Petra Fehst aus Horstmar zeigt deutlich, was sie von der ganztägigen Tempo-30-Einführung hält.

© Goldstein

Tempo 30: Lünerin berichtet über tägliches Chaos im Berufsverkehr

rnVerkehr

Die Einführung von Tempo 30 auf sechs Lüner Hauptverkehrsstraßen sorgt für Stau auf den Straßen - und schlechte Stimmung bei den Autofahrern. Eine Lüner Pendlerin schildert ihre Erlebnisse.

Lünen

, 16.01.2022, 10:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Petra Fehst lacht kurz auf. Welche Auswirkung die Einführung von Tempo 30 auf sechs Lüner Hauptverkehrsstraßen für die Berufspendlerin hat? „Mein Mann bekommt sein Abendessen jetzt später als vorher“, schmunzelt die Horstmarerin, die zumindest ihren Galgenhumor nicht verloren hat. Doch ansonsten, das wird im Gespräch mit dieser Redaktion deutlich, ist der 58-jährigen Autofahrerin überhaupt nicht zu lachen zumute.

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„Ich kann den 30er-Zonen nichts abgewinnen“, bilanziert die Steuerfachangestellte mehr als drei Monate nach Einführung der Temporeduzierung auf sechs Lüner Hauptverkehrsstraßen.

Am 4. Oktober war im Zuge des Lärmaktionsplans der Stadt Lünen das Tempolimit zur Bekämpfung von Umgebungslärm heruntergesetzt worden. Solch ein Lärmaktionsplan wird von der Europäischen Union für alle Kommunen verlangt.

Und wenn man sich ihre Schilderungen so anhört, kann man den Standpunkt von Petra Fehst verstehen.

„Ich habe vorher nie im Stau gestanden“

„Vor der Einführung im Oktober habe ich nie im Stau gestanden“, beteuert Fehst. Doch nun verliert die Steuerfachangestellte nach eigener Aussage jeden Tag viel Zeit auf den verstopften Straßen zwischen ihrem Wohnort Lünen-Horstmar und ihrem Arbeitsplatz in Selm.

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Preußenstraße, Bebelstraße, Kurt-Schumacher-Straße, Borker Straße lautet die Fahrtroute am Morgen. Nach Feierabend geht es dann in umgekehrter Reihenfolge zurück. „Morgens geht es zum Teil im Schneckentempo über die Bebelstraße, der Verkehr staut sich vom Café del Sol an zurück. Da verliere ich mindestens fünf Minuten“, beschreibt Fehst.

Rückstau im Feierabendverkehr: Petra Fehst bekommt auf der Bebelstraße in Lünen seit Einführung von Tempo 30 regelmäßig jede Menge rote Bremslichter zu sehen.

Rückstau im Feierabendverkehr: Petra Fehst bekommt auf der Bebelstraße in Lünen seit Einführung von Tempo 30 regelmäßig jede Menge rote Bremslichter zu sehen. © Privat

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. „Morgens fahre ich deshalb jetzt immer zehn Minuten eher los. Das ganz große Problem ist aber der Feierabendverkehr“, erklärt Fehst. Gegen 16.30 Uhr fahre sie in Selm los. Früher sei sie immer um 17 Uhr zu Hause gewesen. Seit der Einführung von Tempo 30 benötige sie nun jeden Abend 10 bis 15 Minuten länger.

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Auf der Borker Straße halte sich das Problem stadteinwärts noch in Grenzen. „Bis zur Einmündung nach Alstedde läuft der Verkehr flüssig“, so Fehst. Doch dann sorgen die Ampeln sowie die Linksabbieger, die auf die BFT-Tankstelle wollen, bis runter zur Kurt-Schumacher-Straße für Stop-and-Go-Verkehr.

Rückstau sorgt für Probleme

Richtig schlimm werde es aber dann auf der Bebelstraße. „Oft kann man von der Kreuzung Kurt-Schumacher-Straße am Café del Sol gar nicht nach links auf die Bebelstraße abbiegen - weil zu viel Rückstau ist“, schildert Fehst. Biege man trotzdem ab, laufe man Gefahr mitten auf der Kurt-Schumacher-Straße zu stranden, den Gegenverkehr von der Gahmener Straße zu blockieren - und ein lautes Hup-Konzert auszulösen.

