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„Verarschung“? Zweigleisiger Ausbau Münster-Lünen schrumpft auf Mini-Projekt
Streckenausbau Münster-Lünen
Immer wieder hieß es: Die Bahnstrecke Münster-Lünen wird komplett zweigleisig ausgebaut. Dem ist längst nicht so. Das Bundesverkehrsministerium hat erstmal andere Pläne. Das sorgt für Ärger.
von Torsten Storks, Uwe Becker
Lünen, Werne, Ascheberg, Capelle
, 25.04.2019, 11:45 Uhr / Lesedauer: 3 minScharfe Kritik an dem Vorgehen und der Informationspolitik des Bundesverkehrsministeriums bei dem von Teilen der Politik und Wirtschaft seit Jahren geforderten Ausbau der Bahnstrecke Münster-Lünen übt neben nordrhein-westfälischen SPD-Bundestagsabgeordneten der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). Nach Angaben der Politiker und des Zweckverbandes ist ein zweigleisiger Ausbau der kompletten Bahnstrecke vorerst vom Tisch. Das hat das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt.

SPD-Bundestagsabgeordneter Michael Thews © SPD
Wie der Lüner SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Thews jetzt gegenüber unserer Redaktion erklärte, soll der Ausbau gerade noch sechs Kilometer betragen. Das habe NRW-Bahnchef Werner Lübberink mit Verweis auf den Bundesverkehrswegeplan 2030 Anfang April bei einer Sitzung der SPD-Landesgruppe in Berlin gesagt.
Die Landesgruppe fühlt sich vom Bundesverkehrsministerium hinters Licht geführt. „Es ist skandalös, wie hier Versprechen gebrochen werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Gruppe – und dass der vom parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) bei der Eröffnung des Münsteraner Hauptbahnhofs im März 2017 vollmundig angekündigte Ausbau der Strecke immer weiter auf einen Miniabschnitt schrumpfe.

Enak Ferlemann (CDU) ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. © dpa
„Die Äußerungen des Staatssekretärs waren offenbar ein einziges Wahlkampfversprechen“, wird Nordkirchens Bürgermeister Dietmar Bergmann, Vorsitzender der SPD im Regionalrat Münster, in der Pressemitteilung zitiert. „In der Sache brauchen wir schnell Klarheit. Auch die Landesregierung ist gefordert. Der Umgang mit dem Thema zeigt auch das Desinteresse der politischen Akteure. Wir werden deshalb den Druck aufrechterhalten“, so die SPD-Landesgruppe NRW.
Deutsche Bahn hält sich bedeckt
Bei der Deutschen Bahn in Düsseldorf halten sich die Akteure bedeckt. Wie eine Bahnsprecherin auf Anfrage unserer Redaktion sagte, habe NRW-Bahnchef Lübberink die SPD-Landesgruppe über die aktuellen Ausbaumaßnahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 informiert.
Darüber hinaus, sagte die Sprecherin weiter, laufe im Bundesverkehrsministerium ein weiterer Untersuchungsprozess. Dazu hieß es im Bundesverkehrsministerium auf Anfrage unserer Redaktion:
„Der vollständig zweigleisige Ausbau der Strecke Münster-Lünen war im früheren Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2003 enthalten. Bei der Aufstellung des aktuellen BVWP 2030 konnte das Vorhaben aufgrund der von 177 Millionen Euro auf 457 Millionen Euro gestiegenen Kosten nicht mehr in den BVWP 2030 aufgenommen werden. Eine optimierte (...) Variante wurde unter PB 2-049-V01 in den Potenziellen Bedarf aufgenommen. Dieses Projekt ist nach positiver gesamtwirtschaftlicher Bewertung in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen.“ Davon hält NWL-Chef Joachim Künzel rein gar nichts.
