Blackout Liefern Photovoltaik-Anlagen trotzdem Strom?

Im Blackout-Fall: Liefert meine Photovoltaik-Anlage trotzdem Strom?
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Ende September gab es bereits mehr als 2,5 Millionen Photovoltaik-Anlagen auf Deutschlands Dächern. Energie aus der Sonne hatte laut Bundesnetzagentur schon im ersten Quartal dieses Jahres einen Anteil von 6,3 Prozent an der gesamten Stromerzeugung. Tendenz: stark steigend.

Viele, die jetzt in eine Photovoltaik-Anlage investiert haben, gehen davon aus, dass sie auf diese Weise ihr Haus auch dann mit Strom versorgen können, wenn es einen Blackout gibt, also das öffentliche Stromnetz zusammenbricht. Und das ist in sehr vielen Fällen ein gewaltiger Irrtum.

Wenn das öffentliche Netz ausfällt, schalten sich automatisch die üblichen PV-Anlagen ab, erläutert Reinhard Loch, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit unserer Redaktion. „PV Anlagen werden nicht so gebaut, geschaltet und vertrieben, dass sie auch eine Notstrom- oder Ersatzstromversorgung sicherstellen können. Die Standard-Anlagen können das alle nicht. Eine PV-Anlage ist immer so gebaut, dass sie sich abschaltet, wenn das öffentliche Netz ausfällt. Und so muss sie auch gebaut sein“, sagt Loch und erläutert, warum das so ist.

„Die können das alle nicht.“

Alle PV-Anlagen seien mit dem öffentlichen Netz verbunden und könnten Strom einspeisen. Die Abschaltfunktion sei aus Sicherheitsgründen unbedingt notwendig: „Stellen Sie sich einen Elektriker vor dem Haus vor, wie er am Verteilerkasten das öffentliche Netz wegnimmt, um in der Straße an Stromkabeln zu arbeiten. Wenn die Anlage in dem Haus, in dem oder vor dem er arbeitet, weiter Strom einspeisen würde, stünde der Elektriker ja noch immer unter Strom. Jede PV-Anlage muss sich daher abschalten, wenn das öffentliche Netz ausfällt“, sagt Loch.

Zwei Auswege - theoretisch

Allerdings, darauf weist Loch hin, könne man das theoretisch schon ändern. Das müsse ein Elektriker machen. Das aber sei so aufwendig, dass das „im Normalfall fast nie gemacht“ werde. Eine Ausnahme seien öffentliche Institutionen wie Krankenhäuser oder Rechenzentren.

„Die haben natürlich eine Notstromversorgung. In dem Fall muss der Elektriker aber sicherstellen, dass nur das Haus versorgt wird und das öffentliche Netz abgeschaltet bleibt“, sagt Loch.

Aber, so ergänzt Loch, inzwischen gebe es auch für Privatleute „sehr hochpreisige Anlagen“, die eine solche Umschaltvorrichtung hätten. Die würden von einigen Anbietern mittlerweile angeboten, Standard seien sie allerdings nach wie vor nicht. Grundsätzlich kämen ohnehin nur Anlagen mit einem Batterie-Speicher dafür infrage.

Das sagt die Solar-Industrie

Mit seiner Einschätzung dürfte Reinhard Loch allerdings nicht ganz richtig liegen, wie eine Nachfrage beim Bundesverband der Solarwirtschaft in Berlin ergab. Aufgrund einer Hochrechnung auf Basis von 80 befragten Unternehmen, die Solarspeicher installieren, gehe man nämlich davon aus, dass 2021 „fast die Hälfte der insgesamt im Jahr 2021 neu in Betrieb genommenen PV-Anlagen über ihren Speicher bei Netzausfall Strom bereitstellen.“ Ein Drittel der neuen Anlage könne auch auf „Inselbetrieb“ umstellen.

Allerdings, auch das räumt der Bundesverband, der die Interessen der Solarwirtschaft vertritt, ein, seien die Anteile der vor 2021 installierten, die Strom auch bei einem Netzausfall bereitstellen können, erheblich niedriger. Das heißt: Ein Großteil der im Moment in Deutschland installierten Anlagen kann das nach wie vor nicht, sondern lediglich ein Teil der erst vor kurzem installierten Anlagen.

Das bedeutet Ersatzstrom

Grundsätzlich, so erläuterte Loch, gebe es zwei Wege, im Falle eines Blackouts den Sonnenstrom der eigenen PV-Anlage zu nutzen: als Ersatzstrom oder als Notstrom.

