Bau des Berliner Schlosses verschoben

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nach diesem Motto hat das Bundeskabinett Deutschlands größtes kulturelles Vorzeigeprojekt auf Eis gelegt.

Berlin (dpa)

07.06.2010, 17:02 Uhr / Lesedauer: 2 min

Das Berliner Schloss fällt dem Rotstift zum Opfer.

Das Berliner Schloss fällt dem Rotstift zum Opfer.

Das Berliner Schloss, einst stolze Residenz der preußischen Könige und deutschen Kaiser, soll erst von 2014 an wiederaufgebaut werden. Ursprünglich war der erste Spatenstich bereits für Anfang 2011 geplant.

Mit der überraschenden Entscheidung heizt das Kabinett die vielleicht längste und erbittertste Architekturdebatte wieder an, die es in Deutschland je gab. Befürworter des auf mehr als eine halbe Milliarde Euro veranschlagten Neubaus fürchten, der Aufschub könne das endgültige Aus bedeuten. Kritiker sehen die Chance, das Projekt nun endgültig zu kippen oder zumindest entscheidend nachzubessern.

Die Kanzlerin, die sich erst im vergangenen Jahr bei der Wiedereröffnung des Neuen Museums in Berlin für den Neubau ausgesprochen hatte, verteidigte den Aufschub. «Die Entscheidung macht deutlich: Es sind ernste Zeiten, es sind schwierige Zeiten. Wir können uns nicht mehr all das, was wir uns wünschen, leisten.»

«Eine reine Sparsymbolik», schäumte dagegen Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz, der mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Stiftungsdirektor Hermann Parzinger und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu den Befürwortern zählt. Sie wollen - einem doppelten Bundestagsbeschluss entsprechend - hinter der Schlossfassade das sogenannte Humboldt-Forum zu einem «Ort der Weltkultur» ausbauen - mit Museen, Veranstaltungen und Bürgerforum.

Letztendlich setzten sich im Kabinett die Haushälter durch. «Wenn überall die Säge angesetzt wird, können wir ein solches Projekt nicht stemmen», hieß es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa in der Runde. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) aus Bayern, über dessen Haushalt der Wiederaufbau läuft, warf sich demnach nicht gerade mit aller Kraft für die einstige Preußen-Residenz in die Bresche. «Seine Ambitionen waren nicht die größten», hieß es.

Vorerst ist völlig unklar, wie die Zwangspause in der Praxis umgesetzt werden soll. Die Vorarbeiten sind bereits so weit gediehen, dass mancher Experte eine Vollbremsung für unmöglich hält. So arbeitet der beauftragte italienische Architekt Franco Stella seit langem mit einem Team von 60 Zeichnern und Planern mit Hochdruck an der Feinplanung des Entwurfs - bis Ende des Jahres ist sie fertig.

Erst im vergangenen September hat die Bundesregierung die Stiftung Berliner Schloss ins Leben gerufen, die als Bauherrin und Koordinatorin fungiert. Auch die Mitarbeiter dort können wohl kaum drei Jahre Däumchen drehen. Und schließlich entsteht auf dem Schlossplatz das lange geplante Informationszentrum «Humboldt-Box»: Der Rohbau des 3000 Quadratmeter großen und fünf Millionen Euro teuren Ausstellungsgebäudes ist fast fertig - Ende des Jahres war die Eröffnung geplant.

Zweifel gibt es auch, ob das politische Signal tatsächlich richtig sparen hilft. Der Anteil des Bundes an den 552 Millionen Gesamtkosten beträgt 440 Millionen Euro. Sie sollten in Tranchen aufgeteilt in Ramsauers Etat eingestellt werden. Für die Jahre 2011 bis 2013 wird das nun nicht passieren. Im Gegenzug müsse die Bundesregierung aber jetzt das «marode Museum» in Dahlem sanieren, fordern die Berliner Kulturpolitiker. Denn dort seien die für das Humboldt-Forum vorgesehenen außereuropäischen Sammlungen zu erbärmlichen Bedingungen gelagert. Geschätzte Sanierungskosten: 200 Millionen Euro.

Die Berliner Bürger hatten sich schon Tage vor der Entscheidung für eine weit radikalere Lösung ausgesprochen: Sie plädierten in einer Forsa-Umfrage zu 80 Prozent dafür, das Mammutprojekt ganz zu kippen.

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