Seit 2019 gilt für vier Klinik-Abteilungen eine Mindestbesetzung an Pflegekräften. „Die hatten wir vorher schon“, heißt es aus den beiden Lüner Krankenhäusern. Kritik gibt es trotzdem.
Starre Vorgaben, neue Dienstpläne, mehr Bürokratie. So wirkt sich am Klinikum Lünen die neue Personaluntergrenzen-Verordnung aus, die Gesundheitsminister Jens Spahn zum 1. Januar eingeführt hat. Demnach soll auf Intensivstationen eine Pflegekraft tagsüber für 2,5 Patienten zuständig sein, nachts für 3,5 Patienten. In der Geriatrie und der Unfallchirurgie liegt der Personalschlüssel bei 1 zu 10 Patienten und nachts bei 1 zu 20. In der Kardiologie soll eine Pflegekraft tagsüber 12 und nachts 24 Patienten versorgen.
„Gesetz ist nicht ausreichen durchdacht“
„Der Menge nach erfüllen wir das schon immer“, sagt Heike Plaga, Pflegedirektorin am St.-Marien-Hospital. Sie begrüßt die Idee der Personaluntergrenzen im Sinne einer guten Patientenversorgung. Allerdings sei das Gesetz nicht ausreichend durchdacht. Es gehe ihrer Meinung nach „völlig am Bedarf vorbei.“ Denn jetzt werde von oben diktiert, wie viele Mitarbeiter in welcher Schicht sein sollen - egal, ob am Wochenende oder an Feiertagen. Das treffe aber nicht die Klinik-Realität.
Vorgaben gelten auch am Wochenende und an Feiertagen
Zu den Haupt-Operationstagen sei die Pflegeintensität der Patienten höher als samstags oder sonntags. Personell macht das jetzt keinen Unterschied mehr. Dadurch käme es zu Umverteilungen, die nicht bedarfsgerecht seien, kritisiert sie. „Damit haben wir zu kämpfen.“ Wie auch mit einem hohen Aufwand an Dokumentation und Bürokratie. Jeden Tag müsse die Klinik melden, wie sie die Vorgaben umsetzt. Quartalsweise würde kontrolliert. „Das ist alles sehr kompliziert“, so Plaga. Krankenhäuser, die sich nicht an die Vorgaben halten, wird die Vergütung abgezogen. Die ersten drei Monate allerdings seien noch sanktionsfrei.
Geschäftsführer fürchtet Konflikte
Axel Weinand, Geschäftsführer des Klinikums Lünen, nennt als Problem Erkältungs-und Grippezeiten. Dann kommen viele Patienten, auch Mitarbeiter würden krank. „Die Ärzte wollen aufnehmen, aber wir dürfen nicht mehr. Das sind Konflikte. Wir wissen gar nicht, wie wir damit umgehen.“ Dieses Problem haben Kliniken der Region in einem Brief an Minister Spahn Anfang November bereits angesprochen, auch die Lüner Häuser haben unterzeichnet.
350 Mitarbeiter sind am St.-Marien-Hospital von dem neuen Gesetz betroffen, „da es für unsere großen Hauptabteilungen gilt“, so Plaga. Andere Krankenhäuser ohne diese Bereiche haben weniger damit zu tun. Dazu zählt die zum Klinikum Westfalen gehörende Klinik am Park in Brambauer. Dort ist die Verordnung nur für die Intensivstation relevant, wie der stellvertretende Pflegedirektor Thorsten Muschinski auf Anfrage mitteilt. Die geforderte Personalstärke werde bereits vorgehalten, da die Entwicklung abzusehen gewesen sei.
Anfangs Unruhe bei den Beschäftigten
Bei den Beschäftigten am Klinikum Lünen habe das neue Gesetz zunächst für Unruhe gesorgt, „weil anfangs nicht so richtig klar war, wie es aussieht und es erst vor Jahresende eine Schriftform gab“, beschreibt Axel Herzing, stellvertretender Vorsitzender Mitarbeitervertretung (MVA). Er ist optimistisch, dass sich „das irgendwie einspielen wird“. Mitte Januar will die MVA eine Versammlung einberufen, um das neue Gesetz zu erläutern und auf Fragen einzugehen.
Axel Weinand fürchtet künftig einen Verteilungskampf um Pflegekräfte,. „Darunter werden Altenpflegeheime leiden, weil Krankenhäuser besser bezahlen.“ Auch Muschinski sagt: „Wir stehen im Wettbewerb um geeignetes Personal mit anderen Gesundheitsdienstleistern und werden deshalb unsere Bemühungen im Bereich der Personalakquise steigern.“ Parallel dazu würden die Ausbildungskapazitäten erhöht. Die Verbundstruktur des Klinikums Westfalen sei dabei ein großer Vorteil. Auch Heike Plaga betont: „Wir stellen laufend Personal ein und werden das auch weiter über Gebühr tun. Aber jetzt suchen alle Krankenhäuser.“
Notfalls werden Stationen geschlossen
Die Pflegedirektorin glaubt, dass das Gesetz ein verstecktes Mittel zum politisch gewollten Bettenabbau sei. Denn wer nicht genug Personal hat, muss letztlich Stationen schließen.
Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
