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Kranich-Zug XXL: Warum kreisten die Vögel des Glücks über Lünen?
Natur
Kalt, sonnig und mit Ostwind im Rücken: ideales Reisewetter für Kraniche. Das hat am Montag für Flugbetrieb XXL gesorgt. Über Lünen lösten die Vögel ihre Formation aber auf und kreisten. Warum?
Erst waren sie nur zu hören: ein rhythmisches Trompeten in verschiedenen Tonhöhen. Dann zeigten sich die ersten Vögel am tiefblauen Himmel, schließlich immer mehr. Am Ende waren es viele hundert Kraniche, die am Montag (22.11.) aus Richtung Lünen und Selm gen Süden flogen in strenger Einser-Formation - meistens zumindest. Denn über der Lüner Innenstadt haben gleich mehrere Trupps ihre Flugordnung aufgegeben und begannen zu kreisen.
„Nein, die haben nicht darüber nachgedacht, ob sie auf dem Marktplatz landen sollten“, sagt der Werner Ornithologe Klaus Nowack und lacht. Einen Abstecher auf den Weihnachtsmarkt hätten die als Glückbringer geltenden Vögel wohl auch nicht im Sinn gehabt. Und dass sie sich nicht hätten einig werden können über die weitere Reiseroute, schließt der Vogelkundler ebenfalls schmunzelnd aus. Die flatternden Runden über der City seien eher technischer Natur.
Der Grund fürs Kreiseln: die Thermik
„Dieses Verhalten der Kraniche ist immer dann zu beobachten, wenn die Vögel versuchen die Thermik zu nutzen, um mit wenig Energieaufwand an Höhe zu gewinnen“, sagt Klaus Nowack. Dass das gerade über der Innenstadt der Fall gewesen sei, habe wohl mit den Temperaturunterschieden zu tun. Fest stehe: „Nach einigem Kreisen steigen die Kraniche wieder weiter in die Höhe und setzen ihren Flug in der Keilformation fort“. Erfahrene Altvögel führen die einzelnen Gruppen abwechselnd an. Sie setzen sich zumeist aus Familienverbänden zusammen. Das ist mehr zu hören als zu sehen.
Darauf weist Falko Prünte hin. Er ist zugleich Mitarbeiter der Biologischen Station für Dortmund und den Kreis Unna als auch Mitglied der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft des Kreises. Die Jungvögel, die in diesem Jahr erst geschlüpft sind, seien äußerlich kaum zu unterscheiden von ihren Eltern. Bestenfalls die Färbung - beim Überfliegen kaum zu erkennen - gebe Aufschluss: Ausgewachsene Kraniche haben eine schwarz-weiße Kopf- und Halszeichnung und eine leuchtend rote Kopfplatte. Die Jungtiere hätten dagegen mitunter noch Reste ihres braunen Jugendkleides. Die Unterschiede zwischen Groß und Klein lassen sich aber akustisch wahrnehmen. „Die Jungvögel haben deutlich höhere Stimmen“, sagt Prünte.
Vom Diepholzer Moor nach Frankreich
Prünte hatte die ersten Kraniche bereits in der Nacht zu Montag über das Haus fliegen hören - also zu einer Zeit, in der sie sich beim Navigieren nicht an der Sonne richten können. Vermutlich orientieren sie sich dann am Magnetfeld der Erde. Fest steht für den Diplom-Geographen und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bio-Station: An den großen Kranich-Rastplätzen der Diepholzer Moorniederung, also nördlich des Teutoburger Waldes, waren die Temperaturen zuletzt unter den Gefrierpunkt gefallen. „Das war das Startsignal“, sagt Prünte.
Nach 3 Uhr waren die Vögel an der nördlichen Landesgrenze zu NRW. Ab Sonnenaufgang zogen Tausende nahezu ohne Unterbrechung auf den Kreis Unna zu. Ihr Ziel: Südfrankreich. Auf dem Weg dorthin ist der Lac du Der-Chantecoq, der mit 48 Quadratkilometern größte Stausee Frankreichs, der nächste Haltepunkt. Die Vögel, die am Montag über Lünen flogen, dürften ihn ohne weitere Pause erreicht haben. „Die Kraniche fliegen 40 bis 60 Stundenkilometer schnell und sehr ausdauernd“, sagt Prünte. Der Kranichschutz Deutschland, der den Vogelzug akribisch verfolgt, meldete am Montagabend die Ankunft von 14.790 Vögeln.
Nachzügler werden noch kommen
Es werden nicht die letzten Kranichtrupps gewesen sein, die über Lünen in Richtung Süden flogen. Davon ist Klaus Nowack überzeugt. Anders als vor einigen Jahren hat der Werner aber keine Vögel beobachtet, die in der Lippeaue zwischengelandet wären. Dafür hat er auch eine Begründung: „Dort steht anders als damals kein Wasser.“
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
