In Syrien bleiben? "Wer bleibt, stirbt!"
98 Flüchtlinge angekommen
Es ist 16.30 Uhr, als am Freitag die ersten Flüchtlinge endlich den Richard-Schirrmann-Weg entlang gelaufen kommen. Endlich – denn die Angestellten der Jugendherberge am Cappenberger See, die Mitarbeiter vom DRK-Betreuungsdienst und der Sicherheitsdienst haben schon lange alles vorbereitet. Trotzdem gibt es für die nächsten Tage viele Fragezeichen.

98 Flüchtlinge sind am Freitagnachmittag in der Jugendherberge am Cappenberger See angekommen.
98 Menschen sind jetzt dort eingezogen. Seit Donnerstagmorgen seien sie schon vor Ort, erzählt Gülfidan Cakar, Einrichtungsleiterin der neuen Notunterkunft. Jetzt liegen Bettwäsche und Handtücher auf den Betten, es gibt kleine Plastiktüten mit Hygiene-Artikeln, auch das erste Essen – eine Suppe – ist vorbereitet.
Erst gestern erfährt Cakar, dass die drei Busse mit den Flüchtlingen wohl um 14 Uhr in Dortmund losgefahren sein sollen. Und schließlich tauchen die ersten Flüchtlinge auf dem Richard-Schirrmann-Weg auf. Es ist ruhig, manche ziehen Rollkoffer hinter sich her. Mütter tragen ihre Kinder, andere haben nicht viel mehr als eine Plastiktüte und ein Handy in der Hand.
Integrieren und arbeiten
So wie Mohammed, ein junger Mann, der erzählt, dass er aus Damaskus nach Deutschland gekommen sei. Er steht mit zwei Freunden, ebenfalls aus Damaskus, vor der Unterkunft, in der sie sich gleich registrieren lassen müssen. In Damaskus kannten sich die drei noch nicht – erst auf einer ihrer letzten Stationen, in Österreich, hätten sie sich kennengelernt, erzählt er.
Mohammed zeigt sein Handy, noch hat er keine Sim-Karte. Die will er so bald wie möglich holen, in Deutschland ankommen, sich integrieren, arbeiten. Deutsch spricht er schon ziemlich gut. „Level A 2“, sagt er, „den Kurs habe ich am Goethe-Institut in Damaskus gemacht.“ Mohammed ist allein. Familie? Er schüttelt den Kopf: „No family“.
Wo sind wir hier? Wie lange bleiben wir hier? Fast alle der 98 angekommenen Menschen fragen sich das, junge Männer, aber auch viele Familien. So genau können ihnen diese Fragen jedoch auch die Mitarbeiter vom DRK nicht beantworten. Eigentlich geht es von hier so schnell wie möglich zur Registrierung in eine offizielle Erstaufnahmestelle. Samstag ist jedoch erst einmal Feiertag, dann der Sonntag.
In manchen Notunterkünften bleiben die Flüchtlinge wochenlang. „Alleine Samstag und Sonntag“, sagt Christian Chmel-Menges, Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg, „erwarten wir pro Tag rund 2500 Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen“.
Sicherheitsdienst vor Ort
Einer davon ist auch der Neffe von Hasan, der schon vor zwölf Jahren aus Syrien geflohen ist und jetzt vor der Unterkunft steht. Rein darf er nicht, ein Sicherheitsdienst ist rund um die Uhr vor Ort und passt auf. Sein Neffe ist heute hier angekommen, er würde ihn gerne mit zu sich nach Hause nach Krefeld nehmen. Das geht allerdings nicht. Sein Neffe muss bleiben, bis er in einer Erstaufnahmeeinrichtung offiziell registriert wurde. „Bleiben geht in Syrien nicht mehr“, sagt Hasan. „Wer bleibt, stirbt.“