Viele Wege führen nach Rom, heißt es. Die Frage, welcher Weg für den Bauverein zu Lünen am besten geeignet ist, um seine Mercedes-Pläne durchzusetzen, treibt einzelne Ratsmitglieder um.
Gleich zu Beginn der als Ratssitzung deklarierten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag (21. Januar) im Erlebnisreich Campus in Lünen-Wethmar erklärte Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns:
„Tagesordnungspunkt römisch eins/elf ist von der Tagesordnung gestrichen. Der Bauherr will jetzt eine Bauvoranfrage stellen.“ Bauherr ist in diesem Fall der Bauverein zu Lünen und es geht um die von ihm geplante Entwicklung der ehemaligen Mercedes-Fläche im Herzen der Lüner Innenstadt.
Keine Überraschung?
Die anwesenden Ratsvertreter schien das nicht weiter zu interessieren, auf die Ankündigung des Bürgermeisters reagierte niemand auch nur mit einem Wimpernzucken. Aber vielleicht waren die Damen und Herren ja schon im Vorfeld von dem Rückzieher des Bauvereins informiert worden - im Gegensatz zur Öffentlichkeit.
Auf die Frage unserer Redaktion, warum der Bauverein nunmehr einen anderen baurechtlichen Weg einschlägt, erklärte Stadtsprecher Benedikt Spangardt in der Zwischenzeit:
„Dazu muss der Bauherr Auskunft geben. Die Verwaltung hat den Punkt auf die Tagesordnung gesetzt, weil der Bauherr beantragt hatte, dass ein ‚vorhabenbezogener Bebauungsplan‘ aufgestellt werde. Bevor die Vorlage fertig war, hat uns ein Schreiben des Bauherrn erreicht, in dem der Bauherr diesen Antrag zurückgenommen hat.“
Pflichtgemäße Prüfung
Die Verwaltung habe dann, sagte Spangardt weiter, die Vorbereitung nicht weiter verfolgt, die Vorlage nicht veröffentlicht und in der Sitzung erklärt, dass der Punkt obsolet sei:
„Der Bauherr hat im erwähnten Schreiben auch erklärt, eine ‚Bauvoranfrage‘ stellen zu wollen. Wenn eine solche Bauvoranfrage gestellt wird, wird die Verwaltung sie pflichtgemäß prüfen. Bis dahin können wir keine weitere Einschätzung dazu abgeben.“
Vorhabenbezogener Bebauungsplan - Bauvoranfrage? Dem Laien sagt das rein gar nichts. Laut Stadtsprecher Benedikt Spangardt „sind (das) zwei unterschiedliche Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen“. Anschließend geht es ans Eingemachte. Es folgt ein Ausflug in die Welt des Baurechts (siehe Anhang, Anm. d. Red.)
Was steckt dahinter?
Im Kern geht es jedoch nach Einschätzung des einen oder anderen Ratsmitglieds einfach um die Frage, welches Verfahren dem Bauherrn wohl eher die Möglichkeit bietet, seinen Entwurf durchzusetzen.
