Miteinander lernen, essen und Freizeit verbringen: Das bietet die Offene Ganztagsschule an. Das Angebot ist gefragt in Lünen und reicht längst nicht aus, um die Nachfrage zu decken.

Miteinander lernen, essen und Freizeit verbringen: Das bietet die Offene Ganztagsschule an. Das Angebot ist gefragt in Lünen und reicht längst nicht aus, um die Nachfrage zu decken. © picture-alliance/ dpa

Riesen-Lücke bei Ganztagsbetreuung: Lünen fehlen 1627 OGS-Plätze

rnGanztagsbetreuung

Schon jetzt gibt es Wartelisten für OGS-Plätze in Lünen. Dabei fragt zurzeit nur die Hälfte der Eltern einen Platz nach. Bald werden es 90 Prozent sein: eine Riesenherausforderung.

Lünen

, 06.10.2022, 09:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Bund und Länder hatten sich im September 2021 nach langem Ringen geeinigt: Jedes Kind, das ab dem Schuljahr 2026/2027 eingeschult wird, bekommt in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz in einer Offenen Ganztagsschule (OGS) - theoretisch zumindest.

Denn praktisch fehlen in den Städten und Gemeinden diese Plätze noch. Auch in Lünen. 1627 Plätze muss die Stadt im Hauruck-Verfahren schaffen. Das sind mehr als doppelt so viele, wie die Kommune zurzeit bereitstellt (1550). Der Bedarf ist jetzt schon deutlich höher.

Lange Wartelisten auch für berufstätige Eltern

In Lünen sind alle 15 Grundschulen zugleich offene Ganztagsgrundschulen. Das heißt: Für Eltern besteht dort das Angebot, ihre Kinder bis 16 Uhr betreuen zu lassen - Mittagessen, freies Spiel, Hausaufgabenbetreuung und Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften inklusive.

Die OGS ist ein Angebot, das die Betreuungslücke schließen hilft, die für viele Familien entsteht, wenn die Kinder die Kita verlassen und eingeschult werden. Voraussetzung dafür: Die Eltern bekommen einen der begehrten Plätze. Das ist aber längst nicht an allen Standorten gegeben. Manche Schulen können nicht einmal allen berufstätigen Eltern ein Angebot machen. Die Stadtverwaltung spricht von langen Wartelisten und wachsender Nachfrage. Und von zum Teil bedenklichen Zuständen im laufenden Betrieb.

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Zurzeit besuche etwa 50 Prozent aller Grundschülerinnen und Grundschüler die OGS. Damit liegt Lünen im Bundesdurchschnitt. In einigen ostdeutschen Bundesländern, wo es bereits einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gibt, liegt die Quote schon jetzt bei 90 Prozent. Das hält auch die Lüner Stadtverwaltung für einen realistischen Wert, sobald dann im August 2029 alle Grundschulkinder - vom i-Dötzchen bis zum Viertklässler - einen Rechtsanspruch auf Betreuung haben wird. Damit liegt Lünen etwas über den Prognosen des Familienministeriums, das den Bedarf auf 75 bis 80 Prozent schätzt.

30-Millionen-Invesitionspaket mit Prioritätenliste

In jedem Fall ist die Lücke im Angebot riesig. Wie sie zu schließen ist, hat die Verwaltung vorgeschlagen. Das 30-Millionen-Euro-Invesitionspaket hat allgemeine Zustimmung gefunden, auch wenn eine entscheidende Frage offen ist: Woher kommt das Geld. „Noch kennen wir nicht die Fördermodalitäten“, sagte Jürgen Grundmann, der zuständige Abteilungsleiter bei der Stadtverwaltung. Bei der Planung haben er und sein Team daher Sparpotenziale genutzt und nicht weniger als einen „Paradigmenwechsel“ eingeleitet, wie sie es selbst nennen.

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„Klassenräume werden gleichzeitig Betreuungsräume für die Kinder im Nachmittagsbereich sein müssen“, sagte Grundmann. „Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass entweder vormittags oder nachmittags Räume leer stehen.“

Auch Fachräume wie der Musik- oder Kunstraum müssten einbezogen werden: ein Vorstoß, der insbesondere den Lehrerinnen und Lehrern unter den Ausschussmitgliedern nicht schmeckte. „So etwas funktioniert einfach nicht“, sagte Kunibert Kampmann (GFL). Er befürchtet Abstriche in der Qualität. In vielen Fällen gehe ohnehin kein Weg daran vorbei, an oder neu zu bauen. Die Doppelnutzung von Klassen ist nur ab einer Raumgröße von 75 Quadratmeter möglich. Gerade ältere Klassenräume seien aber kleiner.

Auf einen Schlag ist die Riesen-Investition für die OGS-Bauten nicht möglich. Der Ausschuss hat deshalb die Reihenfolge der fünf größten Baumaßnahmen festgelegt. Planungs- und Bauphase betragen jeweils rund eineinhalb Jahre.

1. Schule am Lüserbach (Haupt- und Teilstandort

Mit der konkreten Planung will die Stadt Anfang 2023 beginnen. Am Hauptstandort an der Querstraße soll ein Neubau entstehen auf dem Grundstück desehemaligen Hausmeisterhauses.

Die Schule am Lüserbach während der Herbstferien 2022. Mit dieser Schule - an beiden Srandorten - soll der OGS-Ausbau beginnen.

