Auf den Straßen liegen neben viel Müll vereinzelt Schuhe, Masken und selbst eine Krücke: Es sind Spuren einer Massenpanik, die Samstagnacht während Halloween-Feiern in Seoul mehr als 150 Menschen in den Tod gerissen hat.
Bis zum späten Sonntagabend (Ortszeit) seien nach aktualisierten Angaben der Feuerwehr 154 Menschen für tot erklärt worden, berichteten südkoreanische Sender. Auch die Zahl der Verletzten bei der Katastrophe im beliebten Ausgehviertel Itaewon der südkoreanischen Hauptstadt sei erneut nach oben korrigiert worden - von zuvor 103 auf mehr als 130. Es gab mehr als ein Dutzend Schwerverletzte.
Präsident Yoon Suk Yeol ordnete eine gründliche Untersuchung an und rief eine landesweite Trauerzeit aus. Sie soll bis zum nächsten Samstag dauern. Auch im Ausland löste die Tragödie Bestürzung aus. Aus der ganzen Welt trafen Beileidsbekundungen ein. Es war die schlimmste Katastrophe in Südkorea seit dem Untergang der Fähre „Sewol“ 2014 vor der Küste des Landes, als 304 Menschen starben.
Unter den Todesopfern befanden sich laut Feuerwehr 26 Ausländer. Die Opfer stammten den Angaben zufolge aus China, dem Iran, Russland, den USA, Frankreich, Australien, Vietnam, Usbekistan, Norwegen, Kasachstan, Sri Lanka, Thailand und Österreich. Präsident Yoon Suk Yeol ordnete am Sonntagmorgen eine gründliche Untersuchung sowie eine Staatstrauer an.
Das Massenunglück ereignete sich Augenzeugenberichten zufolge, als es am Vorabend von Halloween in einer engen, leicht abschüssigen Gasse in dem viel besuchten Viertel Itaewon zu einem extremen Gedränge kam. Für die Besucher wurde demnach das nicht einmal 100 Meter lange Gässchen, an dem sich zu beiden Seiten Bars und Restaurants reihen, zur Falle: Zahlreiche Besucher seien zu Boden gestürzt, während andere nachgerückt seien. Hinten hätten sich die Mengen gestaut.
Menschen in Seoul wurden erstickt, erdrückt und niedergetrampelt
Viele der Opfer seien erstickt, erdrückt oder niedergetrampelt worden. „Da es viele Menschen auf dem Hügel gab, drückten Menschen die anderen von oben“, zitierte der öffentlich-rechtliche Sender KBS einen Zeugen. Sie alle seien wegen der Last gestürzt und dabei erdrückt worden.
Die genauen Umstände des Desasters sind noch unklar, die Polizei teilte mit, es werde auch überprüft, ob Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften vorlägen. Die ersten Berichte über das Unglück gingen den Berichten zufolge um etwa 22.15 Uhr Ortszeit bei Feuerwehr und Polizei ein.
Augenzeugenberichten zufolge waren die Gassen rund um das Unglücksareal derart voll, dass sich die Rettungskräfte nur schwer ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen und zu den Opfern vordringen konnten.
Online-Videos, die in sozialen Medien kursierten, zeigten Dutzende Personen, die am Straßenrand liegend mit blauen Plastikplanen bedeckt waren. Insgesamt hätten die Einsatzkräfte versucht, mehr als 50 Menschen wiederzubeleben, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Demnach waren mehr als 140 Rettungsfahrzeuge im Einsatz. Das Gebiet wurde weitläufig abgesperrt. Die Leichname wurden in den Morgenstunden in eine Sporthalle transportiert, wo sie von Angehörigen identifiziert werden sollten.
Fest erstmals wieder ohne Corona-Maßnahmen
Das alljährliche Halloween-Fest ist eine der größten öffentlichen Feiern in der Hauptstadt. Dieses Jahr fanden die Veranstaltungen statt, nachdem die Corona-Maßnahmen weitgehend gelockert wurden. Zehntausende Menschen zog es laut den Berichten ins Itaewon-Viertel, viele von ihnen in Halloween-Kostümen verkleidet.
„In Itaewon ist es jedes Jahr extrem voll, aber dieses Jahr war es einfach nur verrückt“, schrieb eine Frau auf ihrem Instagram-Account. Den Berichten zufolge machten Gerüchte die Runde, dass ein prominenter YouTuber auf dem Weg zu einem Club in der betroffenen Straße oder dort schon angekommen sei. Das habe noch einmal sehr viele Menschen angezogen.
Präsident Yoon leitete in der Nacht zum Sonntag eine Notfallsitzung. Zuvor ordnete er an, weiteres Notfallpersonal in das Areal zu entsenden und Krankenhausbetten vorzubereiten. Seouls Bürgermeister Oh Se Hoon sagte den Berichten zufolge während eines Besuchs in Europa sämtliche Termine ab und war auf dem Weg zurück in die Hauptstadt. Die Stadt richtete eine Leitung für Vermisstenmeldungen ein.
„Das ist wirklich schrecklich“, sagte Präsident Yoon in einer Rede am Sonntag aus seinem Büro, das unweit des Ausgehviertels liegt. Die Tragödie im Zentrum von Seoul hätte nicht passieren dürfen. Als Präsident, der für das Leben und die Sicherheit der Bürger verantwortlich sei, fühle er tiefe Trauer. Die Phase, bis der Vorfall unter Kontrolle sei, werde die Regierung zur nationalen Trauerperiode erklären.
Bundeskanzler Scholz zeigt sich erschüttert
Die tragischen Ereignisse in #Seoul erschüttern uns zutiefst. Unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern und ihren Angehörigen. Das ist ein trauriger Tag für Südkorea. Deutschland steht an ihrer Seite.
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) October 29, 2022
Auch im Ausland löste die Tragödie Entsetzen aus. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte den Hinterbliebenen und Opfern sein Mitgefühl. „Die tragischen Ereignisse in Seoul erschüttern uns zutiefst“, teilte der SPD-Politiker auf Twitter mit. „Unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern und ihren Angehörigen. Das ist ein trauriger Tag für Südkorea. Deutschland steht an ihrer Seite.“
Er und seine Frau Jill trauerten mit den Menschen in Südkorea, hieß es in einer Erklärung von US-Präsident Joe Biden. „Die Allianz zwischen unseren Ländern war niemals pulsierender und lebendiger - und die Beziehungen zwischen unseren Bürger so stark wie nie.“
dpa
urn:newsml:dpa.com:20090101:221029-99-311018/15
Halloween in NRW : Plastikwaffen, Eier am Haus – Was die Polizei erlaubt und was nicht
125 Tote bei Massenpanik nach Fußball-Spiel in Indonesien
12 Jahre nach Loveparade-Katastrophe: Opfer erhalten weiter Unterstützung
Massenpanik in der Thier-Galerie – Strafen für Böller-Werfer stehen fest