70 Jahre Kriegsende: «Sieg eines Ideals über eine Ideologie»

Am 8. Mai 1945 kapitulieren die Nazis, der Zweite Weltkrieg in Europa ist endlich aus. Millionen Tote sind zu beklagen, derer nun am 70. Jahrestag gedacht wird. Politiker mahnen, die Lehre aus den Kriegsgräuel sei, für Frieden und Versöhnung einzutreten.

Berlin/Washington/Moskau (dpa)

08.05.2015, 20:23 Uhr / Lesedauer: 2 min

Bundespräsident Joachim Gauck und der sowjetische Kriegsveteran Solomatin Pjotr Timofejewitsch auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof in Lebus. Foto: Patrick Pleul

Bundespräsident Joachim Gauck und der sowjetische Kriegsveteran Solomatin Pjotr Timofejewitsch auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof in Lebus. Foto: Patrick Pleul

Am 70. Jahrestag des Kriegsendes haben weltweit Staats- und Regierungschefs der Millionen Opfer gedacht und vor neuer Zwietracht in Europa gewarnt.

Bundespräsident Gauck würdigte am Freitag die getöteten Sowjetsoldaten, die Deutschland von der Nazi-Herrschaft befreit haben. «Ihr Schicksal mahnt uns, mit all unserer Kraft für Verständigung, Frieden und Versöhnung einzutreten.»

US-Präsident Barack Obama sagte über die gefallenen alliierten Soldaten: «Das war die Generation, die ganz wörtlich die Welt gerettet hat.» Heute müssten die westlichen Verbündeten für gemeinsame Werte zusammenstehen - Freiheit, Sicherheit, Demokratie, Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts. Zugleich gelte es, jeder Form von Hass eine Absage zu erteilen. Zum Gedenken an den Sieg der Alliierten überflogen am Freitag dutzende Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg die Innenstadt von Washington.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte, der 8. Mai sei kein Sieg einer Nation über eine andere. «Es war der Sieg eines Ideals über eine totalitäre Ideologie.» Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte den Staatschefs der Ex-Sowjetrepubliken zum 70. Jahrestag des Sieges über den Faschismus. Heute sei es gemeinsame Aufgabe, das «heilige Andenken» an die Helden zu bewahren, für die Veteranen zu sorgen und eine Wiederholung der tragischen Ereignisse nicht zuzulassen.

Russland feiert den Tag des Sieges an diesem Samstag mit einer großen Militärparade. Wegen des Ukraine-Konflikts haben zahlreiche westliche Politiker abgesagt. Merkel legt am Sonntag in Moskau am Grabmal des Unbekannten Soldaten gemeinsam mit Putin einen Kranz nieder.

Der Krieg in Europa und Asien kostete mehr als 55 Millionen Menschen das Leben, zum Großteil Zivilisten. Mit mehr als 26 Millionen Toten erlitt die Sowjetunion die größten Verluste. Zu den Opfern gehören auch rund sechs Millionen von den Nazis ermordete Juden.

Gauck legte auf dem zentralen sowjetischen Soldatenfriedhof in Brandenburg in Lebus einen Kranz nieder. Zuvor hatte er an einer Gedenkstunde im Bundestag teilgenommen, gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Historiker Heinrich August Winkler sagte in der zentralen Gedenkrede im Bundestag, das Deutschland von heute solle seine internationale Verantwortung annehmen. Mit den Nazi-Verbrechen könne kein Beiseitestehen begründet werden. Eine besondere Pflicht zur Solidarität gebe es mit Ländern, die erst durch die friedlichen Revolutionen von 1989/90 ihre Selbstbestimmung wiedergewonnen hätten. Nie wieder dürften Polen und die Balten den Eindruck gewinnen, als werde zwischen Berlin und Moskau irgendetwas über ihre Köpfe hinweg und auf ihre Kosten entschieden.

Winkler prangerte die heutige Fremdenfeindlichkeit und antisemitische Gewalt in Deutschland und anderen Ländern an. Die «eigentliche Lehre» der Geschichte zwischen 1933 bis 1945 sei die Verpflichtung, «unter allen Umständen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zu achten».

Auch der polnische Präsident Bronislaw Komorowski rückte das Schicksal Ostmitteleuropas und des Baltikums in den Fokus, die nach 1945 unter die Vormachtstellung der Sowjetunion gerieten. «Nicht allen hat das Ende des Krieges die Freiheit gegeben», sagte er in der Nacht zum Freitag auf der Westerplatte bei Danzig (Gdansk). Wenn jetzt aller Opfer des Krieges gedacht werde, müsse daran erinnert werden, dass nationale Souveränität auch heute noch verletzt werde, sagte er mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine.

Winkler übte scharfe Kritik an Russlands Haltung im Ukraine-Konflikt. Foto: Wolfgang Kumm

Winkler übte scharfe Kritik an Russlands Haltung im Ukraine-Konflikt. Foto: Wolfgang Kumm

Rüstungsminister Albert Speer, Hitlers Nachfolger Großadmiral Karl Dönitz und der Chef des deutschen Generalstabs, Generaloberst Alfred Jodl (v.l.) nach ihrer Gefangennahme durch die Briten in Flensburg. Foto: UPI

Rüstungsminister Albert Speer, Hitlers Nachfolger Großadmiral Karl Dönitz und der Chef des deutschen Generalstabs, Generaloberst Alfred Jodl (v.l.) nach ihrer Gefangennahme durch die Briten in Flensburg. Foto: UPI

Im Februar 1945 überqueren russische Panzer die Oder auf einer Behelfsbrücke. Foto: Archiv

Im Februar 1945 überqueren russische Panzer die Oder auf einer Behelfsbrücke. Foto: Archiv

Soldaten der alliierten Truppen verlassen ein Landungsboot am "Omaha-Beach" in der Normandie. Foto: Archiv

Soldaten der alliierten Truppen verlassen ein Landungsboot am "Omaha-Beach" in der Normandie. Foto: Archiv

Das Archivbild zeigt den sowjetischen Soldaten Militon Kantarija, der die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag hisst. Dies geschah nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee am 30. April 1945. Foto: Jewgeni Chaldej

Das Archivbild zeigt den sowjetischen Soldaten Militon Kantarija, der die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag hisst. Dies geschah nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee am 30. April 1945. Foto: Jewgeni Chaldej

Soldaten der alliierten Truppen führen zwei der ersten deutschen Kriegsgefangenen nach der Landung an der Küste ab. Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten an der Küste der Normandie. Foto: UPI/dpa

Soldaten der alliierten Truppen führen zwei der ersten deutschen Kriegsgefangenen nach der Landung an der Küste ab. Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten an der Küste der Normandie. Foto: UPI/dpa

D-Day: Ein Landungsboot bringt Soldaten der US-Army zum "Omaha Beach" in der Normandie. Foto: National Archives and Records Administration

D-Day: Ein Landungsboot bringt Soldaten der US-Army zum "Omaha Beach" in der Normandie. Foto: National Archives and Records Administration

Beim Einmarsch deutscher Truppen in Polen am 1. September 1939 reißen Soldaten einen Schlagbaum an der Grenze nieder. Foto: Archiv

Beim Einmarsch deutscher Truppen in Polen am 1. September 1939 reißen Soldaten einen Schlagbaum an der Grenze nieder. Foto: Archiv