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Mangelware Holz und Baustoffe in Lünen: „Die Lage ist dramatisch“
Bauen
Die Preise für Holz und andere Baustoffe explodieren, Lieferungen dauern Monate statt Wochen. Lüner Unternehmer und Bauherren beschreiben die Lage als dramatisch. Besserung ist nicht in Sicht.
Überall in Deutschland sind Baustoffe zur Zeit teurer und nur noch schwer lieferbar. Als eine unerwartete Folge der Corona-Pandemie beschreibt das die Dachdecker-Innung Dortmund und Lünen. Die Preise für Holz, sonst eigentlich alles andere als Mangelware in Deutschland, haben sich demnach in den vergangenen Monaten verdoppelt und verdreifacht.
Auch wenn Bauherren gewillt sind, mehr Geld zu bezahlen, heißt das noch nicht, dass das Material überhaupt kurzfristig lieferbar ist. „Lieferzeiten von fünf Tagen sind normal. Zur Zeit liegen die Lieferzeiten bei acht bis zwölf Wochen“, sagt Marco Tietz, Zimmer- und Dachdeckermeister und Inhaber des gleichnamigen Betriebs in Lünen dazu.
Baustopps habe er bis Ende April noch nicht verhängen müssen. „Da sind wir in der glücklichen Lage, noch Kapazitäten im Lager zu haben.“ Aber den Start von neuen Aufträgen werde das Unternehmen wohl verschieben müssen. Beim Ausbau der OGS in Wethmar etwa sah das zuletzt anders aus. Weil Holzbauelemente für die Bodenplatte nicht wie geplant geliefert wurden, mussten die Arbeiten ruhen.
Deutscher Holzmarkt aus Übersee leergekauft
Die Ursache für die Holzknappheit auf dem Markt ist bekannt, aber nicht einfach zu lösen. „Aus Kanada und Skandinavien ebenso wie aus Russland werden zudem Lieferengpässe beim Bauholz durch veränderte klimatische Bedingungen und Missernten gemeldet“, heißt es von der Dachdeckerinnung dazu.
„Es wird gesagt, dass Käufer aus China und den USA den deutschen Markt leerkaufen“, weiß auch Tietz. Den Zuschlag bekomme im Zweifel eben der, der mehr Geld zahlt. „Das ist eben freie Marktwirtschaft, ist doch klar.“
Abgesehen von den Umweltaspekten, schließlich muss das Material auch nach Übersee verschifft werden, führt die Knappheit auch zu Hamsterkäufen. Ein Teufelskreis.
Weitere Baustoffe ausverkauft und kaum lieferbar
Beim Holz ist aber nicht Schluss. „Die Lage ist tatsächlich dramatisch“, sagt Uwe Magenheimer, Niederlassungsleiter des Lüner Standorts der Ferd. Robbert GmbH & Co. KG Baustoffe und Holz. PVC-Rohre für die Hausentwässerung unter der Bodenplatte seien fast komplett ausverkauft. „Die Produzenten nehmen wegen Rohstoffmangels keine Bestellungen an.“
XPS-Dämmstoffe für die Wärmedämmung seien ausverkauft und der Nachschub stark „kontingentiert“, also beschränkt. Gerade mal eine LKW-Ladung sei für Ende Mai angekündigt, eine weitere für Juni. „Normalerweise haben wir einen Bedarf von einem Lastzug pro Woche“, so der Vergleich des Baustoffhändlers.
Ein weiteres Beispiel: Die nächste Lieferung von Mineralfaser-Wärmedämmung für Klinkerfassaden sei für August angekündigt. „Die Lieferzeit beträgt normalerweise in etwa eine Woche.“

Der Anbau an der OGS in Wethmar ist im April ins Stocken geraten, weil ein wichtiger Baustoff fehlt. © Fiedler
Auch hier werden von verschiedenen Quellen, unter anderem der Firma Knauf, - bekannt als Hersteller von Rigipsplatten - als Ursache Lieferengpässe auf dem Weltmarkt genannt. Gründe dafür sind demnach unter anderem niedrige Produktionsmengen als Folge der Corona-Pandemie und das „enorm steigende Frachtaufkommen“ für die Schifffahrt weltweit. Hinzu kommen laut einer Mitteilung von Knauf weitere Ausfälle in der Grundstoffindustrie nach einem Wintersturm in Texas, ein Brand bei BASF oder dem Schiffsunfall im Suezkanal, der für wochenlange Verspätungen im Containerverkehr sorgt.
Verzögerungen für Projekte von WBG und Bauverein
Aus diesem Grund komme es derzeit auch zu Verzögerungen beim Bauprojekt in Horstmar-Mitte von mehreren Monaten der Wohnungsbaugesellschaft Lünen (WBG). „Der Bauunternehmer bekommt die Dämmstoffe nicht“, sagt Vorstandsvorsitzender Rainer Heubrock. Drei Bauprojekte laufen dort zur Zeit in Lünen, acht im gesamten Kreis Unna. Unter anderem auch der Umbau des ehemaligen Edekas in Selm-Bork.
Dass Bauen per se immer teurer werde, sei derweil nichts Neues und habe - längerfristig betrachtet - auch andere Gründe. Steigende Grundstückspreise zum Beispiel oder der hohe Bedarf an Handwerkern, die es in der Menge nicht gebe. „Aber derzeit ist es schon ganz extrem. Wir erreichen einen Peak, den wir noch nie hatten.“ Ähnliche Töne kommen auf Anfrage auch vom Bauverein zu Lünen. „Das bekommen wir auch relativ ungefiltert von den Betrieben mitgeteilt“, sagt Vorstand Andreas Zaremba. „Selbst eine Dachlatte, sonst ein Pfennigsartikel, kostet heute richtig Geld.“

Die Auftragslage bei Holzbau Tietz in Lünen ist gut. Die weltweit Knappheit von Holz und anderen Baustoffen stellt Inhaber Marco Tietz aber vor Probleme. © Matthias Stachelhaus
Angebote nachrechnen und selbst draufzahlen
Für Dachdecker Marco Tietz gibt es derweil noch andere Probleme: Auf höheren Holzpreisen bleibt er teils selbst sitzen, wenn die Verträge mit den Kunden bereits abgeschlossen sind. Bei neuen Angeboten hingegen müsse er jedes zweite noch einmal nachrechnen, weil der Preis nach ein bis zwei Monaten einfach nicht mehr zu halten sei.
Das sei auch für den Betrieb unbefriedigend. „Wir wollen ja auch ein verlässlicher und guter Partner sein.“ Und im Gegensatz zu den längeren Lieferzeiten seien die Preiserhöhungen dem Kunden noch schwerer zu erklären.
„Wenn wir freitags einen Preis vom Hersteller bekommen, ist der am Mittwoch drauf eigentlich schon wieder nichtig.“ Ein Ende der Entwicklung sei für Tietz derzeit nicht absehbar. Auch Uwe Magenheimer ist sicher: „Das wird uns noch das ganze Jahr begleiten.“
Beruflicher Quereinsteiger und Liebhaber von tief schwarzem Humor. Manchmal mit sehr eigenem Blick auf das Geschehen. Großer Hang zu Zahlen, Statistiken und Datenbanken, wenn sie denn aussagekräftig sind. Ein Überbleibsel aus meinem Leben als Laborant und Techniker. Immer für ein gutes und/oder kritisches Gespräch zu haben.
