Bochum: Masken-Atteste blanko ausgestellt - Arzt bestreitet Vorwurf
Prozess
Ein Bochumer Arzt soll ohne medizinische Notwendigkeit Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt haben. Vor Gericht holt er zum Gegenschlag aus.
Der Prozess hatte kaum begonnen, da holte der angeklagte Bochumer Arzt auch schon zum Gegenschlag aus. Er sprach sogar von „Gesinnungsschnüffelei“ und spielte auf die Nazi-Zeit an. Dem Hausarzt wird vorgeworfen, aus „politischen und medizinfremden“ Gründen Atteste zur Befreiung von der Corona-Maskenpflicht ausgestellt zu haben – was er vehement bestreitet.
Die Staatsanwaltschaft „fantasiere“, erklärte der 77-Jährige im Prozess am Bochumer Landgericht. Sie sei „unwissend“, die Anklage basiere auf „Lüge und Betrug“. Er habe zu keiner Zeit unrichtige Atteste ausgestellt. In seinem Fall werde das Recht „umgangen, verbogen und gebeugt“.
Durchsuchung der Praxis
Die Bochumer Praxis des Angeklagten war im November 2020 erstmals durchsucht worden. Zuvor hatte es Hinweise gegeben, dass der Arzt angeblich Atteste ohne Untersuchung ausstelle. Auch die Zulassung war ihm anschließend für zwei Monate entzogen worden.
„Dadurch wäre die Praxis fast zerstört worden“, so der Mediziner. „Die Patienten haben das jedoch als politische Intrige durchschaut.“ Außerdem habe die Ruhestellung der Approbation nach seiner Klage am Verwaltungsgericht wieder zurückgenommen werden müssen.
Über 100 Prozessbesucher
Der Prozess gegen den 77-Jährigen, der in Bochum bei Versammlungen der Querdenker-Szene aufgetreten ist und als Kandidat der Partei „Die Basis“ für die Landtags- und Bundestagswahl kandidiert hatte, hat für großes öffentliches Interesse gesorgt. Über hundert Zuschauer waren am ersten Verhandlungstag erschienen, etwas mehr als 40 wurden schließlich auch in den Sitzungssaal gelassen. Mehr Platz war nicht.
Die in der Anklage aufgelisteten Atteste waren häufig gleichlautend. Die Befreiung von der Maskenpflicht wurde mit „gesundheitlichen Gründen“ erklärt, manchmal war auch von Angstzuständen oder Kopfschmerzen die Rede.
Patienten überhaupt nicht gesehen?
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Arzt die meisten seiner Patienten überhaupt nicht gesehen hat – oder erst weit nach der Ausstellung der Atteste. In seiner Praxis sollen sogar bereits unterschriebene Blanko-Befreiungsatteste gefunden worden sein, die auf die Zukunft datiert waren. Dafür hatte der Mediziner im Prozess keine Erklärung.
Auch für Kinder wurden Befreiungs-Atteste ausgestellt. Zwei sollen anschließend in Schulen vorgelegt worden sein. Ein Mädchen aus Recklinghausen ist daraufhin laut Anklage vom Unterricht suspendiert worden – wegen eines angeblichen Täuschungsversuchs.
Die anderen Atteste waren Polizeibeamten am Rande von Versammlungen oder in Bahnhöfen vorgezeigt worden.
Vorwürfe ins „Blaue hinein“
Der Arzt selbst ist sich keiner Schuld bewusst. Die Staatsanwaltschaft habe Abrechnungsziffern und Daten vertauscht und einfach schlecht ermittelt. „Ein seriöser Staatsanwalt hätte das vorher geklärt und keine Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt“, so der 77-Jährige.
Ob das wirklich so war, muss der Prozess nun zeigen. Die 1. Strafkammer des Bochumer Landgerichts hat noch drei Verhandlungstage bis zum 9. November vorgesehen.