Berliner Philharmoniker: Kein Chefdirigent gewählt

Entscheidung vertagt

Die Berliner Philharmoniker sind mit der Wahl ihres neuen Chefdirigenten gescheitert. Nach mehr als elf Stunden Beratungen und mehreren Wahlgängen konnten sich die 123 anwesenden Orchestermitglieder am Montag nicht auf einen Nachfolger für Sir Simon Rattle im Jahr 2018 einigen.

BERLIN

11.05.2015, 15:36 Uhr / Lesedauer: 2 min
Wer folgt 2018 auf Sir Simon Rattle? Die Berliner Philharmoniker stimmen darüber gerade ab.

Wer folgt 2018 auf Sir Simon Rattle? Die Berliner Philharmoniker stimmen darüber gerade ab.

Die Suche der Berliner Philharmoniker nach einem Nachfolger für Chefdirigent Sir Simon Rattle geht weiter. Die Orchestermitglieder, die ihren Chef selbst wählen, konnten sich am Montag nicht einigen. Man wolle nun innerhalb eines Jahres einen neuen Anlauf unternehmen, sagte Orchestervorstand Peter Riegelbauer am Abend.

Diskussionen um Ausrichtung

Bei den Diskussionen sei es vor allem um die künftige Ausrichtung des Orchesters gegangen. Es habe dazu „ganz grundsätzlich unterschiedliche Positionen gegeben“, sagte Riegelbauer. Das Orchester sei zu mehreren Wahlgängen zusammengekommen, die jedoch ergebnislos geblieben seien. Der Orchestervorstand nannte die Debatten „konstruktiv“, sie seien „in kollegialer, freundschaftlicher Atmosphäre“ verlaufen. Während der Diskussionen seien keine Kontakte zu möglichen Kandidaten aufgenommen worden. „Telefonieren war absolut tabu.“

Bis zur neuen Wahl wolle das Orchester nun die interne Diskussion über Kandidaten und die Zukunft des Ensembles weiterführen. Er hoffe, dass alle Dirigenten, die im Gespräch gewesen seien, weiter mit dem Orchester zusammenarbeiteten. Namen nannte Riegelbauer nicht. Der Posten an der Spitze des Elite-Orchesters gilt als eine der begehrtesten Aufgaben in der Welt der klassischen Musik.

Konservativer gegen Erneuerer

Im Gespräch für die Leitung der Philharmoniker waren unter anderem die Dirigenten Andris Nelsons, Chef des Boston Symphony Orchestra, Christian Thielemann, Leiter der Staatskapelle Dresden, und Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper.

Unter den Traditionalisten im Orchester gab es viel Unterstützung für Thielemann (56). Der gebürtige Berliner gilt als Konservativer mit einem starken Hang zum romantischen, deutschen Repertoire und Komponisten wie Richard Wagner, Johannes Brahms und Anton Bruckner. Dagegen gilt der 36-jährige Nelsons, ebenfalls einer der Favoriten, als experimentierfreudiger Erneuerer.

Wechsel nach London

Rattle hatte 2014 angekündigt, dass er seinen Vertrag über das Jahr 2018 nicht verlängern wolle. Der Brite ist seit 2002 im Amt. 2017 tritt er als Chefdirigent des London Symphony Orchestra an und will dann ein Jahr lang zwischen Berlin und London pendeln.

Das 1882 gegründete Orchester wird vom Land Berlin subventioniert, gilt aber in seinen Entscheidungen als weitgehend unabhängig. Das Recht auf Selbstverwaltung wurde 1952 festgeschrieben. 

von dpa