Linus (l.) und Michael Wopker vom gleichnamigen Pflegedienst: Wegen der Impfpflicht in Pflegeberufen haben drei Mitarbeiter gekündigt.

© Beate Rottgardt

Lüner Pflegedienst-Chef: Produzieren künstlich zweiten Pflegenotstand

rnImpfpflicht für Pflegeberufe

Die Impfpflicht für Pflegeberufe kommt am 16. März. Das hat Auswirkungen auf die ambulanten Pflegedienste, auch in Lünen. Die seit zwei Jahren ohnehin in einem Ausnahmezustand arbeiten.

Lünen

, 07.02.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist keine einfache Situation für die ambulanten Pflegedienste. Ab 16. März gilt die Impfpflicht für Menschen in Pflegeberufen. Nicht alle Mitarbeiter wollen das mitmachen. Und so sagt Michael Wopker, Chef des Pflegebüros Wopker aus Lünen und seit mehr als 30 Jahren in der ambulanten Pflege tätig: „Es wird gerade ein zweiter künstlicher Pflegenotstand produziert.“

190.000 Mitarbeiter in der Pflege gelten bundesweit als nicht geimpft. Würden diese Menschen alle ihren Job kündigen, weil sie sich nicht der Impfpflicht beugen wollen, könnte das schlimme Folgen haben. „Das wird alles auf dem Rücken der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen ausgetragen“, kritisiert Wopker, der selbst bewusst dreifach geimpft ist.

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So wie auch 96 Prozent seiner Mitarbeiter bereits geimpft oder geboostert sind. Lediglich vier haben Bedenken. Zwei von ihnen kündigten mittlerweile wegen der Impfpflicht und haben sich einen neuen Job in einem anderen Bereich gesucht. Ein Mitarbeiter ist vor kurzem positiv getestet worden und wird so demnächst drei Monate lang als genesen gelten. Es seien alles langjährige und gute Mitarbeiter, die sicher fehlen werden.

„Theater um Ungeimpfte“

Für Wopker ist die Impfung gegen Corona auch eine soziale Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber. „Das Thema Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen muss aber überdacht werden. Warum Impfpflicht für Pflegekräfte, aber nicht für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen?“ Leider können auch Geboosterte infektiös sein, die Ungeimpften werden zurzeit aber wesentlich öfter getestet als Geimpfte.

Birgit Rückert in dem Raum des Pflegedienstes, der speziell als Testraum eingerichtet worden ist.

Birgit Rückert in dem Raum des Pflegedienstes, der speziell als Testraum eingerichtet worden ist. © Beate Rottgardt

Birgit Rückert, Inhaberin des gleichnamigen Lüner Pflegedienstes, und engagiert im Vorstand des Landesverbands freie ambulante Krankenpflege NRW, ist für eine Impfpflicht, „aber nicht nur bei Pflegeberufen.“ Sie sieht auch in vielen anderen Bereichen die Notwendigkeit, sich impfen zu lassen.

Unter ihren 110 Mitarbeitern sind zwei, die nicht geimpft sind und sich auch nicht impfen lassen wollen. „Es sind zwei auch vom Team sehr geschätzte Mitarbeiter.“ Doch sie haben sich bislang gegen die Impfung entschieden, trotz der Überzeugungsarbeit, die Birgit Rückert und ihr Schwiegersohn Denis Pestinger-Rückert im Team geleistet haben.

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Eigentlich dürften die beiden Ungeimpften ab Mitte März nicht mehr arbeiten. Doch einer der beiden Mitarbeiter ist jetzt positiv getestet worden und gilt, wenn er negativ getestet wird, dann drei Monate als genesen und darf auch weiter arbeiten. „Wir haben eine Mail vom Bundesgesundheits-Ministerium bekommen, nach der Ungeimpfte in Einzelfällen weiter arbeiten dürfen, bis das zuständige Gesundheitsamt eine Entscheidung über ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot getroffen hat“, so Birgit Rückert.

Dieser Zettel steht an dem Test-Raum beim Pflegedienst Rückert.

Dieser Zettel steht an dem Test-Raum beim Pflegedienst Rückert. © Beate Rottgardt

Deshalb werde sie die beiden Kollegen auch weiter in den Dienstplan für März schreiben. „Sie testen sich täglich und ich finde auch, dass man Leute, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht als Menschen zweiter Klasse ansehen soll. Auch wenn ich nicht gut finde, dass sie sich nicht impfen lassen wollen.“ Birgit Rückert sieht die Pandemie als eine Angelegenheit der ganzen Gesellschaft und deshalb müsse man sie auch gemeinschaftlich bekämpfen - auch dadurch, dass man sich impfen lässt.

Täglich neue Bedingungen

Die Chefin des Pflegedienstes würde sich in dieser Zeit wünschen, dass auch die Patienten und Angehörigen ein Gespür dafür entwickeln, dass die Pflegedienst-Mitarbeiter sich täglich auf neue Arbeitsbedingungen einstellen müssen.

Die Ungeimpften aus dem Team müssen sich jeden Tag vor jedem Dienst testen, die Geimpften drei Mal die Woche: „Sie können sich aber auch jeden Tag testen, wenn sie das wollen.“ Davon macht das Team regen Gebrauch: „Bei uns ist der Zettel mit den Unterschriften für absolvierte Tests immer voll.“

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Für Michael Wopker und seinen Sohn Linus, der seine Ausbildung im elterlichen Pflegebüro absolviert hat, befinden sich nicht nur die Pflegemitarbeiter seit zwei Jahren im Ausnahmezustand. „Immer mehr Menschen erkranken an der Omikron-Variante, auch Patienten von uns, das geht an die Substanz.“

Für die Pflegenden gab es erst Applaus und jetzt durch die neuen Regelungen „eine Ohrfeige rechts und links“. Wopker sieht nicht, wie das Gesundheitsamt angesichts der immer weiter steigenden Infektionszahlen in der Hochphase der Pandemie die Kontrolle der Impfpflicht schaffen soll.

„Können keine Kunden mehr aufnehmen“

Eine Konsequenz der hohen Belastung für die Pflegenden ist, „dass wir eventuell Kunden künftig ablehnen müssen“. Weil immer wieder Mitarbeiter vorsorglich in Quarantäne müssen, wenn beispielsweise ihre Kinder positiv getestet wurden. „Damit stehen die Angehörigen jetzt genauso da wie in der ersten Welle und brauchen doch dringend Entlastung.“

Wopker bedauert auch sehr, dass er sich nicht so um seine Mitarbeiter kümmern kann wie vor der Pandemie: „Ich kann sie nicht mal in den Arm nehmen, wenn es ihnen nicht gut geht.“ Auch Teamsitzungen sind nicht wie üblich möglich. „Das müssen wir aufgesplittet machen, weil ja wegen der Abstandsregelung nicht alle zusammen kommen können“, bedauert Linus Wopker.

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Dass in der Pandemie viele soziale Kontakte auf der Strecke bleiben, ist auch bei Patienten ein Thema. So sagte eine 84-Jährige zu Wopker, sie hoffe, dass endlich alles aufhört: „Sie meinte, sie hätte ihr Leben gelebt, aber ihr tut die Jugend leid.“ Wopker versteht nicht, warum Pflegenotstand und demographischer Wandel seit 30 Jahren diskutiert werden aber einfach nicht genug passiere.