Die Bürgerversammlung zum künftigen Industrie- und Gewerbegebiet fand als Videokonferenz statt. Martin Bauer nahm für das Planungsbüro Planquadrat daran teil. Er gab eine klare Marschrichtung vor für die intensive Nutzung der Fläche.

© Sylvia vom Hofe

Planer von Steag-Fläche: „Innerhalb des Geländes keinen Wald erhalten“

rnVideo-Bürgerversammlung

Das Kraftwerk ist weg. Jetzt gibt es auf der Steag-Fläche 30 Hektar Platz - und viele Fragen: Welche Betriebe kommen? Braucht es neue Straßen? Muss der Wald weg? Hier geht es zu Antworten.

Lünen

, 11.03.2022, 12:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Der 28. März 2022 ist ein wichtiges Datum. Nicht weil dann der 125. Geburtstag von Sepp Herberger wäre oder die USA den nationalen Tag der Schwarzwälder Kirschtorte (National Black Forest Cake Day) begehen. In Lünen endet an diesem Tag die Möglichkeit, Einwände zu äußern zum Bebauungsplan „Kooperationsstandort Lippholthausen“. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den Standort des ehemaligen Steag-Kraftwerks nördlich und südlich der Moltkestraße: nach Wunsch der Stadt Lünen künftig ein überregional bedeutsames Industrie- und Gewerbegebiet. Knapp drei Wochen vor dem Ablauf der Frist fand am Dienstag (8. 3.) eine digitale Bürgerversammlung statt. Die wichtigsten Informationen stellen wir in Fragen und Antworten zusammen.

? Warum ist das künftige Industrie- und Gewerbegebiet etwas so Besonderes? Der Regionalverband Ruhr hat festgestellt, dass in den zurückliegenden zehn Jahren die für industrielle und gewerbliche Nutzung zur Verfügung stehenden Freiflächen mit einer Größe von mehr als 5 Hektar stark zurückgegangen sind. Gleichzeitig sei aber der Bedarf nach solchen großen, zusammenhängenden Grundstücken gewachsen, um dort regional bedeutsames Gewerbe anzusiedeln. Daher hatte der RVR in der gesamten Metropole Ruhr 24 sogenannte regionale Kooperationsstandorte festgelegt - unter anderem die Steag-Fläche in Lippholthausen.

Jetzt lesen


? Wie intensiv soll die Nutzung werden? Sehr intensiv. 80 Prozent der ausgewiesenen Fläche soll tatsächlich überbaut werden dürfen. „Die Kraftwerksnutzung der Fläche war intensiv“, sagte Martin Bauer vom Dortmunder Planungsbüro Planquadrat während der digitalen Bürgerversammlung. „So soll es auch bleiben.“ Das sei allemal besser als andernorts auf der grünen Wiese Freiflächen zu versiegeln, um Industrie anzusiedeln: also Unternehmen, die mehr Lärm, Staub, Gerüche und Emissionen erzeugen als andere. Die Abstände zu den nächsten Wohngebieten macht das möglich: 600 Meter zum Wohngebiet Geist und 700 Meter nach Alstedde. Im Südwesten des Plangebiets ist eine kleine Teilfläche vorgesehen, die weniger störenden Gewerbebetrieben vorbehalten ist. Aus Rücksicht auf die dort stehenden Wohnhäuser, wie Bauer sagte.

Was bedeutet das für den Wald auf der Fläche? Nichts Gutes. „Gewerbliche Nutzung“ sei für den Wald vorgesehen, der auf der sogenannten Bischoffs-Deponie im Nordosten der Fläche steht, sagte Martin Bauer von Planquadrat. In den 1970er-Jahren war der Wald entstanden - auf einer 3,50 Meter dicken Erdschicht, mit denen die Kraftwerksmitarbeiter damals belastete Schlämme und Aschen zugedeckt hatten. Der Name Bischoff verweist dabei auf das Verfahren, Schwefeldioxid aus dem Rauchgas zu Gips zu binden.
Obwohl es sich um eine Industriefläche handelt, gilt auch dieser Wald als ökologisch wertvoll und darf nicht ohne Weiteres gerodet werden. „Da muss Ausgleich her“, so Bauer: „In der Regel 1:2.“ An anderer Stelle muss also doppelt so viel Wald nachgepflanzt werden - ob in Lünen oder irgendwo sonst im Kreis, ist offen. „Wir sind eine waldarme Stadt“, sagte der Technische Beigeordnete Arnold Reeker. Daher sei eine Aufforstung in Lünen wünschenswert. Ob sich dafür Flächen finden, ist aber noch offen.
Jetzt lesen

