Adam Fischer erinnert an Verfolgung von Sinti und Roma
Der ungarische Stardirigent Adam Fischer (64) kennt nicht nur die berühmtesten Musikhäuser der Welt von Wien über die Mailänder Scala bis zur MET in New York. Fischer engagiert sich seit Jahren auch für Menschenrechte.

Der ungarische Dirigent Adam Fischer. Foto: Nicolas Maeterlinck
In Budapest legte er 2010 aus Protest gegen die Einmischung der rechtskonservativen ungarischen Regierung in den Musikbetrieb sein Amt als Generalmusikdirektor der Staatsoper nieder. In einer international beachteten Petition rief er 2011 Künstler in Europa dazu auf, gegen wieder erstarkenden Rassismus zu kämpfen.
In der Düsseldorfer Tonhalle ist Fischer am Samstag (3. Mai) mit Mozarts Requiem in Gedenken an die in der NS-Zeit verfolgten Sinti und Roma zu Gast und dirigiert die Düsseldorfer Symphoniker.
Frage: Was bedeutet das Thema des Genozids und der Verfolgungsgeschichte für Sie?
Antwort: Es ist wichtig, dass man sich erinnert. Es gibt noch Überlebende des Holocaust unter uns. Ich habe selbst eine Tante, die mit 18 Jahren in Auschwitz war, und sie hat mir viel erzählt. Jetzt ist sie 88. Mich interessiert aber auch die Gegenwart und die Zukunft, weil die Kultur der Erinnerung eine ganz direkte Auswirkung auf heute und die Zukunft hat.
Frage: Wie kamen Sie dazu, ein Konzert in Erinnerung an die Verfolgung von Sinti und Roma zu dirigieren?
Antwort: Meine Tante in Auschwitz hatte gehört, wie das Roma-Lager dort vernichtet wurde. Sie hat immer von dieser Nacht im August 1944 erzählt. Sie ist Jüdin und war in einem benachbarten Lager. Meine Großeltern sind in Auschwitz ermordet worden. Aber mein Engagement für die Roma hat auch andere Gründe. Ich mache das eigentlich deshalb, weil ich das Gefühl habe, dass der Rassismus gegen Roma im heutigen Alltag stärker präsent ist. Er ist auf eine andere Weise gefährlich als der wachsende Antisemitismus. Ich habe das Gefühl, man kümmert sich zu wenig darum.
Frage: In Düsseldorfs Nachbarstadt Duisburg leben viele Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, die mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland kamen. Auch sie treffen auf Ressentiments und Rassismus.
Antwort: Das sind auch soziale Probleme. Gefährlich wird es, wenn man anfängt zu denken, dass die Probleme ethnisch bedingt sind und nicht sozial, dann ist man manipulierbar.
Frage: Was hat Ihre Petition zum Kampf gegen Rassismus bewirkt? Haben sich viele Kulturschaffende angeschlossen?
Antwort: Zuspruch habe ich bekommen, auch Politiker sind auf mich zugekommen. Bei einzelnen Aktionen bin ich konkret vorgegangen, zum Beispiel in Ungarn. Dort wollte ein staatlich finanziertes Theater ein antisemitisches Stück aufführen. Dagegen habe ich Unterschriften gesammelt, und es wurde dann vom Spielplan abgesetzt. In kleinen Schritten habe ich etwas bewirkt, im Großen und Ganzen hoffe ich, dass die Menschen zum Nachdenken gebracht werden. Nachdenken ist wichtig. Man soll sich selbst auch prüfen. Grundsätzlich zu zweifeln, ist das Wichtigste. Der Mensch soll das Zweifeln lernen.
Frage: Können Konzerte helfen, rassistische Strömungen zu bekämpfen?
Antwort: Sie meinen, ob das Konzert etwas nützt oder nicht. Wenn die Leute nachdenken, dann habe ich schon mein Ziel erreicht. Was mich immer wieder überrascht ist, wie leicht Menschen manipulierbar sind und wie Probleme in der Gesellschaft oder Frust darüber gegen andere Menschen gelenkt werden können. Uns muss bewusst sein, dass wir manipulierbarer sind als wir denken.
ZUR PERSON: Der 1949 in Budapest geborene Adam Fischer war nach Stationen in Graz, Helsinki und Karlsruhe unter anderem Generalmusikdirektor (GMD) in Kassel und Mannheim. Er dirigiert regelmäßig an den größten Opernhäusern in Europa und den USA und ist auch auf dem Grünen Hügel in Bayreuth heimisch.
Sonderkonzert Tonhalle