„Ich glaube, der Bauverein reagiert damit auch auf die zunehmende Kritik in Politikkreisen an seinem Entwurf“, sagt ein Ratsmitglied. Ein anderes, das ebenfalls seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will, sagt:
„Vielleicht glaubt man beim Bauverein ja, mit der Rücknahme des Antrags und über den nun eingeschlagenen Weg den Entwurf besser durchsetzen zu können.“
Darauf angesprochen, teilte der Bauverein zu Lünen am Donnerstag (28. Januar) der Redaktion schriftlich mit:
„Nach intensiven Beratungen mit dem von uns beauftragten Städteplaner Pesch & Partner (Dortmund) haben wir beschlossen, die Bebauung der ehemaligen Mercedes-Fläche über eine Bauvoranfrage zu beantragen. Die Änderung unseres Vorgehens stützen wir unter anderem auf die Innenbereichssatzung, wonach die Bebauung der ehemaligen Mercedesfläche nach Paragraph 34 BauGB zu beurteilen ist.“
Entwicklung soll beschleunigt werden
Durch die Beurteilung des Bauvorhabens über § 34 BauGB würde die Entwicklung der Fläche erheblich beschleunigt, hieß es weiter. Ziel des Bauvereins sei es nach wie vor, zwei Jahre nach Ankauf der Mercedes-Fläche mit der Bebauung zu starten:
„Allein durch die derzeitige Corona-Pandemie und die damit verbundenen Verzögerungen bei dem B-Plan Verfahren haben wir bereits jetzt schon erhebliche Zeit verloren.“
Auf etwaige Kritik an dem Entwurf aus Reihen der Politik reagierte der Bauverein zu Lünen so:
„Unser Entwurf ist bereits vor dem Ankauf der Fläche mit der Politik abgestimmt worden und auf sehr große Zustimmung gestoßen. Die Politik, also der Rat der Stadt Lünen, wird auch weiterhin einen Einfluss auf die Weiterentwicklung unserer Planung haben.“
Laut Bauverein viele positive Reaktionen
Daneben ließ der Bauverein unsere Redaktion wissen:
„Aus Ihren Berichterstattungen des letzten Jahres haben wir von drei kritischen Stimmen erfahren. Wir hingegen haben in dieser Zeit von sehr vielen Menschen unserer Stadt viel Lob und Zustimmung für unser Projekt erfahren unter anderem mit der Bitte an unserer Planung festzuhalten. Um keine Zeit zu verlieren, wird die Bauvoranfrage in den nächsten Wochen bei der Bauverwaltung eingereicht.“
Dass die Politik nach wie vor bei der Entwicklung der ehemaligen Mercedes-Fläche eingebunden bleiben soll, hatte zuvor auch Stadtsprecher Benedikt Spangardt gegenüber unserer Redaktion erklärt:
„Ganz gleich, welches Verfahren in diesem konkreten Fall aber letztlich verfolgt wird: Für die Verwaltung wird es in jedem Fall die Möglichkeit geben, die Politik zu beteiligen.“
Die Politik habe das Verfahren bisher begleitet und angesichts der Bedeutung dieses Projekts sei es auch Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns wichtig, dass sie weiterhin eingebunden bleibt.
- Über eine Bauvoranfrage oder auch einen Bauantrag wird auf der Basis bestehenden Baurechts entschieden.
- Das kann ein Bebauungsplan sein oder § 34 BauGB, nach dem sich ein Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss.
- Mit einer Bauvoranfrage können baurechtliche Fragen vorab geklärt werden.
- Auf die Bauvoranfrage antwortet die Verwaltung mit einem Bauvorbescheid.
- Ein positiver Bauvorbescheid ersetzt nicht die Baugenehmigung.
- Über die Genehmigung eines Bauantrages oder die positive Bescheidung einer Bauvoranfrage entscheidet die Baugenehmigungsbehörde.
- Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nach § 12 BauGB ist rechtlich eine Sonderform des Bebauungsplans:
- Ein Vorhabenträger legt der Kommune einen ausgearbeiteten Erschließungs- und Bebauungsvorschlag für ein Grundstück vor, das ihm gehört.
- Ein „normaler“ Bebauungsplan ist dagegen ein Angebotsplan, bei dem die Initiative zur Aufstellung von der Kommune ausgeht.
- Der vorhabenbezogener Bebauungsplan ist eben durch seine Vorhabenbezogenheit gekennzeichnet, die das Ziel hat, eine Bebauung nach einem präzise umrissenen Projekt des Vorhabenträgers und in Abstimmung mit den Rahmenbedingungen und städtebaulichen Zielvorstellungen der Kommune durchzuführen.
- Das Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans folgt den gleichen Verfahrensregeln wie das zur Aufstellung eines „normalen“ Bebauungsplans.
- Die Vorlage (VL-2/2021) Bebauungsplan Lünen Nr. 236 „Linden-Quartier V+E“ hätte vorgesehen, dass
- (a) mit dem „Beschluss zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes“ die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen worden wäre und
- (b) mit dem „Beschluss zur inhaltlichen Erarbeitung“ inhaltliche Richtlinien für die Erarbeitung desselben vorgegeben worden wären.
- Das heißt, hier wären die Aufgaben ausgearbeitet worden, die einem Vorhabenträger bei der Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans regelmäßig aufgetragen werden.
Jahrgang 1968, in Dortmund geboren, Diplom-Ökonom. Seit 1997 für Lensing Media unterwegs. Er mag es, den Dingen auf den Grund zu gehen.
