„Es ist heute schwer geworden, das eigene Haus oder die eigene Wohnung zu erwerben.“ Als Finanzminister Christian Lindner das im Sommer 2023 sagte, hatte er die deutlich gestiegenen Zinsen im Blick, aber auch die allgemein gestiegenen Baukosten. Doch selbst wer die hohen Kosten stemmen kann, scheitert in Lünen oft. Denn in der größten Stadt des Kreises Unna gelten Baugrundstücke als Mangelware. An einer Stelle soll sich das 2024 ändern, wenn auch nicht in dem von manchen erhofften und von anderen befürchteten Ausmaß.
Einstimmig hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und -planung am Freitagabend (24.11.) grünes Licht gegeben für den Bebauungsplanentwurf Wethmar-Ost. Etwas versteckt liegt die Fläche zwischen Münsterstraße (B54) und Matthias-Claudius-Straße. Ein Gelände, das eine reiche Vergangenheit hat: nicht nur als Osterfeuerplatz und zuvor als Sportplatz, sondern auch als uralter Friedhof.
Vor rund 3000 Jahren bestatteten dort Menschen der Bronzezeit ihre Angehörigen: Eine Tradition, die bis ins frühe Mittelalter (achtes Jahrhundert nach Christus) Fortsetzung fand. Das alles hatten archäologische Grabungen bereits in den 1990er-Jahren zu Tage gebracht, also zu einer Zeit, als die Wohnungsbaugenossenschaft Lünen (WBG) das Sportplatzgelände gerade gekauft hatte. Dass es von da an noch mehr als 25 Jahre dauern würde, bis sie es bebauen könnte, hatten die Verantwortlichen damals nicht geahnt. Dass das Baugebiet deutlich kleiner bleiben würde als erhofft, auch nicht.
Notartermine platzen gelassen
Ursprünglich sollten mehr als 150 Wohneinheiten entstehen. Jetzt werden es höchstens 40 sein. Dass aus dem großen Wurf nichts wurde, hat nichts mit den aktuellen Baupreisen zu tun, sondern mit den Preisvorstellungen des Haupteigentümers, der landwirtschaftlich genutzten Flächen, die sich an den Sportplatz anschließen und ursprünglich ebenfalls bebaut werden sollten.
Vier Jahre lang hatte die WBG mit ihm intensiv verhandelt. Zweimal schien eine Einigung in greifbarer Nähe und fehlte nur noch die Unterschrift beim Notar. „Und zweimal hat er den Notartermin platzen lassen“, hatte der damalige WBG-Geschäftsführer Rainer Heubrock im August 2021 gesagt. Danach war ihm der Geduldsfaden gerissen.
Geduldsfaden gerissen
Zusammen mit Vertretern von CDU und SPD hatte er entschieden, nicht länger zu warten, sondern das Vorhaben im kleineren Umfang umzusetzen: etwa 15 Eigenheime, wie er damals sagte, und zusätzlich ein mehrgeschossiger Gebäuderiegel mit gefördertem Wohnungsbau. Außerdem sollen die Anwohner der Matthias-Claudius-Straße, die Gelegenheit bekommen, ihre in der Regel tiefen Gartengrundstücke bebauen zu können. Unterm Strich ergeben sich daraus rund 40 zusätzliche Wohneinheiten, wie die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses am Freitag erfuhren.
„Na endlich!“ Arno Feller (CDU) ließ sich die Erleichterung während der Sitzung anhören. Es sei „wirklich schade, dass aus der großen Lösung nichts geworden ist“. Die Stadt habe „erheblichen Nachholbedarf „, auch beim Bereitstellen von Bauland. Es sei deshalb, „höchste Zeit, aktiv zu werden“. Die Entscheidung, den ehemaligen Sportplatz zu bebauen, fiel einstimmig im Ausschuss. Dennoch prallten unterschiedliche Meinungen aufeinander: Von CDU und SPD, die eine größere Lösung lieber gesehen hätten, und von GFL und Grüne, die die ursprüngliche Ausdehnung der Bebauung bis zur Dorfstraße keinesfalls mitgetragen hätten.
Grüne und GL gehen mit
„Wir wünschen uns einen sparsameren Umgang mit Bauland“, sagte Eckhard Kneisel (Grüne). Ziel dürfe es nicht sein, Menschen ihren Traum vom freistehenden Häuschen zu erfüllen. „Innenentwicklung muss Vorrang haben vor Eingriffen in den Außenbereich.“ Andreas Dahlke (GFL) verwies darauf, dass sich Familien mit einem nur durchschnittlichen Einkommen zurzeit ohnehin kaum ein freistehendes Haus leisten könnten, wie es auch Finanzminister Lindner sagte. Kein Wunder: Nachdem der Bauzins bei einer über zehn Jahre festgeschriebenen Finanzierung 2022 noch bei etwa 1,5 Prozent lag, ist er inzwischen auf rund vier Prozent geklettert: das Aus für so manches Finanzierungsmodell von bauwilligen Familien.
Das vermeintliche Geschäftsmodell des Grundeigentümers, der versucht hatte, den Preis immer höher zu treiben, steht ebenfalls vor dem Aus. „Wir sollten sein Verhalten nicht noch belohnen“, stimmte Arnold Reeker, der Technische Beigeordnete der Stadt, Vertretern der Politik zu. Noch sind die Äcker in Richtung Dorfstraße im Flächennutzungsplan als wertvolles Bauland ausgewiesen. Sie sollen künftig wieder als Agrarland dargestellt werden, damit die Stadt künftig lieber an anderer Stelle Bebauung ermöglichen kann.
Erschließung über B 54
Das kleine Baugebiet Wethmar-Ost soll nur von der Münsterstraße (B 54) erschlossen werden. Der Einmündungsbereich liegt außerhalb der Ortsdurchfahrt
im Bereich der „freien Strecke“ neben kleineren Mehrfamilienhäusern, die dort die Straße säumen. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass sich durch die neue Bebauung dort 318 Kfz-Fahrten pro Tag ergeben würden: zur Rushhour am Nachmittag 32 Kfz-Fahrten pro Stunde.
Der Ausschuss beschloss die Offenlegung des Bebauungsplans: Gelegenheit, Bedenken und Anregungen zu formulieren.

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