Brief an Claudia Law

Wer auf der Alm mit Biertischen, Bänken und Theke das Sagen hat, war nicht zu übersehen... Hermann Beckfeld schreibt an eine Frau, die ihre Zukunft mutig selbst in die Hand genommen hat.

27.01.2018, 05:59 Uhr / Lesedauer: 3 min
Brief an Claudia Law

Liebe Claudia,

ich weiß gar nicht, was mich mehr begeistert. Deine traumhafte Welt auf 1400 Metern Höhe; Dein Elan, Dein Mut, eine eigene Almütte zu bauen und zu leiten; oder doch Deine Geschichte über die Rückkehr in Deine herrliche Heimat: das Skigebiet Dachstein-West im Salzkammergut.

10 Jahre lang bist Du durch die Welt gereist, hast nach Deinem Touristik-Studium unter anderem in den USA, in Kanada und Frankreich gearbeitet. In Thailand erreichte Dich eine Ansichtskarte Deines Bruders. Manuel fragte an, ob Du die Patentante seines Kindes werden möchtest. Und da Du nichts halbherzig machst, hast Du Dich entschlossen, nach Hause zu kommen, um die Aufgabe zu übernehmen.

Geringe Einnahmen

Dir war klar, dass Dein Bruder und Du nicht gemeinsam das Hotelrestaurant Eurer Eltern führen könnt, dass die Einnahmen nur für einen reichen. Deshalb hast Du vor neun Jahren Deinen kühnen Traum von der Go-Gosau-Almhütte verwirklicht, hast viel Geld aufgenommen für „den schönsten Arbeitsplatz auf der Welt“, direkt an der Bergstation vom Express-II-Lift und dem Hornspitz-Drehkreuz.

Den Exoten gespielt

Um Dich, die mit 27 Jahren einst jüngste Hüttenwirtin Österreichs, auf Deiner Alm zu besuchen, habe ich, der Nichtskifahrer, den Exoten gespielt, fuhr als Einziger ohne Bretter mit den beiden Liften hoch – und war fasziniert. Es war ein Traumtag. Die Sonne ließ den Schnee glitzern, ich blickte ins Tal auf weiße Pisten und das Örtchen Gosau, in den blauen, wolkenlosen Himmel und auf die Berggipfel am Horizont. Dazu diese himmlische Ruhe, ich hörte nur das Surren der Lifte.

Wer auf der Alm mit Biertischen, Bänken und Theke das Sagen hat, war nicht zu übersehen. Du warst überall, im Saustall, in der Schirmbar, auf der Sonnenterrasse, hast Bestellungen aufgenommen, weitergegeben und kassiert, hast 25 Mitarbeiterinnen mit freundlichen Worten zu den Gästen dirigiert und in der ganzen Hektik trotzdem immer noch Zeit für einen flotten Spruch gehabt.

Ehemann an der Seite

An Deiner Seite, am Zapfhahn: Nick, Dein Ehemann, ein gebürtiger Engländer, den anscheinend nichts aus der Ruhe bringt. „Früher war er mein bester Kunde, heute ist er mein wichtigster Helfer.“

Von Dezember bis April ist die Alm Eure Welt. Morgens kurz vor neun, an sieben Tagen in der Woche, nehmt ihr den ersten Lift oder stapft mit Schneeschuhen hoch, am Abend fahrt ihr mit Skiern und Stirnlampen hinunter. Mit eigenem Pistenbully transportiert ihr Lebensmittel schon in aller Frühe zur Hütte.

Bis zu 1000 Gäste

Wenn Sonne und Schnee mitspielen, müsst ihr bis zu 1000 Gäste bewirten. Ich hab selbst miterlebt, wie Du zur Mittagszeit zum Mikro gegriffen hast, um die Kunden in der Hütte und auf der Terrasse zu informieren. „Bitte habt Verständnis, dass ihr ein bisschen warten müsst. Das müsst ihr ja auch vor dem Ticketschalter und den Liften.“

Ehrlich, agil, geschäftstüchtig. Am Samstag und Sonntag macht die Go-Gosau-Alm ihrem Namen alle Ehre. Da tanzen leichtbekleidete Mädels auf Tischen und Bänken, turnen über den Köpfen und der Theke im Gewirr der Zeltstangen der Schirmbar. „Aber Après Ski haben wir jeden Tag“, sagst Du. „Der beginnt quasi direkt nach der Mittagszeit.“ Um das Geschäft anzukurbeln, wirbst Du mit Champagner-Verkostungen, Weißwurst- und Karnevalsparty. Und im Internet mit vielen Bildern von den Go-go-Girls und begeisterten männlichen Gästen.

Liebe Claudia,

Du bist nicht nur Patentante, sondern auch Mutter. Anfangs hast Du Deine Heidi auf die Alm mitgenommen, jetzt ist sie 28 Monate alt und bleibt bei der Omi. Von Mai bis Dezember bist Du wieder ganz für Deine Tochter da. Ich bin überzeugt, Du liebst Deine beiden Welten.

Mit besten Grüßen

Hermann Beckfeld