AKP-Mann soll türkischer Ministerpräsident werden

Erdogan-Vertrauter Yildirim

Der türkische Ministerpräsident Davutoglu galt Erdogan-Anhängern als nicht loyal genug. Jetzt hat die AKP seinen Nachfolger nominiert: Den Erdogan-Vertrauen Yildirim. Im türkischen Parlament wird währenddessen über eine Aufhebung der Abgeordneten-Immunität diskutiert. Das könnte fatale Folgen haben - vor allem für die Oppositionsparteien.

Istanbul

19.05.2016, 13:15 Uhr / Lesedauer: 3 min
Als wahrscheinlichster Amtsnachfolger von Davutoglu gilt Verkehrsminister Binali Yildirim. Foto: Bülent Kilic/Archiv

Als wahrscheinlichster Amtsnachfolger von Davutoglu gilt Verkehrsminister Binali Yildirim. Foto: Bülent Kilic/Archiv

Nach dem Rückzug des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu soll der bisherige Verkehrsminister Binali Yildirim Chef der islamisch-konservativen AKP und der Regierung werden.

Der AKP-Vorstand nominierte den 60 Jahre alten Gefolgsmann des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag als einzigen Kandidaten für den bevorstehenden Sonderparteitag in Ankara. Dort soll Yildirim am Sonntag als Parteichef bestätigt werden. Anschließend wird er auch das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen.

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Erdogan-Anhänger hatten Davutoglu mangelnde Loyalität vorgeworfen. Sie hatten ihn außerdem beschuldigt, die von Erdogan angestrebte Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei nicht engagiert genug voranzutreiben. Nach einem Treffen mit Erdogan hatte Davutoglu am Donnerstag vor zwei Wochen seinen Rückzug angekündigt.

In einer kurzen Ansprache dankte Yildirim Davutoglu. Zugleich kündigte er einen entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus an. „Die Nation soll beruhigt sein“, sagte der 60-Jährige. „Wir werden die Geißel des Terrors von der Tagesordnung der Türkei entfernen.“

Unbestrittene Führungsfigur

Davutoglu war Erdogan im August 2014 an der Spitze der AKP und der Regierung nachgefolgt. Erdogan war damals vom Volk zum Staatspräsidenten gewählt worden. Die Verfassung schreibt dem Präsidenten zwar Neutralität vor. Erdogan ist aber weiterhin die unbestrittene Führungsfigur in der AKP und dürfte maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl Yildirims gehabt haben.

Der AKP-Sprecher Ömer Celik sagte am Donnerstag bei der Nominierung Yildirims in Ankara: „Es gibt keinen Abstand zwischen der AKP und unserem Präsidenten und es wird auch in Zukunft keinen geben.“ Das Publikum applaudierte dem Partei-Mitbegründer und „Anführer“ Erdogan.

EU-Botschafter einberufen

Rund um die Nominierung Yildirims ereignete sich erneut ein diplomatischer Zwischenfall zwischen Türkei und Europäischer Union.

Wegen einer kritischen Bemerkung zum Flüchtlingsabkommen hat die Türkei nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu den EU-Botschafter Hansjörg Haber einbestellt. Das türkische Außenministerium habe Haber bereits am Dienstag wegen eines als beleidigend empfundenen Satzes zum Gespräch gebeten, berichtete die Agentur am Donnerstag.

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Vor Journalisten habe Haber demnach in der vergangenen Woche mit Blick auf das Abkommen gesagt: „Wir haben ein Sprichwort: Beginnen wie ein Türke und beenden wie ein Deutscher. Hier ist es umgekehrt.“ Die Türkei habe die Äußerung verurteilt. Haber ist Deutscher und Leiter der EU-Delegation in der Türkei.

Die EU-Kommission bestätigte, dass Haber ins Außenministerium gerufen wurde. „Er erläuterte die bekannte EU-Haltung zu der (Flüchtlings-)Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei und stellte seine Bemerkungen klar“, sagte eine Sprecherin. Auf Details ging sie auch auf Nachfrage nicht ein.

Die Türkei und die EU streiten sich zurzeit um die Visumfreiheit für Türken. Sie ist eine Gegenleistung für das Flüchtlingsabkommen mit der EU. Ankara muss noch fünf von 72 Bedingungen für die Visumfreiheit erfüllen, darunter eine Entschärfung der Anti-Terror-Gesetze. Die Türkei lehnt das jedoch strikt ab. 

Immunität entziehen

Des Weiteren kam es im türkischen Parlament zu einem Vorstoß der AKP, mehr als einem Viertel der Abgeordneten die Immunität zu entziehen. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die Fraktion der pro-kurdischen HDP, die am schwersten betroffen wäre.

Erdogan wirft den HDP-Abgeordneten vor, der „verlängerte Arm“ der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Erdogan hat ausdrücklich dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben.

Die einmalige Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten soll über eine vorübergehende Verfassungsänderung geschehen. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit von 367 der 550 Abgeordneten notwendig. Mit einer 60-Prozent-Mehrheit (330 Stimmen) kann Erdogan eine Volksbefragung dazu einleiten, bei der eine einfache Mehrheit reicht. 

HDP fürchtet Festnehmen

Konkret soll mit der vorübergehenden Verfassungsänderung ein Satz aus Artikel 83 für jene Abgeordnete der Nationalversammlung ausgesetzt werden, denen Straftaten vorgeworfen werden. Der Satz besagt: „Ein Abgeordneter, der vor oder nach der Wahl eine Straftat begangen haben soll, darf nicht festgenommen, verhört, verhaftet oder vor Gericht gestellt werden, wenn die Versammlung nicht anderweitig entscheidet.“

Damit wäre der Weg für eine Strafverfolgung frei. Die HDP befürchtet die Festnahme von Abgeordneten ihrer Fraktion, gegen die vor allem Terrorvorwürfe erhoben werden. Parlamentarier anderer Parteien sehen sich Anschuldigungen wie etwa Amtsmissbrauch ausgesetzt.

von dpa

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