NWL-Chef: „Haben uns alle verarscht gefühlt“
In einem Gemeinschaftsinterview unserer Redaktion mit dem Chef des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr, Ronald Lünser, das in den kommenden Tagen erscheint, hat sich Joachim Künzel sehr deutlich und merklich verärgert zum Thema geäußert:
„Speziell auf diese Strecke bezogen finde ich es völlig unbefriedigend, dass die benachbarten Oberzentren Dortmund und Münster, die 60 Kilometer auseinander liegen, mit einer eingleisigen Strecke verbunden sind, auf der nur ein stündlicher Nahverkehr stattfinden kann. Wenn man sieht, dass von Münster nach Essen zweieinhalb Fahrten pro Stunde stattfinden und zukünftig drei, dann ist das einfach albern. Von daher finde ich das Gehampel um den Ausbau dieser Strecke unsäglich. Jetzt kam im Dezember nach langem Hin und Her die Nachricht, dass die Strecke in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen wurde. Alle haben sich gefreut. Wenn man dann mal an nähere Informationen kommen wollte, war das verdächtig schwierig. Es stellt sich nun heraus, dass es im Bundesverkehrswegeplan gerade mal um sechs Kilometer geht und diese Baumaßnahme mit mehr Verkehr zwischen Dortmund und Münster nichts zu tun hat. Da haben wir uns alle verarscht gefühlt. Denn der Eindruck, der erweckt wurde, war ein anderer. Faktisch hat man in Berlin vieles nicht verstanden. Da ist jetzt zum Beispiel von einem Deutschlandtakt die Rede, der auch Lünen-Münster nach vorne bringen würde. Ob der wirklich kommt, sei mal dahingestellt. Wir werden den politischen Druck aus der Region sicherlich erhöhen. Wir müssen die Dinge richtig adressieren, und zwar nicht an die Bahn, sondern an den Bund. Wir sprechen ja auch von einem S-Bahn-Netz Münsterland, das diese Region dringend braucht. Und da wäre es unsinnig, wenn die genannte Strecke nicht auch ausgebaut würde. Wir vom NWL schauen, dass der Raum Münster die Bedeutung bekommt, die er verdient hat. Für mich ist die Strecke Lünen-Münster die absurdeste Situation im gesamten deutschen Nah- und Fernverkehrsnetz.“
Erläuterungen des Verkehrsministeriums
So erklärt das Bundesverkehrsministerium die aktuellen Pläne der abgespeckten Variante: Durch die Erhöhung der Streckengeschwindigkeit im Bereich Werne – Münster-Geist auf 230 km/h werde die Fahrzeitverkürzung zwischen Dortmund und Münster um drei Minuten verkürzt. Dadurch reduzierten sich auch die Verspätungen, heißt es vom Ministerium.
Der „Planfall“ sehe in der Tat einen zweigleisigen Ausbau auf den sechs Kilometern zwischen Capelle und Ascheberg vor. Außerdem sollen die Bahnhöfe Davensberg und Münster-Amelsbüren sogenannte Kreuzungsbahnhöfe werden. Heißt: Dort können künftig zwei Züge aneinander vorbeifahren. „In dieser optimierten Konfiguration steigt das Projekt aus dem Potenziellen Bedarf des Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom Dezember 2016 in den Vordringlichen Bedarf auf“, schreibt das Verkehrsministerium.
Untersuchungen zum Deutschland-Takt
Dies sei jedoch nur der erste Schritt des Streckenausbaus, teilte das Bundesverkehrsministerium weiter mit. Ein weiterer, zweigleisiger Ausbau der restlichen Bereiche des Streckenabschnitts Werne – Münster-Geist werde derzeit noch in den Untersuchungen zum Deutschland-Takt betrachtet. Nähere Angaben machte das Bundesverkehrsministerium nicht.
Jahrgang 1968, in Dortmund geboren, Diplom-Ökonom. Seit 1997 für Lensing Media unterwegs. Er mag es, den Dingen auf den Grund zu gehen.
