Die Tage Anfang Dezember 2023 wird Nathalie Link wohl nie vergessen. Vor einem Jahr, nach der Stammzellen-Übertragung eines österreichischen Spenders an ihren kleinen Sohn Theo hatte die Familie aus Lünen die große Hoffnung, dass es der tapfere kleine Junge schaffen würde, den Krebs zu besiegen. Doch dann spürte Nathalie Link eine merkwürdige Verdickung bei Theo und ahnte schon, dass das ein schlechtes Zeichen ist. Am Nikolaustag 2023 kam dann die Diagnose - der Krebs war zurück. „Ich denke gerade viel an diese Zeit, wir alle denken daran.“ Weihnachten erlebte die Familie zusammen zu Hause. „Da ging es ihm noch gut.“ Wenige Tage später ging es Theo schlechter und Anfang 2024 verlor der Kleine den Kampf gegen den tückischen Krebs, wurde nur dreieinhalb Jahre alt.
Das ganze Jahr war nicht leicht für die Mutter von Theo und seiner kleinen Schwester Elli. Die Adventszeit ist noch ein bisschen schwerer. Wäre Elli nicht da, würde Nathalie Link die Vorweihnachtszeit am liebsten ignorieren. „Wir haben große Angst, dass Weihnachten ein ganz trauriger Tag wird“, sagt sie. Gerade ist sie wieder Tante geworden, ihre ältere Schwester hat ein kleines Mädchen zur Welt gebracht: „Es ist jedes Mal ein Wunder.“ Mit ihren beiden Schwestern hat sie ein enges Verhältnis, das hilft ihr, hat ihr schon während des Hoffens und Bangens um Theo geholfen.

Bei allen traurigen Gedanken gibt es ein Zeichen der Hoffnung für Nathalie Link und ihren Mann Daniel: „Ich bin schwanger, das Baby kommt Mitte Februar. Zum Glück ist es ein Mädchen“, erzählt die junge Lünerin. Denn sie könnte sich nicht vorstellen, einen kleinen Jungen so anzuziehen wie Theo, ihn vielleicht zu sehr mit seinem großen Bruder zu vergleichen. In die große Freude über ihr kleines Wunder, das neue Leben, mischt sich immer wieder die Trauer um Theo. „Wir versuchen, das Allerbeste aus allem zu machen, verstehen gar nicht, wo das Jahr geblieben ist.“ Und da ist die kleine Elli - wie soll sie mit ihren drei Jahren verstehen, was die Erwachsenen nicht begreifen können. „Man weiß nicht, wie es ihr wirklich geht, wie sie damit klarkommt, dass Theo nicht mehr da ist.“ Elli vermisst ihren Bruder. „Wir versuchen ihr zu erklären, dass Theo jetzt im Himmel ist, auch wenn wir es eigentlich selbst nicht verstehen können.“
Elli ist schon ein bisschen eifersüchtig auf ihre kleine Schwester in Mamas Bauch: „Sie möchte am liebsten mit mir allein sein, auch weil während Theos Zeit im Krankenhaus immer nur Mama oder Papa bei ihr, nie die ganze Familie zusammen war.“ Nathalie Link hat eine Selbsthilfegruppe in Dortmund gefunden: „Da kommen Menschen von überall aus der Region hin. Es tut irgendwie gut, andere Geschichten zu hören, zu erfahren, dass wir nicht allein sind, dass andere Menschen auch mit diesem Verlust fertig werden müssen. Das ist auch ein Trost.“

Nach Theos Tod hat Nathalie Link, die in der Pflege tätig ist, schnell wieder zu arbeiten begonnen. „Um mich abzulenken.“ Doch wegen ihrer Schwangerschaft darf sie nun nicht arbeiten, so die Ärzte. „Jetzt habe ich wieder den ganzen Alltag zu Hause.“ Elli geht in die Kita, Daniel arbeitet. Nathalie Link ist täglich einige Stunden allein mit ihren Gedanken, ihrer Trauer um ihren Sohn. Dazu kommt, dass die dreijährige Elli gerade im Trotzalter ist und ihre Mama nach der langen Phase des Hoffens und Bangens, der Freude über Fortschritte von Theo und dann des Schmerzes nicht mehr die Nerven wie vor der Erkrankung des Kleinen hat. „Jeder Tag ist aufs Neue ein Kampf, alles zu überstehen. Aber ich bin auch froh, dass ich eine Aufgabe habe und funktionieren muss.“
Einerseits wünscht sie sich, dass es besser wird, dass sie wieder mehr Kraft und mehr Nervenstärke findet: „Gleichzeitig will ich nicht, dass es weniger wird mit dem Vermissen.“ In der ganzen Familie erzählt man sich immer wieder viel über Theo, schöne Dinge und Erlebnisse mit dem Kleinen: „Wir weinen auch nicht nur, wenn Theos Name fällt.“ Bekannte sprechen sie nicht mehr auf Theo an, wissen nicht, wie sie mit dem Verlust der Familie umgehen sollen. Auch da hilft es Nathalie, die Selbsthilfegruppe zu besuchen, wo sie offen sprechen kann, weil sie weiß, dass man sie versteht: „Da reicht ein Nicken, ein Blick.“

Noch hat Theos Mama immer wieder ein schlechtes Gefühl, wenn sie in der Öffentlichkeit lacht. „Ich glaube, ich bin ein komplett anderer Mensch geworden, irgendwie egoistischer, was ich gar nicht möchte.“ Probleme von Freundinnen kann sie sich heute kaum anhören - „weil sie mir nicht mehr so bedeutsam erscheinen wie vor Theos Tod. Dabei möchte ich ja für andere da sein.“ Sie kann auch nachvollziehen, wenn jemand nicht versteht, dass die Trauer bei ihr allgegenwärtig ist.
Es brennt immer eine Kerze auf Theos liebevoll gestaltetem Grab. „Das ist wichtig, darauf achten wir. Vor Weihnachten soll nun auch der Grabstein kommen.“ Nathalie Link bemalt Steine fürs Grab, hat etwas dafür getöpfert. „Es ist ganz schön voll auf dem Grab, aber es ist auch das Einzige, was wir für Theo tun können.“ Auch wenn sie keine Gartenfreundin ist - Blumen für Theo pflanzt sie gerne. Auch Feuerwehr-Accessoires und Schildkröten finden sich dort - beides liebte Theo sehr. Papa Daniel arbeitet mittlerweile bei den Wirtschaftsbetrieben Lünen (WBL). Als er das Fahrzeug der Jugendfeuerwehr reparierte, mit dem Theo vor einem Jahr von der Kinderklinik Datteln nach Hause gebracht wurde, kamen ihm die Tränen.
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