Blonder Hans wird bitterböse
Jugenddrama "Nichts" schockiert
MÜNSTER Mit „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ brachte das Junge Theater Münster am Samstag einen regelrechten Psychothriller auf die Bühne des Kleinen Hauses.

Die Schüler türmen alles auf, was für sie von Bedeutung ist. Dabei werden die Opfer immer grausamer.
Bereits 2000 erschien die Romanvorlage der Dänin Janne Teller, aus der Andreas Erdmann seine Bühnenfassung schuf. In Dänemark wurde das Buch zunächst als Unterrichtsstoff verboten. Zu groß war die Angst vor der gefürchteten destruktiven Botschaft. Das sechsköpfige Ensemble am Theater Münster unter Regie von Johannes Schmid steht den bekannten Genre-Vorbildern wie „Die Welle“ oder „Der Herr der Fliegen“ an Intensität in nichts nach. Auf der nach allen Seiten offenen Bühne (Marie Holzer) agieren sie eingekesselt vom Publikum. Dabei schlüpfen die Darsteller gleich in einen ganzen Sack voll Rollen. Einzig Lilly Gropper als Erzählerin Agnes bleibt in ihrer Figur, zerrissen zwischen voyeuristischer Gier und unterschwelligem Zweifel.
Manuel Herwig gibt einen soliden Pierre Anthon, der mit unaufgeregter Überzeugung seine Thesen vertritt. Ganz anders agiert er als frommer Kai, dessen religiöse Moralvorstellungen unter den Rädern des Gruppenzwangs regelrecht zertrümmert werden. Vielseitig präsentiert sich Janna Lena Koch. Sie ist gleich in vier Rollen zu sehen. Auch Florian Steffens beweist in vier verschiedenen Figuren ein hohes Maß an Wandlungsfähigkeit. Ob als tuntig-pfiffige Dame Werner, als verpeilter Dennis oder als unerbittlicher blonder Hans – in jeder Rolle überzeugt er. Auffallend agiert Maike Jüttendonk in der Partie der Sofie. Während es fast komisch wirkt, wie sie als Gerda noch eben um das Leben ihres Hamster-Opfers buhlte, wandelt sie sich nach dem unfreiwilligen Verlust ihrer Unschuld zum brutalen Racheengel. Maximilian Scheidt berührt vor allem als Hussein, der nach der Gabe seines Gebetsteppichs zum Opfer häuslicher Gewalt wird. Kai Niggemann produziert elektronische Live-Musik und Kontrabassklänge. Das wirkt oft beinahe filmisch. So zum Beispiel, wenn er mit treibenden Rhythmen die Steinwürfe auf Pierre Anthon unterstützt. Das Stück greift wichtige Themen auf, vor allem die Frage nach der Entstehung von Gewalt. Doch spätestens, als Jan-Johann (Florian Steffens) seinen Zeigefinger einbüßt, stellt sich die Frage: Wie realistisch soll Jugendtheater in der Darstellung sein? Eine mutige Stoffauswahl, die den Zuschauer bis an die Grenzen treibt.