
© Daniel Sadrowski
Beim Ruhr Ding die Heimat Ruhrgebiet neu entdecken
Ruhr Ding
„Ruhr Ding: Klima“ ist eine Open-Air-Ausstellung in Recklinghausen, Herne, Gelsenkirchen und bald auch in Haltern. Sie führt zu faszinierenden Orten.
Vor zwei Jahren veranstalteten die Urbanen Künste Ruhr unter der neuen Leitung von Britta Peters ihr erstes Ruhr Ding – eine Kunstausstellung im öffentlichen Raum von vier Ruhrgebietsstädten.
Wie damals sind es bei der neuen Ausgabe zum Thema „Klima“, die wegen Corona jetzt mit einem Jahr Verspätung öffnet und bis zum 27. Juni 2021 zu sehen ist, nicht nur die Kunstwerke, die faszinieren. Erstaunlich ist auch, welche spannenden Orte das Team in der Region gefunden hat.
Recklinghausen
Anders als die meisten anderen Stätten der Industriekultur, in denen Wohnungen oder Kulturbühnen entstanden sind, wirkt die Zeche General Blumenthal in Recklinghausen, die noch bis in die 1990er-Jahre in Betrieb war, als wären die Bergleute gerade erst abgerückt.

Sehenswert: Hayden Fowler kultiviert in Recklinghausen alte Pflanzenarten, die die Industrialisierung im Ruhrgebiet aussterben ließ. © Daniel Sadrowski
Sie ist Ort für gleich mehrere Kunstwerke: Neben den schillernd-glänzenden Skulpturen von Monira Al Qadiri, die Bohrköpfe darstellen, findet sich hier die Biokuppel, die der in Neuseeland geborene Künstler Hayden Fowler neben das Zechengebäude gebaut hat. Darin kultiviert er nach aufwendiger weltweiter Samensuche Pflanzen, die in den vergangenen 130 Jahren durch die Industrialisierung aus dem Ruhrgebiet verschwunden sind. Der Besuch ist ein irres Erlebnis.

Ehrenrettung für soziale Wesen: Die Künstlerin Monster Chetwynd hat den Kiosk am Grafenwall/Dortmunder Straße in Recklinghausen mit Fledermäusen bestückt. © Daniel Sadrowski
Witzig ist die Installation der Künstlerin Monster Chetwynd, die in einen ehemaligen Kiosk am Hauptbahnhof Fledermäuse ziehen lässt: Durch die Corona-Krise in Verruf geraten, seien die nämlich vorbildliche, ökologische und soziale Wesen, findet sie.
Herne
Eine Arbeit, die durch die Corona-Krise neu ins Programm gefunden hat, ist „Geisterspiele“ der Netzkunst-Pionierin Natalie Bookchin. Für ihre Installation, die eine ganze Wohnung einnimmt, darf das Publikum bis in den zehnten Stock eines der Hochhäuser an der Kreuzkirche in Herne hinauf. Hier hört und sieht man eine toll zusammengestellte Erzählung aus Eindrücken, die Menschen im Lockdown eingefangen haben.
Spannend ist auch die Arbeit „Family Business“, mit der die Ruhrgebiets-Künstlerin Silke Schönfeld in die Geschichte der ehemaligen McDonalds-Finale an der Bahnhofstraße 82 a einsteigt. Und wenn das Heimatmuseum Unser Fritz nicht sowieso schon einen Besuch wert wäre, dann jetzt durch die vom Emmy-prämierten Historiker Ralf Piorr kuratierte Ausstellung „Automobilism“ zum krassen Wandel des urbanen Raums in Herne.
Gelsenkirchen
800.000 Jahre würde es dauern, bis die Pflanzen auf dem Gelände am Consol-Theater den CO2-Ausstoß der ehemaligen Zeche wieder ausgeglichen haben. Darauf macht vor Ort die Gruppe Club Real aufmerksam, die als partizipatives Projekt ein Parlament eingerichtet hat, bei dem Menschen als Anwälte aller Organismen vor Ort eintreten.

„Der lange Abschied“: An der Bokermühlstraße 67 in Gelsenkirchen erzählen Lisa Hecke, Julian Rauter und Franz Thöricht die Geschichte der Tierpräparation. © Daniel Sadrowski
Ari Benjamin Meyers kennt man von seinen musikalischen Massen-Ereignissen am Schauspielhaus Bochum. Für ein leer stehendes Ladenlokal gleich hinterm Hauptbahnhof Gelsenkirchen hat er die Sounderzählung „Forecast“ mit Musik geschaffen, in der es um die Geschichte der Wettervorhersage geht – und damit, wie in allen Arbeiten, auch um einen Aspekt des Themas „Klima“.
Haltern am See
Zu Recht werden die Installationen am und im Silbersee II in Haltern wohl das meiste Publikum anziehen. Dieser Teil der Schau ist wegen der Corona-Situation allerdings noch nicht geöffnet. Schon aufgebaut ist die spektakuläre Sandskulptur „Clouded in Vain“ von Mariechen Danz und Kerstin Brätsch, die wie ins Fantastische gesteigerter Sowjet-Realismus wirkt.

Spektakulär: Eine Sandskulptur haben Mariechen Danz und Kerstin Brätsch am Silbersee II in Haltern geschaffen. © Daniel Sadrowski
Zwischen dem normalen Strand und dem FKK-Bereich gibt es die Umkleide „Climate Changing Room“, die quasi nichts verdeckt. Und auch im See schwimmt Kunst, die von Schwimmern sogar betreten werden kann.