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Schaffe man es dann doch auf die Bebelstraße, sei auch hier Stop-and-Go angesagt. Eine weitere Beobachtung: Die Autos aus den Nebenstraßen schaffen es oft lange gar nicht auf die Bebelstraße, weil alle Autofahrer so genervt seien, dass sie keiner mehr einfädeln lasse. „Man merkt: Die Menschen sind rücksichtloser geworden“, beklagt Petra Fehst.

Oft staut sich der Feierabendverkehr so zurück, dass man Schwierigkeiten hat, von der Konrad-Adenauer-Straße auf die Bebelstraße zu biegen - und man Gefahr läuft, auf der Kreuzung stehen zu bleiben.

Oft staut sich der Feierabendverkehr so zurück, dass man Schwierigkeiten hat, von der Konrad-Adenauer-Straße auf die Bebelstraße zu biegen - und man Gefahr läuft, auf der Kreuzung stehen zu bleiben. © Privat

Ein weiterer Kritikpunkt der 58-Jährigen: Die „extrem schlechte“ Ampelschaltung hinter der Bebelbrücke in Fahrtrichtung Lünen-Süd. Die Grünphasen seien so kurz, dass es stadtauswärts oft nur wenige Autos über die Ampel schafften. „In die andere Richtung ist die Grünphase viel länger, da fahren dann die ganzen Autos an einem vorbei“, so Fehst.

Das Ganze nerve so sehr, dass sie es ab und zu über einen anderen Weg nach Hause probiere: Von der Kurt-Schumacher-Straße über die Kamener Straße und die Kreuzstraße. Doch meist bringt das nichts, denn sie sei bei weitem nicht die Einzige. Viele Autofahrer versuchen dem Chaos auf der Bebelstraße über „Schleichwege“ zu entgehen.

Bilder an den Bürgermeister gesendet

Um ihrem Unmut Luft zu machen greift Fehst irgendwann hinterm Steuer zum Handy. Was eigentlich verboten ist, ermöglicht ihr ihr Auto. Das hat eine Start-Stopp-Automatik. Heißt: Wenn es steht, geht der Motor aus - und sie darf ungestraft zum Smartphone greifen. Das tut sie - und macht Fotos. Viele Fotos. Vom Verkehrschaos. Und die Bilder schickt sie dann ins Rathaus.

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„Ich habe jeden Abend bestimmt drei Bilder direkt an das Büro des Bürgermeisters geschickt“, erklärt Fehst. Nach rund einer Woche bekommt Petra Fehst schließlich einen Anruf von einer Verkehrsplanerin aus der Abteilung Mobilitätsplanung und Verkehrslenkung der Stadt Lünen. „Ich habe der Dame die Probleme geschildert, sie hat jedes Mal dagegen argumentiert, am Ende ist nichts dabei herumgekommen“, so Fehsts Urteil.

Lösungsvorschlag: 30 mit Zeitbeschränkung

Aber was wünscht sich Petra Fehst? Die Abschaffung der Tempo-30-Zonen? „Nein, ich kann das aus Sicht der Anwohner total verstehen“, beteuert Fehst. „Ich wäre aber für eine zeitgebundene Lösung - so wie etwa in Kamen oder Dortmund.“ Das hieße zum Beispiel: Tempo 30 zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens. „Das wäre doch total in Ordnung.“

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Für solch eine Lösung möchte sie sich weiter starkmachen - und hofft dabei auch auf die Bürgerinitiative „Pro Verkehrsfluss Lünen“. „Ich habe es nicht mit den sozialen Netzwerken“ gesteht Fehst. Aber um sich mit der BI zu vernetzen, habe sie sich extra bei Facebook angemeldet - und später an einem Infostand an der Bebelstraße ihre Unterschrift hinterlassen.

Davon möchte „Pro Verkehrsfluss Lünen“ noch möglichst viele sammeln um in der ersten Ratssitzung 2022 einen gewichtigen Antrag einzureichen, der die Lüner Politik dazu auffordert, die Tempo-30-Maßnahmen noch einmal genau zu überdenken.

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