Ersatzstrom heißt: Das komplette Haus wird vom öffentlichen Netz auf das Privatnetz umgeschaltet. Das sei aufwendig. Da sei man bei mindestens 1.000 bis 2.000 Euro, wenn man die Elektriker-Leistungen mit einrechne. Und: Einen Batteriespeicher benötige man dafür ohnehin „Sie müssen dann die Leistung für das gesamte Haus vorrätig halten, vielleicht so um die 20 Kilowatt. Das schafft ein Batteriespeicher in den gängigen Größen von 5 oder zehn Kilowatt gar nicht und Ihre Anlage auch nicht.“

Loch hält eine solche Ersatzstrom-Installation für unwirtschaftlich: „Mir ist nicht bekannt, dass es jemand mal versucht und gesagt hat: Ich will mein Haus auf Ersatzstromversorgung bringen.“ Allerdings ändere sich das derzeit gerade und es gebe Anbieter teurer Anlagen, die genau so etwas anböten. Wenn man es beim Neukauf einer Anlage mit einbaue, könne man darüber nachdenken. Eine nachträgliche Umrüstung sei eher nicht ratsam.

Beim Thema Notstrom sieht das laut Loch etwas anders aus. „Das bedeutet: Sie verlegen irgendwo ein eigenes 220-Volt-Kabel und sagen: Mein Rechner, das Licht oder die lebensnotwendige Beatmungsmaschine, die müssen immer funktionieren. Das ist dann eine Steckdose vielleicht im Wohnzimmer.“

Damit das funktioniere, benötige man einen speziellen Wechselrichter, „normale können das nicht“, zudem müsse ein Elektriker im Verteilerkasten dafür sorgen, dass dieses eine Kabel dann „heraussepariert“ werde. Das alles erfordere erheblichen Aufwand – für eine Steckdose mit Strom. „Das lohnt nicht, es sei denn, man benötigt den Strom etwa für eine Beatmungsmaschine“, sagt Loch.

Wenig gemütliche Lösung

Das einzige, worüber man laut Loch eventuell nachdenken könne, sei ein Weg über den Batteriespeicher. „Es gibt Batterien, die haben einen eigenen kleinen Wechselrichter. Da könnten Sie dann zwei Steckdosen dranhängen, vielleicht im Keller. Die sind dann aber im Grunde gar nicht an der Hauselektrik angeschlossen, sondern nur an der Batterie.“ Das sei zwar ebenfalls lediglich eine Notlösung, andererseits sagt Loch: „Die Batterien sind ja teuer genug, da kommt es auf einen eigenen Wechselrichter, der vielleicht 200 Euro kostet, nicht mehr an.“

Im Übrigen böten die Hersteller von Batteriespeichern inzwischen auch Geräte an, die direkt am Speicher bereits zumindest eine Steckdose hätten, die man nutzen könne.

Dass eine unabhängige Stromversorgung mit dem eigenen Strom aus der PV-Anlage unterm Strich bei den üblichen und verbreiteten PV-Anlagen nicht wirklich funktioniert, ist für den Energieexperten Reinhard Loch nicht unbedingt schlimm, denn: „Wenn die PV-Anlage ohne Speicher bei einem Blackout weiter Strom produzieren würde, wäre das gar nicht gemütlich für ihre Elektrik. Stellen Sie sich mal vor, Sie haben einen sonnigen Tag, aber da kommen immer mal wieder Wolken: Da würde Ihr Radio mal angehen, mal wieder ausgehen. Ihr Computer würde laufen, dann wieder nicht. Das stell ich mir sehr ungemütlich vor.“

Anmerkung der Redaktion: Eine erste Version dieses Textes hat zahlreiche Reaktionen von Lesern hervorgerufen. Sie berichteten, dass sie sehr wohl eine Anlage mit einer Notstrom- beziehungsweise Ersatzstromversorgung hätten und diese auch finanzierbar sei, wobei die Frage, ob etwas teuer ist oder nicht, sicherlich einer subjektiven Einschätzung unterliegt. Daraufhin haben wir ein erneutes Gespräch mit Reinhard Loch geführt und eine Einschätzung des Bundesverbandes der Solarwirtschaft eingeholt. Die so gewonnenen Informationen sind in diesen Text eingeflossen.

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