2:1-Sieg gegen Saudi-Arabien - Pfiffe gegen Gündogan
DFB-Team mit schwacher WM-Generalprobe
Das 2:1 gegen Saudi-Arabien im letzten Test vor der Abreise zur WM ist kein Ruhmesblatt für Weltmeister Deutschland. Marco Reus ist ein Lichtblick, Ilkay Gündogan wird bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen.
Es gab neben aufmunterndem Applaus für die deutsche Mannschaft nach dem letzten Test vor der Mission Titelverteidigung auch einige Pfiffe. Die guten Wünsche für den Weltmeister werden gern mitgenommen, denn nach einer fußballerisch durchwachsenen Vorbereitung kann sie das DFB-Team gut gebrauchen.
Thema des Abends in der ausverkauften BayArena waren die Unmutsbekundungen gegen Ilkay Gündogan. Bundestrainer Joachim Löw („Die Pfiffe haben schon geschmerzt. Denn die Nationalmannschaft lebt davon, dass sie unterstützt wird.“) zeigte mit einer abfälligen Geste gegenüber des Publikums seine Verärgerung über die Pfiffe. Mats Hummels meinte: „Wir müssen über die Pfiffe reden.“ Manager Oliver Bierhoff forderte: „Das Thema muss jetzt endlich mal vorbei sein.“
Perfekter Pass von Boateng
Mehr als zwei Jahre nach seinem letzten Länderspiel auf deutschem Boden stand Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler Marco Reus endlich mal wieder im schwarzweißen Dress auf dem Rasen. Beim 1:2 gegen Österreich in Klagenfurt vor einer Woche hatte Reus sein DFB-Comeback nach einer schier unendlichen Verletzungsgeschichte gefeiert, im letzten Test vor dem Abflug am Dienstag durfte der 29-Jährige von Beginn an ran.
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Fußball, Testspiel: Deutschland - Saudi-Arabien 2:1 (2:0)
Für den geschonten Mesut Özil hatte Reus in der zentralen Mittelfeldposition alle Freiheiten - und er nutzte sie zu einem nachhaltigen Bewerbungsschreiben. Das 1:0 durch Timo Werner leitete er nach perfektem langen Pass von Jerome Boateng mit einer klugen Weiterleitung in den Lauf ein (8.). Zwei Minuten später setzte der Dortmunder einen Abpraller nach Schuss von Werner per Volleyabnahme an den Innenpfosten. Auch beim nächsten Aluminium-Treffer von Sami Khedira hatte Reus den Ball vorgelegt.
Viele Nachlässigkeiten
Zwischen dem 1:0 und dieser Chance aber lagen immerhin 29 Minuten, was andeutet, dass die deutsche Elf das Niveau der ersten Minuten nicht halten konnte. Der ein oder andere Haken zu viel, ein wenig zu ungenau auch die Pass-Aktionen - ins Spiel der DFB-Elf schlichen sich nach der schnellen Führung viele Nachlässigkeiten.
Das galt auch für die Arbeit im Umschalten nach Ballverlusten, wo die zweitklassigen Saudis doch die ein oder andere Lücke erspähten und für sich nutzen konnten. Vor allem über die Seite von Jonas Hector kamen sie einige Male gefährlich nach vorne, Mats Hummels als ballnaher Innenverteidiger musste permanent nach links rausrücken und hatte dort alle Hände voll zu tun.
Ein typischer Müller
Neben Hummels bot Bundestrainer Joachim Löw nach langer Verletzungspause den Münchner Boateng auf - nach seiner Verletzung im Champions-Halbfinale gegen Real Madrid scheint Boateng rechtzeitig fit zu werden für die WM. Die ersten 45 Minuten zeigten aber auch, dass die Spritzigkeit und vor allem die Automatismen in seinem Spiel noch wiederkommen müssen.
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Der DFB-Kader für die Weltmeisterschaft in Russland
Als die große Langeweile auszubrechen drohte, sorgte Thomas Müller in typischer Manier zumindest noch für einen zweiten Treffer vor der Pause. Irgendwie brachte er einen Fuß an Werners scharfe Hereingabe, von einem Abwehrbein abgefälscht trudelte der Ball ins Tor (43.).
Startformation fast klar
Gut eine Woche vor Turnierbeginn dürfte Löws Startformation große Ähnlichkeit mit der Elf gehabt haben, die auch das erste Gruppenspiel gegen Mexiko bestreiten wird. Offen bleibt allenfalls die linke Offensivseite, wo Julian Draxler und Reus um den Zuschlag kämpfen, sollte der am Freitag geschonte Özil fit werden. Dass Reus auch in der Zentrale wertvoll ist, bewies er bis zu seiner Auswechslung nach 55 Minuten. Der, der Reus dann ersetzte, bekam bei jedem Ballkontakt deutlich hörbare Pfiffe. Es war kein angenehmer Abend für Ilkay Gündogan, dem die Affäre um das Foto mit dem türkischen Staatschef Erdogan weiter nachhängt.
Sportlich litt die Partie dann nach der Pause unter den Wechseln und dem unübersehbaren Wunsch aller, sich so kurz vor der WM nicht noch ernsthaft zu verletzen. Draxler (50.) und Müller (55.) scheitern zentral vor dem gegnerischen Tor. Erneut Müller prüfte den starken Schlussmann Abdullah Al-Muatiouf (73.), auch Julian Brandt brachte den Ball nicht im Tor unter. Stattdessen kamen die Gäste nach einem fragwürdigen Foulelfmeter im Nachschuss sogar noch zum 1:2 (83.).
Steigerungsbedarf auf vielen Ebenen
Chancenverwertung, Zielstrebigkeit, Kompromisslosigkeit und Organisation - es gibt auf vielen Ebenen Steigerungsbedarf. Der Weltmeister hat sich auch bei seinem letzten Test nicht mit Ruhm bekleckert.