftlichen Ehrgeiz, etwas zu bewegen und immer der Beste zu sein, nicht zuletzt den ausgeprägten Geschäftssinn.
Ich muss zugeben: Als wir in Deinem Restaurant Kirchenwirt einkehrten, dachte ich weniger an Raubein Strobl, eher an „Versteckte Kamera“. Der Mann, der uns an der Eingangstür überaus herzlich begrüßte und später am Tisch die Bestellung aufnahm, sah aus wie Jürgen Klopp in Lederhosen. Kaum zu glauben, wie ähnlich Ihr Euch seid mit dem nicht zu bändigenden Haar, dem wilden Bartwuchs, den blauen Augen, vor allem mit dem einnehmenden Lächeln, aber auch den zusammengekniffenen Lippen, wenn unser Ex-Borussen-Trainer und Du über etwas nachdenken; wenn es nicht so läuft, wie Ihr es Euch vorstellt.
Eine Runde Birnenschnaps
Später, bei einer Runde Birnenschnaps, hast Du Deine Double-Geschichten erzählt. Immer wieder bitten Urlauber aus Deutschland um Autogramme und Selfies mit Dir. Trotz der BVB-Niederlage im Champions-League-Finale gegen die Bayern trugen Dich schwarzgelbe Fans an diesem Abend als Gaudi durch den Nachbarort. Und als Du mit einer Gruppe den Signal-Iduna-Park besichtigt hast, fehlten Eurer Stadionführerin fast die Worte. Kloppo wieder in Dortmund, wie ist das möglich?
Am Pilgerweg nach St. Wolfgang
Das Gebäude, mitten im Dorf am Marktplatz im Schatten der Pfarrkirche des heiligen Sigismund mit dem herrlichen Blick auf den Wolfgangsee, gehört Deiner Familie in vierter Generation. Zuvor diente es als Straßenmeisterei; diese lag direkt am Pilgerweg nach St. Wolfgang. Urgroßvater Matthias und Großvater Friedrich arbeiteten als Metzger. Deine Großmutter Katharina, sechsfache Mutter, war eine taffe Frau. Sie kümmerte sich mit Engagement um Pension und Gaststube; einen Betrieb, der von Deinen Eltern mit ebenso viel Herzblut weitergeführt wurde. Sie investierten viel Arbeit und Geld, um das Hotelrestaurant zu modernisieren. Als Dein Vater Sepp viel zu früh starb, gab es an Deiner Entscheidung nichts zu rütteln. Unterstützt von Mutter Maria, der guten Seele des Hauses, und Schwester Viktoria, die sich um die Buchhaltung kümmert, leitest Du nach Deinem Tourismus-Studium den Familienbetrieb.
Siegeswille am Spielfeldrand
Deine Begeisterung, Deine Leidenschaft sind so spürbar wie der Siegeswille des Liverpool-Coachs am Spielfeldrand. „Wer keine 100 Prozent gibt, hat in der Hotelgastronomie nichts zu suchen“, sagtest Du, und dabei ging Dein Blick schon wieder über alle Tische in der gemütlichen Stube.
Längst gehört Ihr zu den Platzhirschen in Strobl. Gäste können auch im Hotel Carl Michael, in den Ferienwohnungen der Villa Franz Josef und des Ziehrerhauses übernachten. Alle vier Unterkünfte von Euch haben ihren eigenen Stil, von urig-nostalgisch bis topmodern.
Auch das reicht Dir nicht. Ständig erfindest Du neue Veranstaltungen, zum Beispiel das Weinfest direkt am Seeufer. Was für eine Idylle: Urlauber und Einheimische sitzen unter freiem Himmel an einem langen, festlich gedeckten Tisch. Du sorgst für das Essen, jeder kann seinen Lieblingswein mitbringen. Zur Ruhe scheinst Du selten zu kommen. Morgens bist Du der Erste beim Frühstück, und abends schließt Du das Restaurant und den Wirtsraum ab. Selbst nach langen Arbeitstagen lässt Du es Dir nicht nehmen, bei Partys auf dem Platz vor dem „Kirchenwirt“ den Discjockey zu spielen.
Lieber Josef,
unglaublich, aber wahr: Der gute, alte Hans Strobl mit seinem wirren Haar und seiner umtriebigen Art diente Autor Heinrich Hoffmann als Vorlage für seinen „Struwwelpeter“, der weltberühmt wurde. Für mich wirst Du der Jürgen Klopp des Salzkammergutes bleiben, der uns mit den leckersten Salzburger Nockerln, die wir je gegessen haben, verwöhnt hat.
Mit besten Grüßen
Hermann Beckfeld