So arbeiten die Moscheegemeinden in Lünen

Fragen und Antworten

Die Vorwürfe an Moscheegemeinden im Land sind vielfältig. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan finanziere und steuere viele der Gemeinden, heißt es häufig. Wir haben alle vier Gemeinden in Lünen nach Finanzierung, Iman, Gebetssprachen und politischen Einschätzungen gefragt.

LÜNEN

, 20.11.2016, 05:18 Uhr / Lesedauer: 2 min
Freitagsgebet in der Moschee an der Roonstraße am 16. Januar 2015

Freitagsgebet in der Moschee an der Roonstraße am 16. Januar 2015

Besonders laut wurde die Kritik an den Gemeinden des größten Verbandes für Moscheen Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion). Die Ditib-Gemeinde mit ihrer Moschee an der Roonstraße ist die größte muslimische Gemeinde in Lünen. Für die Gemeinde antwortete Sprecher Yahya Dindarol in einer schriftlichen Stellungnahme. 

Ditib und Imam
Ditib steht für Diyanet Isleri Türk Islam Birligi und bedeutet Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. Es ist der bundesweite Dachverband für die Koordinierung der über 900 angeschlossenen Moscheegemeinden. Die Lüner Gemeinde hat 450 Mitgliedsfamilien, 450 bis 550 Menschen kommen zum Freitagsgebet und etwa 500 bis 600 zu den Feiertagsgebeten in der Selimiye-Moschee an der Roonstraße. Der Imam ist das religiöse Oberhaupt einer muslimischen Gemeinde und Vorbeter des Ritualgebets.

Wie hat der Imam aus der Türkei in die Gemeinde gefunden?

Unsere studierten Theologen bekommen wir auf unseren Wunsch hin in Kooperation mit dem Ditib-Bundesverband und der Religionsbehörde Diyanet (Anm. d. Red. Diyanet ist in diesem Falle das Amt für religiöse Angelegenheiten in der Türkei).

Wie lange ist er im Amt, wie lange läuft die Amtszeit noch? Wer bezahlt den Imam?

Er ist seit Juli 2016 hier und wird noch bis Juli 2020 bleiben. Wir stellen und zahlen als Gemeinde seine Unterkunft. Alles Weitere wird über die Ditib/Diyanet geregelt.

In welcher Sprache predigt der Imam? Wer bestimmt den Inhalt der Predigten?

Auf den Dienst wurde er in Sprachkursen und landeskundlichen Schulungen durch die Konrad-Adenauer-Stiftung vorbereitet.

Werden in der Moschee auch politische Inhalte vermittelt?

Nein, denn wir sind eine Glaubensgemeinschaft. Daher bieten wir vor allem religiöse Dienste, zunehmend auch soziale Dienste an.

Erhält die Gemeinde Geld aus der Türkei? Wie finanziert sich die Gemeinde ansonsten?

Wir erhalten nicht direkt und auch nicht indirekt Geld vom deutschen oder türkischen Staat. Wir finanzieren uns als gemeinnütziger Verein über Mitgliedsbeiträge und Spenden – wie jeder andere Verein auch.

Wie bewertet die Gemeinde die Inhaftierung von Gülen-Anhängern nach dem Putschversuch in der Türkei?

Wir bewerten nicht politisch – weder hier noch woanders. Wir bieten als Religionsgemeinschaft vor allem religiöse Dienste, zunehmend auch soziale Dienste. Mögen uns auch andere Dinge bewegen und beschäftigen, im Haus Gottes bleiben politische Themen in der Gemeindearbeit außen vor. 

Gülen-Anhänger
Der Prediger Fethullah Gülen ist das Oberhaupt der Gülen-Bewegung. Er hat weltweit ein Netz von privaten Bildungseinrichtungen aufgebaut, die nahezu in jeder größeren deutschen Stadt vertreten sind. Hier soll es über 100.000 Gülen-Anhänger geben. In der Türkei wird er für den Putschversuch im Sommer verantwortlich gemacht, was Gülen selbst seither bestreitet. In Deutschland wird Gülens Lehre auch vorgeworfen, radikal-islamische Thesen zu verbreiten.

Besuchen Gülen-Anhänger weiter die Veranstaltungen in ihrer Gemeinde? Sind sie willkommen?

Moscheen sind keine Orte der Politik, Provokation oder Agitation. Dies dient dem Schutz der spirituellen Atmosphäre, dem sakralen Ort und dem Gemeinschaftsfrieden.

Wie bewertet die Gemeinde den Vorwurf, Ditib sei „der lange Arm Erdogans“ in Deutschland?

Das ist schlichtweg falsch und abwertend. Und unfair. Ich bin demokratisch gewähltes Vorstandsmitglied der hiesigen Gemeinde. Wie alle anderen Moscheevorstände im Ditib-Verband auch. Und auch unsere Landesverbände und unser Bundesverband werden nach demokratischen Prinzipien gewählt. Wir Vorstände sind das demokratisch legitimierte Sprachrohr unserer Gemeinden und Mitglieder, und deren verlängerter Arm, wenn wir handeln. Wir leisten wichtige Arbeiten vor Ort, am und für den Menschen. Hier in Lünen, in unserer Heimat.

Imam der Gahmener Gemeinde ist Deutscher

Auch die Moscheegemeinde des Gahmener Bildungs- und Kulturzentrums hat auf unsere Anfrage geantwortet. Der Imam sei in Deutschland geboren, deutscher Staatsbürger und habe seine Ausbildung beim Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) in Köln absolviert, sagt Mehmet Genç, Vorsitzender der Gemeinde.

VIKZ
In der VIKZ-Moscheegemeinde sind nach eigenen Angaben rund 25 Familien Mitglied. Auch Menschen, die nicht Mitglied sind, nutzen laut Genç deren Dienste. Zu einem Freitagsgebet kommen im Schnitt zwischen 60 und 80 Menschen, sagt Genç.

Der Iman leite die Freitagspredigt sowohl auf Türkisch als auch auf Deutsch, gestalte den Inhalt individuell, könne jedoch auch auf Predigten des VIKZ zurückgreifen. „Die Themen sind religiösen Inhalts und richten sich zum Teil nach unterschiedlichen religiösen Anlässen wie Festen, heiligen Nächten, Ramadan, Opferfest usw. Politische Themen sind tabu“, erklärt Genç in einer Stellungnahme.

Keine Stellungnahme zu politischen Themen

Die Gemeinde finanziere sich indes „ausschließlich über Spenden, Mitgliedsbeiträge und gelegentliche Wohltätigkeitsbasare“. Die Moscheen seien außerdem offen für alle, auch für Nichtmitglieder. „Eine Beurteilung der Moscheebesucher nach irgendwelchen Kriterien gibt es bei uns nicht“, erklärt Genç.

Die Frage nach dem Einfluss von Erdogan auf die muslimischen Nachbargemeinden lässt Genç jedoch unbeantwortet: „Bitte sehen Sie uns nach, dass wir als eine Religionsgemeinschaft keine Stellung zu politischen Themen abgeben.“ Die Antworten der beiden Gemeinden erhielten wir nach über zwei Monaten. Nicht geantwortet haben die Ditib-Ulu-Moschee in Brambauer und die Milli-Görüs-Gemeinschaft.