A1 zwischen Unna und Kamen Warum es so schwer ist, Unfälle zu verhindern

Aufpassen und Abstand halten: Fahrer könnten Unfälle vermeiden
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Knapp zwei Tage lang war die Autobahn 1 zwischen den Abfahrten Kamen-Zentrum und Unna nach dem schwersten Unfall der jüngeren Vergangenheit gesperrt. Drei Lkw hatten sich ineinander und quer über die Fahrbahn geschoben. Mehrere Menschen wurden verletzt. Der Unfall vom 6. Mai war einer von vielen auf dem Autobahnabschnitt zwischen den Kreuzen. Menschliches Leid, hoher Sachschaden und erhebliche Störungen für den Verkehr in der Region: Lässt sich so etwas nicht verhindern?

Mehrere Feuerwehrleute und -fahrzeuge stehen nach einem Unfall auf der A1 zwischen Kamen und Unna.
Verkehrsunfälle erfordern immer wieder auch unzählige Arbeitsstunden der örtlichen Feuerwehr. © Michael Neumann (Archiv)

Abgelenkt und ungebremst aufgefahren

Ein Lkw sei in diesem Fall fast ungebremst am Stauende auf den anderen aufgefahren, berichtete Bartosch Waldowski. Er arbeitet bei der Autobahnpolizei Dortmund in der Führungsstelle der Direktion Verkehr. „Solche Unfälle am Stauende passieren leider regelmäßig“, so Waldowski. Die auf dieser Strecke geltenden Tempolimits seien eher nicht das Problem. Viele Unfälle passierten vielmehr, weil die Fahrer abgelenkt seien. Das lasse sich meist nur schwer nachweisen. Aber wenn nach einer solchen Kollision keine Bremsspuren gefunden werden, gilt das als deutlicher Hinweis, dass es keinen nennenswerten Bremsvorgang gegeben hat.

Problem Mindestabstand

Wie wichtig Sicherheitsabstände sind, lernt jeder in der Fahrschule. Als Faustformel gilt: Die Tachoanzeige geteilt durch 2 ergibt den empfohlenen Mindestabstand. Wer also mit 100 km/h unterwegs ist, sollte zum Vordermann nicht weniger als 50 Meter Distanz halten. Für Lkw gelten immer mindestens 50 Meter Abstand, sobald sie schneller als 50 Stundenkilometer fahren. Vor Baustellen weisen mitunter Schilder genau darauf hin. 50 Meter: Das entspricht der Strecke zwischen zwei Leitpfosten.

Wer öfter auf Autobahnen unterwegs ist, weiß aber, dass oft mit viel geringeren Abständen gefahren wird. Dies gilt als eine der Hauptursachen für schwere Unfälle.

Kontrollen schwer umzusetzen

Zu dichtes Auffahren zu verhindern oder es zu bestrafen, erscheint ausgerechnet auf dem A1-Abschnitt in Höhe Unna schwierig wegen der Baustellen. Verkehrspolizist Waldowski berichtet, die Polizei kontrolliere regelmäßig Abstände. Das dabei eingesetzte Kamerasystem funktioniere aber nur an bestimmten Stellen. „In Baustellen ist das häufig nicht möglich.“ Meist können „Abstandssünder“ also nur im Rahmen von Einsatzfahrten erwischt werden. „Das wird auch gemacht“, sagt Waldowski. Es sei aber abhängig vom Einsatzaufkommen. Die Autobahnwache Kamen habe begrenzte Ressourcen und oft „einen Unfall nach dem anderen“ abzuarbeiten. Und Unfalleinsätze und Gefahrenabwehr hätten eine höhere Priorität als die Ahndung von Verkehrsverstößen.

