Im Juli sind während des Unwetters in Lünen Niederaden ganze Straßenzüge überflutet worden. Der Lippeverband spricht hier von deutlichem Handlungsbedarf. Aber auch an anderen Stelle in Lünen soll mehr für den Hochwasserschutz getan werden.

© Privat / Anwohner aus Niederaden

Hochwasserschutz in Lünen: Lippeverband sieht deutlichen Handlungsbedarf

rnLippeverband

Nach der Unwetterkatastrophe im Juli planen Emschergenossenschaft und Lippeverband für die Zukunft, auch in Lünen. Es geht um sicherere Deiche, mehr Rückhaltebecken und Versickerungsflächen.

Lünen

, 09.10.2021, 14:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Im Sommer während der Flutkatastrophe waren die Systeme an Emscher und Lippe zwar gut aufgestellt und haben funktioniert, doch hatten wir auch ganz schön viel Glück“, sagt Dr. Frank Dudda als Vorsitzender des Emschergenossenschaftsrates und Oberbürgermeister der Stadt Herne.

Denn mit den Wassermengen, die beispielsweise in Hagen heruntergekommen sind, hätte es auch rund um die Emscher große Probleme gegeben. „Hier wäre es in vielen Stadtteilen zu Überflutungen mit massiven Schäden gekommen“, sagt Dr. Emanuel Grün, Vorstandsmitglied von Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV).

Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender EGLV, Dr. Frank Dudda, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, Bodo Klimpel, Ratsvorsitzender des Lippeverbandes, sowie Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand EGLV (v.l.n.r), zeigen, wie voll gelaufen die Rückhaltebecken im Juli waren und wie sie unter normalen Umständen aussehen.

Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender EGLV, Dr. Frank Dudda, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, Bodo Klimpel, Ratsvorsitzender des Lippeverbandes, sowie Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand EGLV (v.l.n.r), zeigen, wie voll gelaufen die Rückhaltebecken im Juli waren und wie sie unter normalen Umständen aussehen. © Abawi/EGLV

Gebäudeschäden in Höhe von rund 600 Mio. Euro

Berechnungen haben ergeben, dass es allein im Teil der Emscher zwischen Holzwickede und Gelsenkirchen Gebäudeschäden in Höhe von rund 600 Millionen Euro gegeben hätte, so Dudda. Besser aufgestellt ist man an der Lippe, auch wenn es gerade in Niederaden durch den Anstieg des Lüserbachs zu Überschwemmungen gekommen ist. Zudem gibt es laut Lipperverband-Pressesprecherin Anne-Kathrin Lappe in dem Bereich immer wieder Probleme wegen der Kanalisation. Deshalb sei in dem Teil Lünen deutlicher Handlungsbedarf.

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Im Blick hat man rund um die Lippe aber auch zahlreiche Nebengewässer wie Seseke (dort wurde bereits viel für den Schutz getan), Mühlenbach in Datteln oder Stever in Haltern. Die bringen bei Starkregen ebenfalls viel Wasser mit sich und können so auch zu einem reißenden Gewässer werden. Doch selbst den Hagener Regenmengen hätten die Schutzvorkehrungen laut Berechnungen an der Lippe standgehalten. Dazu trügen auch die hohen Deiche rund um Lünen sowie Auenlandschaften bei.

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Bodo Klimpel, Vorsitzender des Lippeverbandsrates, hat zudem viele Anrufe von besorgten Bürgern bekommen, die wissen wollten, was solch ein Starkregen für sie bedeuten könnte: „Die Menschen in unserer Region machen sich Sorgen, das nehmen wir ernst und werden handeln.“ Und dabei würden Kosten erst einmal zweitrangig sein. „Es kostet, was es kostet“, sagt Klimpel auf Nachfrage. Am Ende müsse das umgesetzt werden, was technisch machbar ist und Sinn ergibt.

Deichabschnitte noch sicherer machen

„Wir müssen Deichabschnitte überströmungssicher ausbauen und den Ausbaugrad der Deiche an einigen Stellen erhöhen – zum Beispiel auf ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 500 Jahre vorkommen kann“, so Emanuel Grün. Bisher sind die Deiche an der Emscher auf ein Hochwasser alle 200, an der Lippe alle 250 Jahre ausgelegt - was aber immer noch deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaß liegt.

Ziel: schnellere Prognosen für Hochwasser

Darüber hinaus müssen laut EGLV die 190 Kilometer Deiche teilweise sanfter abfallen, verstärkt und bruchsicherer gemacht, weitere Rückhaltebecken gebaut (aktuell gibt es ein Volumen von fünf Millionen Kubikmetern) und mehr Flächen für die Versickerung in den Städten geschaffen werden. Denn die Wasserwirtschaftsexperten sind sich einig darüber, dass in Zukunft solche schweren Naturereignisse wie im Juli noch öfter und vielleicht sogar schlimmer auftreten werden.

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„Eine unserer Schlussfolgerungen muss sein, dass wir die Hochwasservorhersage weiterentwickeln“, so Emanuel Grün. Bedingt durch den Klimawandel entstehen mittlerweile kleinere, schwer zu prognostizierende Starkregenzellen. Deshalb, so Grün, wolle man die Hochwasserprognosen in deutlich kürzeren Zeitabständen berechnen. Waren es bisher 30 Minuten, so strebt der EGLV-Vorstand in den kommenden Wochen 15 Minuten an.

In rund drei Monaten dürften die Rechnerkapazitäten sowie die vom Deutschen Wetterdienst übermittelten Daten zur Verfügung stehen. Aktuell beträgt (auch wegen der zahlreichen Retentionsbecken/Rückhaltebecken) die Vorlaufzeit an der Lippe sechs Stunden. An der Emscher hat man hingegen nur etwa die Hälfte der Zeit zur Reaktion.

Auch Kommunen beim Hochwasserschutz gefordert

Aber auch die Kommunen seien gefordert. „Die Lage macht es erforderlich, dass unter anderem Gründächer, Entsiegelungen und Entflechtungen – ganz nach den Prinzipien der Schwammstadt – in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen der Kommunen festgeschrieben werden“, fordert EGLV-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Uli Paetzel.

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So würden noch im Herbst Hochwassertagungen stattfinden, um die Kommunikation mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kommunen, Landkreisen, Krisenstäben und Feuerwehren zu vertiefen. Die Stadt Herne und der Kreis Recklinghausen haben zudem entschieden, dass sie in Zukunft gemeinsam über den kommunalen Krisenstab hinaus zusammenarbeiten wollen.

Am 10. November findet in Essen eine Hochwassertagung für die Mitglieder der Emschergenossenschaft statt, am 18. November in Recklinghausen eine Tagung für die Mitgliedskommunen des Lippeverbandes.

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