Ja klar, jede Bahnfahrerin, jeder Bahnfahrer kann Geschichten erzählen, was ihm oder ihr schon alles widerfahren ist im Zug. Es ist alles richtig, was mein Kollege Oliver Rasche schreibt. Und doch kommt die Bahn mir zu schlecht weg, wenn die Deutschen über ihre Verkehrsmittel schimpfen. Oder sagen wir besser: Wir Deutschen haben unsere Autos zu lieb!
Viele von uns leben im Ruhrgebiet. Niemand, der sich um 16.03 Uhr mit dem Auto von Dortmund nach Duisburg aufmacht, wird ernsthaft sagen: Ich bin um 16.48 Uhr da. Sondern: „Ich brauch ne dreiviertel Stunde bis Stunde.“ Und wenn es dann sogar 65 Minuten werden, ärgert man sich, weil „die Straßen voll waren“.
Je weiter die Strecke wird, desto unsicherer wird die Autofahrtzeit: Wie viele Pausen brauche ich? Wo droht Stau? „Wenn ich an Köln gut vorbeikomme, dann ...“, kündigt man eine Fahrtzeit an – und wenn nicht? Ja, dann eben nicht. Jedenfalls wird niemand das Verkehrsmittel Auto dafür kritisieren, wenn es mal ne Stunde länger wird. Während wir bei der Bahn längst auf dem Baum wären, wenn die Fahrt 7 Stunden dauert statt 6,5.

Die Parkplatzsuche ist in der Fahrtzeit nicht einmal eingerechnet: „Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden“ singt Grönemeyer – eine Zeile, mit der er das ständige Lebensgefühl von mehr Menschen ausdrückt als mit „Bochum, ich komm aus dir.“ Sind Sie jemals vom Parkplatz eines großen Fußballstadions, einer Arena gerollt? Unter 45 Minuten Zeit, um vom Parkplatz zu kommen, geht da nix. 45 Minuten Frust und Langeweile. Aber wir nehmen sie in Kauf. Damit wir mit dem Auto fahren können. Und ärgern uns dann, dass die Busse so selten fahren, wenn man doch mal einen braucht. Kein Wunder, wenn ansonsten die Nachfrage fehlt, möchte ich all jenen zurufen!
Man könnte noch eine Menge weiterer Nachteile des Autos aufzählen: In der Bahn kann ich arbeiten, mich auf Langstrecken mit Lebensmitteln versorgen, während ich fahre – und auch der Preis kann völlig okay sein, entweder mit dem Deutschlandticket oder bei etwas Planung. Dortmund-Südtirol, Südtirol-Dortmund für zwei Personen, 150 Euro. Schaffen Sie mit dem Wagen nicht, selbst wenn Sie nur das Spritgeld berücksichtigen!
Den Klimaschutz habe ich noch gar nicht erwähnt. Doch um festzustellen, dass wir der Bahn gegenüber oft ganz schön unfair sind, muss man das ja nicht einmal tun. Gute (Zug-)Fahrt!