
© Matthias Stachelhaus
Flüchtling aus Guinea startet in Malerbetrieb in Lünen durch
Ausbildung
Vom UMA zum Lehrling: Layek Camara floh mit 14 aus seiner Heimat Guinea. Nach Jahren kam er in Deutschland an. Heute macht er eine Ausbildung in Lünen. Ob er bleiben darf, ist dennoch unklar.
Layek Camara macht eine Ausbildung zum Maler und Lackierer. Seit September 2019 ist er beim gleichnamigen Unternehmen von Robert Fittinghoff in Lünen beschäftigt. Bis der junge Mann seine Unterschrift unter den Vertrag setzen konnte, hatte er allerdings einen langen und schweren Weg hinter sich.
Denn Layek Camara stammt aus Kankan in Guinea. Er verließ das Land in Westafrika 2014, floh vor der größten Ebola-Epidemie aller Zeiten. Seinen Vater kennt er nicht, seine Mutter starb an Ebola, als er 14 als war.
Ins Heim für Ebolakranke
Nach dem Tod der Mutter sollte er ein Heim kommen, sagt Camara. Kein Kinderheim, sondern eins für Ebolakranke. Man vermutete, der Jugendliche sei ebenfalls an dem Fieber erkrankt. „Ich war aber nicht krank.“ In dem Heim hätte er sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit angesteckt. Es blieb nur die Flucht.
Zusammen mit einem Freund zunächst in den Nachbarstaat Mali, dann nach Algerien. Dort fand Layek Camara Arbeit. Schon in Guinea hatte er Geld als KFZ-Mechaniker verdient. Die Schule konnte er nicht besuchen.
Nur 50 Prozent der Kinder in Guinea werden laut Internetlexikon Wikipedia überhaupt eingeschult. 10 Prozent besuchen die Sekundarschule und 1 Prozent später eine Hochschule.
Überfallen und ausgeraubt
Das Geld, dass Layek Camara in Algerien verdiente, sei ihm wieder abgenommen worden. Einige Männer überfielen ihn in einer Seitengasse. „Sie haben mir ein Messer an den Hals gehalten“, sagt er. Das komme ständig vor, habe ein Freund ihm gesagt. Besonders wenn die Einheimischen mitbekämen, dass man alleine sei.
Also verließ Layek Camara Algerien, ging nach Marokko. Dort fand er aber keine Arbeit. Marokko hat allerdings eine andere Besonderheit: An der Nordspitze des Landes gibt es die spanische Exklave Ceuta. Wer es über den Grenzzaun schafft, ist auf spanischem Boden. In Europa.

Kurz vor Dienstschluss: Layek Camara räumt noch das letzte Arbeitsmaterial auf. Danach hat der junge Guineer manchmal noch Nachhilfeunterricht. Erst in Deutschland lernte er lesen und schreiben. © Matthias Stachelhaus
Zusammen mit anderen Flüchtlingen gelang es Camara so, auf dem Landweg europäischen Boden zu erreichen. In Ceuta wurde er dann von der Polizei aufgegriffen. Zunächst kam er in ein Heim. Nach etwa einer Woche brachte man ihn mit einem Boot über das Mittelmeer nach Málaga.
Lesen und schreiben lernen
Mit Unterstützung der Flüchtlingshilfe reiste er von dort mit dem Bus über Frankreich und Belgien nach Deutschland. Das letzte Stück in einem Großraumtaxi, erzählt der junge Mann.
Im Juli 2017 schließlich, also drei Jahre nachdem er seine Heimat verlassen hatte, kam Layek in einer Flüchtlingsunterkunft in Aachen an. Als sogenannter UMA, unbegleiteter minderjähriger Ausländer. Von dort ging es für den damals 17-Jährigen weiter nach Selm. Betreut wird er bis heute von der Jugendhilfe Werne.
11 Monate blieb er dort, bekam schließlich eine Wohnung in Lünen, in der er bis heute mit einem Freund lebt. In Werne besuchte Layak Camara Schulkurse, lernte die deutsche Sprache.
Und noch etwas: Lesen und Schreiben. Das habe er vorher nicht gekonnt, sagt er. Genau wie es laut Unesco rund 70 Prozent der Menschen über 15 Jahren in Guinea nicht können.
Heiraten oder arbeiten
Genauso wichtig war aber noch etwas anderes: Die Möglichkeit in Deutschland bleiben zu können. „Entweder suchst du dir eine Frau oder du brauchst Arbeit“, habe es immer geheißen. Das verbessere die Chancen auf Asyl erheblich.
Die ersten Praktika verliefen allerdings nicht wie gewünscht. Im Altersheim sei ihm schnell klar geworden, dass das nicht das Richtige für ihn sei. Kfz-Mechatroniker wäre Layek Camara gerne auch in Deutschland geworden, bekam aber die Stelle nicht.

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Ende 2018 wurde der Asylantrag abgelehnt. Unterstützt von der Flüchtlingshilfe Werne klagte er gegen die Entscheidung des Gerichts. Das Verfahren läuft, der Ausgang ist ungewiss. „Deshalb kann ich nachts manchmal nicht schlafen“, sagt Camara. Täglich kann die Vorladung für die Anhörung im Briefkasten liegen.
„Solange das Verfahren läuft, kann er nicht abgeschoben werden“, sagt Lisa Wehrmeister. Sie ist eine von Camaras Betreuerinnen bei der Jugendhilfe Werne.
Ausbildung statt hängen lassen
In der Zwischenzeit hat sich Layek Camara aber nicht hängen lassen. Er bewarb sich für ein Praktikum bei der Firma Fittinghoff in Lünen. Für drei Monate wollte er den Arbeitsalltag des Traditionsunternehmens kennenlernen. „Das haben wir natürlich erst einmal möglich gemacht“, sagt Robert Fittinghoff, Malermeister und Inhaber des Betriebs in dritter Generation.
Am Ende des Praktikums im Juni 2019 habe es von allen 15 Mitarbeitern ein klares Fazit gegeben: So einen hatten sie noch nie. „Er hat schon sehr selbstständig gearbeitet, und das auch noch sauber und ordentlich“, sagt Fittinghoff. „Fast schon beängstigend“ sei es gewesen.
Zwar hatte er von der Ausbildung von Geflüchteten schon gehört, selbst angegangen war Fittinghoff es bisher noch nicht.
Nachhilfe und viel lernen
„Man hatte uns gesagt, dass das Handwerk für Flüchtlinge sehr gut und schnell verständlich sei. Wir als Handwerksbetriebe seien gefragt.“ Da sei Camara der perfekte Kandidat gewesen.
Ein mögliches Problem sah Fittinghoff allerdings bei der Sprache und Mathematik. Auch das muss ein Maler und Lackierer beherrschen. Mit Nachhilfe und Unterstützung der Jugendhilfe ginge es bisher aber sehr gut. Seine Stundenzeiten und Berichte schreibt Lehrling Layek Camara selbst auf. Von Hand. Auf Deutsch. Eine beeindruckende Leistung für jemanden, der bis vor knapp zwei Jahren die Landessprache nicht beherrschte, geschweige den Lesen oder Schreiben konnte.
Beruflicher Quereinsteiger und Liebhaber von tief schwarzem Humor. Manchmal mit sehr eigenem Blick auf das Geschehen. Großer Hang zu Zahlen, Statistiken und Datenbanken, wenn sie denn aussagekräftig sind. Ein Überbleibsel aus meinem Leben als Laborant und Techniker. Immer für ein gutes und/oder kritisches Gespräch zu haben.
