
© Goldstein (A)
Wie eine falsch befüllte gelbe Tonne zum Rohstoff-Engpass führen kann
Lippewerk
Die Rohstoffe werden weniger - umso wichtiger wird die Kreislaufwirtschaft. Hier kommt Lünen eine besondere Bedeutung zu. Doch mit Innovationen allein wird die Wende nicht zu schaffen sein.
Mülltrennung ist heute selbstverständlich - eigentlich. Zumindest bewertet Herwart Wilms, Geschäftsführer der „Remondis Assets & Services GmbH & Co. KG“, das Verhalten der Lünerinnen und Lüner in dieser Sache als gut: „Manchmal würden wir uns noch eine geringere Fehlerquote bei der gelben Tonne wünschen, aber im Großen und Ganzen funktioniert das gut.“ Erfahrungsgemäß sei die Disziplin bei der Trennung von Restmüll und Wertstoffen auf dem Land größer als in urbanen Regionen. „In den Städten findet weniger ,soziale Kontrolle‘ beispielsweise durch die Nachbarn statt, die auf dem Land schonmal eher sagen, dass etwas nicht in die gelbe Tonne gehört.“
Doch warum ist diese Trennung so wichtig? Die Antwort des Remondis-Geschäftsführers: „Weil wir lernen müssen, wie wir uns dauerhaft anders mit Rohstoffen versorgen können.“ Denn - auch das ist kein Geheimnis - viele Rohstoffe sind endlich. „Und zudem befinden sich gerade kritische Rohstoffe oft in den Händen von denen, die wir zu Recht als Schurkenstaaten bezeichnen“, so Herwart Wilms. Will man die Industrie erhalten, müssen die Rohstoffe also auf anderem Wege gewonnen werden.
Industrie muss sich neu ausrichten
Zum Beispiel eben aus dem Müll. Plastikverpackungen sind da ein gutes Beispiel: Aus ihnen kann relativ einfach neues Plastik hergestellt werden. Bedingung: Es darf auch wirklich nur Plastik in die Maschine kommen, wenn am Ende wieder Plastik herauskommen soll. „Wir müssen in unseren Sortieranlagen sicher auch noch besser werden. Aber vor allem muss auch der Produzent verstehen, dass er im Grunde selbst der Rohstofflieferant ist.“
Wilms nennt das Beispiel einer PET-Getränkeflasche, auf die der Hersteller sein Logo gedruckt hat - in Form einer mehrschichtigen Plastikfolie, die fest mit der Flasche verschweißt wurde. „Das ist nicht mehr zu recyceln, weil wir die Folie nicht von der Flasche trennen können.“
Entsprechend richtet sich Wilms’ Appell auch an die Industrie selbst: „Sie muss lernen, so zu produzieren, dass wir unabhängig von Rohstoffen sind, die sich nicht in unserer Erde befinden.“ Das sei für ihn ohnehin Kern der Kreislaufwirtschaft: „Der Ansatz muss sein: Ich gestalte mein Produkt so, dass ich den Rohstoff erhalte und die Reparierbarkeit sicherstelle.“ Wenn dann jemand ein Produkt nicht mehr möchte, kämen Firmen wie Remondis ins Spiel. Das Lüner Unternehmen ist beispielsweise ein großer Produzent von Silber, weil dieses aus alten Röntgenaufnahmen gewonnen werden kann.

Das Lippewerk an der Brunnenstraße ist ein Zentrum für Rohstoff-Rückgewinnung. © Remondis (A)
Das 230 Hektar große Lippewerk in Lünen ist ein Beispiel dafür, auf wie viele verschiedene Weisen Rohstoffe zurück- und auch neu gewonnen werden können. Das weiß auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Thews, der 15 Jahre in direkter Nachbarschaft bei Innovatherm arbeitete. „Rohstoffe wieder in den Markt zu kriegen, ist eine große Stärke in Deutschland“, ist der Politiker überzeugt.
Thews: Ressourcen ge- statt verbrauchen
Remondis sei hier ein wichtiger Innovationsmotor: „Und diese Innovationskraft werden wir brauchen.“ Denn der Rohstoffverbrauch in Deutschland sei mit rund 16 Tonnen pro Kopf und Jahr doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt: „Es geht darum, die Rohstoffverbräuche zu senken, indem wir unsere Ressourcen nicht mehr verbrauchen, sondern gebrauchen.“
Damit Bevölkerung und Industrie diesen Appellen folgen, könne man mit Anreizsystemen wie zum Beispiel einem Pfandsystem arbeiten. „Aber es muss auch ein deutliches Signal der Politik geben: Wir machen das jetzt und setzen das durch.“ Dabei sei auch eine Zeitschiene denkbar - wie beim Plastiktütenverbot, das Supermärkten bis 2022 Zeit lässt.
Einig sind sich Thews und Wilms, dass Recycling und Kreislaufwirtschaft wichtige Säulen der alternativen Rohstoffversorgung sein können. „Aber es muss noch deutlich mehr werden.“
Journalist, Vater, Ehemann. Möglicherweise sogar in dieser Reihenfolge. Eigentlich Chefreporter für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen. Trotzdem behält er auch gerne das Geschehen hinter den jeweiligen Ortsausgangsschildern im Blick - falls der Wahnsinn doch mal um sich greifen sollte.