? Was für Unternehmen sollen sich ansiedeln? Auf diese Frage hatten sich viele der 36 Bürgerinnen und Bürger, die sich in die Versammlung eingeschaltet hatten, eine Antwort gewünscht - vergebens. Was sich Lünen wünscht, ist dagegen bekannt. Im Entwicklungskonzept für den Wirtschaftsstandort Lippholthausen ist das nachzulesen: „Der Wirtschaftsstandort Lippholthausen soll mit Blick auf 2030 so aufgestellt werden, dass dieser zu einer nachhaltigen, zukunftssicheren und resilienten Wirtschaftsstruktur des Standortes selbst, der Stadt Lünen und des Kreises Unna beiträgt.“ Das seien Wünsche, sagte der Technische Beigeordnete der Stadt, Arnold Reeker. Tatsächlich seien die Spielräume begrenzt. „Wir können nicht einzelne Industriebetriebe ausschließen, wenn sie die Anforderungen erfüllen.“ Was die Stadt aber schon könne: „Wir reden miteinander: mit der Politik, den Eigentümern und Investoren.“ Dabei werde es auch Meinungsverschiedenheiten geben. Fest steht für Reeker: „Große Lagerflächen streben wir nicht an.“
Die Dietz AG, die Eigentümerin der größeren Südfläche (also südlich der Moltkestraße), hält sich zurzeit noch bedeckt: „Ziel ist es nicht, einen großen Nutzer dort anzusiedeln, sondern möglichst flexibel zu sein“, sagte Aufsichtsrat Markus Engelmann.
Der Aufsichtsrat der Dietz AG, Markus Engelmann, war auch Teilnehmer der Video-Konferenz. Die Dietz AG ist Eigentümerin der Süd-Fläche.

Der Aufsichtsrat der Dietz AG, Markus Engelmann, war auch Teilnehmer der Video-Konferenz. Die Dietz AG ist Eigentümerin der Süd-Fläche. © Sylvia vom Hofe


? Ist der Bau zusätzlicher Straßen notwendig? Nein, meint Lothar Bondzio von der Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen, auch wenn für ihn feststeht: „Es wird mehr Verkehr geben“ - vor allem aus südlicher Richtung, von der A2. Die bestehenden, schon jetzt belasteten Verkehrsknotenpunkte - etwa Brunnenstraße und Dortmunder Straße - müssten ausgebaut werden. „Da müssen wir etwas verbessern“, stimmte auch Arnold Reeker zu. Im Chat der Teilnehmer äußerten sich spontan Zweifel, ob das genügen werde. Zur Entlastung des Verkehrs beitragen könnte eine Aufhebung des Bahnübergangs. Denkbar sei es, die Brunnenstraße unter der Bahntrasse hindurchzuführen, sagte der Technische Beigeordnete Reeker. Wann und wie sich das umsetzen ließe, blieb aber offen. Etwas anderes klang dagegen schon ganz konkret: „Die Wohnsituation an der Moltkestraße wird sich nicht verschlechtern“, versprach Reeker. Da werde der Lkw-Verkehr noch eher eingeschränkt als gefördert.

? Was ist mit dem Bahnanschluss? Der soll auf jeden Fall bleiben, genauso wie der Zugang zum Kanal. Verkehrsplaner Bondzio kann sich da auch noch mehr vorstellen. „Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Strecke für den Personenverkehr wieder reaktiviert würde.“ Arnold Reeker von der Stadt bremste die Erwartungen: „Das ist ein Langzeitprojekt.“ In den Nächsten fünf Jahren rechne er nicht mit einer Umsetzung, wenn überhaupt.
Jetzt lesen

? Wie sieht der Zeitplan aus? Arnold Reeker formulierte einen Wunsch: „Dass die Eigentümer und Investoren ihre Pläne in den nächsten 15 bis 18 Monaten konkretisieren, damit der Rat auf der Basis besten Gewissens entscheiden kann.“ So lange will Markus Engelmann von der Dietz AG, der Eigentümerin der Südfläche, aber nicht stillsitzen und Däumchen drehen. Parallel zur Aufstellung des Bebauungsplans werde sein Team die Bauantragsplanung vorantreiben, im Idealfall dann auch schon mit den späteren Nutzern, für die die Dietz AG baut und an die sie dann die Gebäude langfristig vermietet. „Ich rechne damit, dass wir im ersten Halbjahr 2024 die ersten Inbetriebnahmen auf dem Gelände haben werden“, sagte Engelmann. Bis dahin müssten auch die Verkehrsknotenpunkte ausgebaut sein, ergänzte der Verkehrsplaner Bondzio: „Die Verkehrsinfrastruktur muss zuerst fertig sein, dann kann es losgehen mit den Betrieben.“

? Was können Bürgerinnen und Bürger tun, die Kritik an der Planung üben oder Anregungen äußern möchten? Stellungnahmen können Bürgerinnen und Bürger bis zum 28. März abgeben. Das ist über die Homepage der Stadt möglich, per Mail an den Sachbearbeiter alexander.bergmeier.41@luenen.de oder auch per Brief an die Stadtverwaltung.

Schlagworte: