Gute Zahlen, trotzdem viele Probleme
Arbeitslose: Quote unter 10 Prozent in Lünen
Erstmals seit vielen Jahren ist die Arbeitslosen-Quote auch in Lünen unter die 10-Prozent-Marke gerutscht. Allerdings hält Lünen auch weiterhin die rote Laterne im Kreis Unna. Experten sehen positive und problematische Tendenzen.

© marc.froehling
Arbeitslosenquoten zum Teil weit unter 10 Prozent sind in den meisten Städten und Gemeinden längst Regel statt Ausnahme. Lünen brauchte hingegen einen langen Anlauf, um diese Marke zu unterschreiten. Doch jetzt ist es endlich soweit. Für Mai meldete die zuständige Agentur für Arbeit in Hamm eine Quote von 9,8 Prozent oder 4407 Menschen ohne Arbeit. „Es läuft“, überschrieb die Agentur ihre Pressemitteilung. Da die Zahl der Arbeitslosen seit Jahren auch in allen anderen Städten und Gemeinden des Kreises Unna zurückgeht, hält Lünen allerdings weiterhin die rote Laterne für die höchste Arbeitslosenquote im Kreis.
Dennoch hat sich eine Menge getan auf dem Lüner Arbeitsmarkt. Das zeigen die Daten der Arbeitsagentur. Unsere Redaktion hat sie für die Zeit angefragt, seit die Arbeitslosenquoten und -zahlen für Lünen gesondert ausgewiesen werden – und nicht mehr im Paket mit der Nachbarstadt Selm. Die Arbeitsagentur lieferte Datenmaterial seit Mai 2003. Damals waren 6061 Arbeitslose in Lünen registriert, bei einer Quote von 14,6 Prozent.
Den absoluten Rekordwert markierte der Februar 2005, mit 8217 Arbeitslosen und einer Quote von 19,8 Prozent. Heißt: Von allen „zivilen Erwerbspersonen“, wie es in der Fachsprache der Agentur heißt, war in Lünen fast jeder Fünfte ohne Arbeit. In den gut 13 Jahren bis Mai 2018 hat sich die Arbeitslosigkeit somit beinahe halbiert.
Wie beurteilen Experten die Entwicklung?
„Lünen profitiert vom allgemeinen Rückgang der Arbeitslosigkeit stärker als das Ruhrgebiet“, erklärt die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund und bezieht sich dabei auf den Zeitraum von Dezember 2014 bis Dezember 2017. Für diese Zeit meldet das Ruhrgebiet einen Rückgang um 7,3 Prozent, Lünen kommt hingegen auf 12,4. Der Kreis Unna schneidet mit -16,3 Prozent noch besser ab.
Eine andere IHK-Zahl macht den Strukturwandel deutlich: 1980 waren noch 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Lüner im produzierenden Gewerbe (Industrie) tätig, 2017 waren es nur noch knapp 29 Prozent. Mittlerweile dominiere die Gesundheitsbranche den kommunalen Arbeitsmarkt, so die IHK.
„Sehr positiv entwickelt“
Lünens Wirtschaftsförderer Eric Swehla verweist auf gestiegene Beschäftigungszahlen, obwohl „beispielsweise bei Caterpillar viele hundert Arbeitsplätze verloren gegangen sind“. Vor diesem Hintergrund habe sich der Arbeitsmarkt „sehr positiv“ entwickelt. Lünen habe „einen gesunden Mix aus wenigen Großunternehmen und sehr vielen sehr erfolgreich familiengeführten Mittelstandsunternehmen“, so Swehla.
Als Zukunftsstrategie empfiehlt er unter anderem, dominierende Branchen wie die Gesundheits- oder Kreislaufwirtschaft weiter zu stärken. Eine weitere Chance liege im Ausbau der Internationalisierung: „Weniger als 8 Prozent der produzierenden Unternehmen Lünens sind bisher international aufgestellt, wodurch wesentliche Märkte bisher nicht erreicht werden.“ Eine besondere Bedeutung komme dem Ausbau des Wissenschaftsstandortes Lünen zu, da Arbeit „zukünftig dramatisch flexibler und örtlich ungebunden von Unternehmen eingekauft werden wird“.
Fachkräfte wandern ab
Die Agentur für Arbeit sieht Lünens Stärken wie Swehla in der mittelständischen Struktur. Auch gebe es eine gute Entwicklung bei der Ansiedlung von IT-Betrieben (Informationstechnik). Allerdings macht die Arbeitsagentur auch Defizite aus, wie etwa den Rückgang „federführender Betriebe“. Namentlich genannt werden Caterpillar und die Sparkasse.
„Viele gut ausgebildete Arbeitskräfte vieler Branchen wandern ab und finden in umliegenden Städten bessere Arbeitsmöglichkeiten“, erklärt der örtliche Agentur-Sprecher Ulrich Brauer. Unattraktive Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen, schlechte Bedingungen im öffentlichen Nahverkehr und zu wenig flexible Kinderbetreuung in vielen Branchen – gemessen an der Nachfrage – stehen laut Agentur einer besseren Entwicklung des Lüner Arbeitsmarktes im Wege.
Große Wachstumsperspektiven gibt es laut Sprecher Brauer im Gesundheitswesen, im IT-Bereich, der Dienstleistungsbranche und im Handwerk, „aber alles stark abhängig von den Möglichkeiten, die erforderlichen Fachkräfte zu gewinnen“.
Auch müsse überlegt werden, wo die ungelernten Arbeitskräfte eingesetzt werden.
Problem Langzeitarbeitslose
Den überdurchschnittlich hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen in Lünen sieht auch Wirtschaftsförderer Eric Swehla als Problem des lokalen Arbeitsmarktes. In Lünen betrage der Anteil 45 Prozent aller Arbeitslosen, in Unna nur 35 Prozent.
Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist gestiegen.
Aber Arbeit haben ist eine Sache, davon leben zu können eine ganz andere. Laut Statistik der Agentur für Arbeit hat Ende 2016 (das sind die aktuellsten vorliegenden Daten) mehr als jeder dritte Lüner Vollzeitbeschäftigte weniger als 2400 Euro brutto im Monat verdient. Konkret: Von 14 711 Vollzeitbeschäftigten, die Angaben zu ihrem Einkommen machten, gaben 5092 an, bis 2400 Euro zu verdienen. Das sind 34,6 Prozent. 9619 nannten ein monatliches Brutto-Einkommen über dieser Summe.
DGB: Schlechter bezahlt
Der Anteil der Menschen mit eher geringem Einkommen hat sich nur wenig verändert. 2012 etwa verdienten 35,9 Prozent der Vollzeitbeschäftigten weniger als 2400 Euro. Jutta Reiter, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Region Dortmund-Hellweg, freut sich zwar, dass sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen seit 2015 deutlich steigen. Mit Blick auf die Einkommensverteilung sagt sie aber auch: „Viele neue Jobs entstehen in schlechter bezahlten Bereichen, die Tarifbindung geht zurück.“ Das sei auch ein Grund, warum es eine steigende Zahl von Minijobs parallel zum Hauptjob gebe.