Die Schule am Lüserbach während der Herbstferien 2022. Mit dieser Schule - an beiden Srandorten - soll der OGS-Ausbau beginnen. © GUENTHER GOLDSTEIN

Dort sind eine Küche mit Speiseraum sowie drei Multifunktionsräume geplant. Der Bedarf nach Plätzen am Standort ist so groß, dass bislang nur Eltern mit Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ihre Kinder betreuen lassen können. Sozial benachteiligte Familien haben das Nachsehen.

Bauarbeiten am Standort sind unabhängig von der Kapazitätserweiterung nötig: Die alte Küche war so mangelhaft, dass die Stadt eine Schließung durch das Gesundheitsamt befürchten musste und die Küche daher im Juni 2022 vorsorglich schloss. Auch am Teilstandort Kreisstraße ist ein Neubau geplant: im Süden des Grundstücks, wo heute ein eingeschossiges Schulgebäude steht. Das soll für diesen Zweck angerissen werden.

2. Elisabethschule

Die Probleme dort sind zwar ebenfalls groß, aber nicht ganz so drängend wie die an der Schule am Lüserbach. Daher sollen die Planungen für den Anbau an der Elisabethschule erst 2024 (und nicht 2023 wie bei der Schule am Lüserbach) beginnen.

Die Elisabethschule in Brambauer steht auf Platz zwei der Prioritätenliste für den OGS-Ausbau.

Die Elisabethschule in Brambauer steht auf Platz zwei der Prioritätenliste für den OGS-Ausbau. © Günther Goldstein

Vorgesehen sind ein Erweiterungsbau mit großem Speiseraum. Bei der derzeitigen nach Auskunft der Stadt „sehr veralteten“ Küche sei ebenfalls bei einer Gesundheitsprüfung eine Schließung zu befürchten, mindestens aber eine „erhebliche Mängelliste“. Bis 2024 mit dem Beginn der Planungen zu warten, sei deshalb ein Risiko. Am Lüserbach sei die Situation aber schlimmer.

3. Kardinal-von-Galen-Schule

Geplant ist ein Erweiterungsbau, dessen konkretes Vorhaben 2025 beginnen wird. Obwohl die Stadt erst zu diesem Schuljahr neue Plätze geschaffen hat, reicht die Zahl immer noch nicht aus. Aktuell erhalten nur berufstätige Eltern eine Betreuungszusage. In diesem Jahr sollte auch bereits die in die Jahre gekommene, einfache Küche umgebaut werden: eine Investition, die die Stadt aber „aufgrund wichtiger anderer Problemlagen bei anderen OGSen“ verschoben hat.

4. Schule am Heikenberg

Hier erhalten zurzeit nicht einmal alle berufstätigen Eltern eine Betreuungsplatz, obwohl die Kinder bereits in Gruppengrößen von 35 bis 38 betreut werden und nicht von 25, wie grundsätzlich vorgesehen.

Die Grundschule am Heikenberg in Alstedde erhält einen Erweiterungsbau. Die Planungen dafür beginnen 2026.

Die Grundschule am Heikenberg in Alstedde soll ab 2026 ausgebaut werden. © Günther Goldstein

Ein Erweiterungsbau mit Speiseraum soll auch die Küche entlasten. Obwohl sie nur für 100 Kinder ausgelegt ist, gibt sie derzeit Tag für Tag Essen für 135 Kinder aus. Die Planungsphase soll 2026 beginnen.

5. Viktoriaschule

An der Grundschule im Quartier Münsterstraße zeigt sich, dass das OGS-Angebot nicht nur Betreuungslücken in Familien schließt, sondern auch Kinder fördern will.

Die Viktoriaschule im Quartier Münsterstraße erhält als letzte Schule auf der fünfteiligen Prioritätenliste einen Anbau.

Die Viktoriaschule im Quartier Münsterstraße erhält als letzte Schule auf der fünfteiligen Prioritätenliste einen Anbau. © Günther Goldstein

„OGS-Bedarfe der Eltern sind hier überwiegend sozialpädagogische Gründe, keine beruflichen“, stellt die Stadtverwaltung fest. Die derzeitigen OGS-Räume sind in der ehemaligen Hausmeisterwohnung. Das sei nicht ideal. Ein Anbau soll Abhilfe schaffen. Geplant - allerdings erst ab 2027 - sei auch ein großer Speiseraum.

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Auch an den anderen Schulstandorten sind Erweiterungen geplant, wenn auch nicht so umfangreiche. Darüber hat der Ausschuss aber noch nicht beschlossen.

Personal für die OGS schon jetzt suchen

Mit der Schaffung von An- und Neubauten allein ist es aber nicht getan, um den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz umzusetzen. „Das Ganze steht und fällt mit den nötigen Fachkräften“, sagte Kunibert Kampmann. Jürgen Grundmann von der Verwaltung gab Ihm Recht. Deshalb versuche sein Team auch jetzt schon neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.

Der Fachkräftemangel zeige sich jetzt schon schmerzhaft. „Das wird jetzt immer enger.“ An dem Schuljahr 2026/27, wenn bundesweit der Rechtsanspruch gelte, werde der Arbeitsmarkt für entsprechendes pädagogisches Personal „komplett leergefegt sein“, prognostizierte er.