Wird einer Fahrerin oder einem Fahrer aber nachgewiesen, dass sie oder eher zu dicht aufgefahren ist, dann sei dies eine Ordnungswidrigkeit und „gar nicht so günstig“, sagt Waldowski. Der Bußgeldkatalog sieht mindestens 103,50 Euro Bußgeld (inklusive Gebühren) und einen Punkt vor, wenn jemand mit mehr als 80 km/h bei einem Abstandsverstoß erwischt wird.

Fahrer schalten Assistenzsysteme ab

Moderne Fahrzeuge haben Systeme, die dabei helfen können, Auffahrunfälle zu verhindern. Bartosch Waldowski bestätigt: „Es gibt Abstandswarner und Notbremsassistenten. Die sind super. Nur wenn man sie abschaltet, bringen sie nicht viel.“ Viele Lkw-Fahrer würden genau das tun: die Assistenzsysteme abschalten, wenn sie überhaupt welche an Bord haben. Ein Grund dafür sei sogar ein Stück weit nachvollziehbar: Waldowski beschreibt die Situation, in der ein Auto zwischen zwei Lkw einschert, beispielsweise um vor einer Abfahrt rechtzeitig auf die rechte Fahrspur zu wechseln. Unter Umständen würde in der Situation das Assistenzsystem eine Notbremsung einleiten, weil es das plötzlich auftauchende Auto als Hindernis erkennt.

Tempolimits entsprechen Richtlinien

Sind die Tempolimits sinnvoll, die rund um die Autobahnbaustellen gelten? Ein Leser schlägt in einer Nachricht an die Redaktion vor, die Geschwindigkeitsbegrenzung auch zwischen den aktuellen Baustellen bei 80 km/h zu belassen. 60 km/h wären sogar noch besser. Als regelmäßiger Pendler beobachte er „die gefährlichsten Fahrmanöver“ zwischen den beiden Baustellen, wo das zuvor geltende Tempolimit aufgehoben wird.

Die Autobahn GmbH allerdings lehnt dies ab. Die eingerichteten Geschwindigkeitsbegrenzungen entsprächen den geltenden Richtlinien und sollen für möglichst freien Verkehrsfluss sorgen, erklärte ein Autobahn-Sprecher. Auch die Baustellenverkehrsführung entspreche den gängigen Regelungen.

Was viele Fahrer als problematisch wahrnehmen in der Baustellensituation zwischen den Kreuzen, sind lange Lkw-Kolonnen, die auf dem rechten Fahrstreifen stehen oder langsam fahren. Wer beispielsweise aus dem Kamener Kreuz kommend auf die A1 in Richtung Süden fährt, muss sich erst in die Schlange einfädeln und dann versuchen, daraus auszubrechen: durch einen schnellen Wechsel auf die mittlere Fahrspur. Keine einfache Situation, bestätigt Verkehrspolizist Waldowski. Aber bisher komme es dadurch nicht gehäuft zu Unfällen.

Straßenarbeiten nach einem schweren Unfall auf der A1 zwischen Kamen und Unna.
Nach dem Unfall mussten Teile der A1 instandgesetzt und gereinigt werden. © Drawe (Archiv)

Bisher kein Unfallschwerpunkt

Der Autobahnabschnitt zwischen dem Kamener Kreuz und dem Autobahnkreuz Dortmund/Unna wird bei der Autobahn GmbH offiziell nicht als Unfallschwerpunkt geführt. Solche Schwerpunkte würden regelmäßig in der Unfallkommission gemeinsam mit der Polizei ermittelt. Auch deren Sprecher Bartosch Waldowski bestätigt, die Unfälle der jüngeren Vergangenheit stellten noch keine Häufung dar, wegen derer die Polizei sofort aktiv werden müsste. Sollte sich das ändern, würde aber zeitnah reagiert, erklärt Waldowski. Das Unfallgeschehen zu bewerten, sei für die Polizei ein fortlaufender Prozess. „Wir sind darauf bedacht, dass der Verkehr fließt und dass alle sicher ans Ziel kommen. Daran arbeiten wir jeden Tag.“