Bericht: Russland zieht erste Forderungen in Ukraine-Verhandlungen zurück
Ukraine-Krieg
Russland soll in den Verhandlungen mit der Ukraine erstmals von Forderungen abgerückt sein. Auffällig ist, dass es sich dabei um mehrere der vielfach propagierten Ziele Russlands handelt.

Unterhändler Russlands und der Ukraine bei einer früheren Verhandlungsrunde. © picture alliance/dpa/BelTA/AP
Russlands Krieg gegen die Ukraine könnte durch die Verhandlungen schneller beendet werden, als Beobachter bisher angenommen haben. Wie die „Financial Times“ (kostenpflichtig) berichtet, sollen die russischen Unterhändler in den Verhandlungen erstmals von Forderungen abgerückt sein.
Die Zeitung beruft sich auf vier Personen, die über den neusten Stand der Verhandlungen informiert wurden. Demnach gebe es einen ersten Entwurf des Waffenstillstandsdokuments, in dem einige der Forderungen Russlands aber fehlen.
Russlands Forderungen nicht Dokument über Waffenstillstand?
Laut dem Bericht soll Russland in dem Dokument nicht mehr an seinen Forderungen festhalten, die Ukraine zu „entnazifizieren“ und zu „entmilitarisieren“. Auch vom Schutz der russischen Sprache in der Ukraine soll in der Vereinbarung über einen Waffenstillstand nun nicht mehr die Rede sein.
Eine Abkehr dieser Forderungen ist überraschend, da Russland diese drei Ziele immer wieder zur Rechtfertigung seines Angriffskrieges gegen die Ukraine herangezogen hatte. Der Russland-Experte und Politologe von der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, hatte zuletzt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erläutert: „Das Wort ‚Entnazifizierung‘ ist eigentlich nur ein Codewort für den Sturz der ukrainischen Führung.“
Würde Russland also von seiner Forderung nach einer „Entnazifizierung“ abrücken, könnte die Regierung Selenskyjs im Amt bleiben. Diese Fall hatte auch Mangott in Betracht gezogen, wenn die Ukraine im Gegenzug auf die meisten Punkte Russlands eingeht. „Ein Sturz der Regierung durch Russland ist nicht zwingend nötig.“
In ukrainischen Medien werden die Zugeständnisse Russlands als Folge auf den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte gewertet. Westliche Beobachter hatten sich ebenfalls immer wieder verwundert über offensichtliche operative Fehler und logistische Defizite gezeigt.
Wie ernst meint es Russland mit den Verhandlungen?
Gleichzeitig wird in ukrainischen Medien auch davor gewarnt, dass Russland mit der Hoffnung auf eine Lösung durch Verhandlungen den Westen hinhalten könnte. Die britische Außenministerin Liz Truss hatte schon früh gewarnt, Moskau würde nur zum Schein verhandeln und die Gespräche als Ablenkungsmanöver für eine militärische Neuordnung seiner Truppen nutzen. „Ich bin sehr skeptisch“, sagte Truss in einem Interview mit der Londoner „Times“ und erklärte: „Was wir bislang gesehen haben, ist ein Versuch der Russen, Zeit für eine Reorganisation zu gewinnen.“ Der Politologe Mangott geht aber davon aus, dass Russland offen für eine politische Lösung ist.
Zuletzt sei die russische Position verhärtet gewesen, so Mangott, und Russland nicht zu Zugeständnissen bereit gewesen. Ohne solche Zugeständnisse halte er aber eine Lösung bei den Verhandlungen nicht für möglich.
In den Verhandlungen sei man „nahe an einer Einigung über Sicherheitsgarantien“, zitiert die „Financial Times“ David Arakhamia aus dem ukrainischen Verhandlungsteams. Er sei auch zuversichtlich, dass die Ukraine der EU beitreten könne. Es gebe aber weiterhin ungelöste Fragen zu jedem Verhandlungspunkt. Russland verlange etwa die Anerkennung der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Krim und der Separatistengebiete als Teil Russlands. Dies lehnt die ukrainische Regierung aber vehement ab.
Zuletzt sagte Alexander Rodnyansky aus dem Beraterstab des ukrainischen Präsidenten dem RND: „Auf diese Forderungen würden wir niemals eingehen.“ Niemand rüttele an der territorialen Integrität der Ukraine. „Wir geben keine Gebiete auf.“ Die Menschen in den Gebieten würden auch nicht Teil von Russland werden wollen. „Wenn wir jetzt diese Territorien an Russland abtreten, dann würde das Russland nur noch zu weiteren Eroberungskriegen ermuntern“, sagte er dem RND.
Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland gehen weiter
Laut dem Bericht soll die Ukraine darauf verzichten, Atomwaffen zu entwickeln und eine Nato-Mitgliedschaft ausschließen. Im Gegenzug erhalte die Ukraine Sicherheitsgarantien, die ähnlich wie die Beistandsklausel in Artikel 5 der Nato lauten könnte. Dieser besagt, dass Partner dem angegriffenen Land zu Hilfe kommen müssen. Es gehe laut der US-Zeitung um Sicherheitsgarantien von den USA, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Deutschland, China, Italien, Polen, Israel und der Türkei.
Am heutigen Dienstag treffen sich in Istanbul erneut die Unterhändler Russlands und der Ukraine, um eine Vereinbarung auszuhandeln. Laut der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur „Ukrinform“ sollen sich die Verhandlungsführer mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen.
RND
Der Artikel "Bericht: Russland zieht erste Forderungen in Ukraine-Verhandlungen zurück" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.