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Fahren wie auf Eiern: Warum die Straßen in Lünen noch weiß sind
Räumfahrzeuge
Weiße Straßen, darunter Eispanzer: Warum fährt man in Lünen wie auf Eiern? In den sozialen Netzwerken gibt es viel Kritik. Winterdienst-Chef Thomas Möller kann das verstehen, aber auch erklären.
Autofahren ist zurzeit in Lünen kein Vergnügen. Unter der schneebedeckten Fahrbahn liegt blankes Eis. So mancher Bürger fragt sich, wie das denn sein kann. Schließlich schiebt der Winterdienst seit Sonntagnacht (7.2.) Doppelschichten in 80-Mann-Stärke. Große Räumfahrzeuge sind unterwegs. Trotzdem kommen Autofahrer ins Rutschen und schlecht vorwärts.
Thomas Möller, Leiter des Winterdienstes der Wirtschaftsbetriebe Lünen (WBL), kennt die zunehmende Kritik - und steckt in einem Dilemma. Denn der massive Schneefall am Sonntag und die Minusgrade danach seien eine besondere Herausforderung. „Anderen Städten geht es nicht anders“, sagt Möller.
„Räumschilde werden überschätzt“
Die großen Schneeschieber mit den Räumschilden müssten das Eis doch aufbrechen können, wundert sich mancher. Die glatte Schicht ist durch aufgetauten und wieder gefrorenen Schnee entstanden. Knacken können ihn die Räum-Riesen aber nicht. Denn die harten Schilde haben eine weiche Kante: eine Gummilippe. Das ist Vorschrift. Würde der Schneepflug mit Eisen über den Asphalt schaben, wären die Straßen schnell ruiniert.
Außerdem, so Möller, würde das Schild zerreißen, sobald es über die Kante eines Kanaldeckels komme. Auch für den Fahrer sei eine solche Situation gefährlich. Sie würde ihn vom Sitz holen. Reine Eisenschaufeln seien im öffentlichen Raum verboten. Daher der Vollgummirand. Den haben übrigens auch die Schneefahrzeuge auf den Autobahnen. Damit können sie nur pulvrigen Schnee zur Seite schieben. „Räumschilde werden überschätzt“, sagt Möller.
Die neue Taktik heißt Splitt
Sonntagnacht sei WBL mit den Schiebern noch mit aller Macht gegen den Schneefall angefahren. Momentan werden sie nicht mehr eingesetzt. Wie die Nachbarstadt Waltrop, verzichtet auch Lünen aufs Räumen. Denn damit werde nur der Eispanzer freigelegt.

Vorsichtig fahren, hieß es auch für Autofahrer auf der Brunnenstraße. © Goldstein
Und weil das Sole-Salz-Gemisch bei Temperaturen um minus 6 Grad ohnehin nicht wirke, heißt die Taktik jetzt Splitt. 250 Tonnen liegen auf Lager und werden immer wieder aufgefüllt, 45 davon kommen täglich auf die Straßen.
Das Granulat hat eine Körnung von 5 bis 8 Millimetern, es soll die Straßen rutschfest machen, aber nicht die Karosserie der Autos beschädigen. „Für Radwege nehmen wir eine gröbere Körnung“, so Möller. In manchen Bereichen seien die Mitarbeiter manuell mit Schaufel und Spaten unterwegs. An der Kreuzung Kupferstraße/Dortmund Straße, wo Lkw an der Steigung hingen zum Beispiel. Oder an der Kanalbrücke Brunnenstraße/Dortmunder Straße. „Da wird besonders mit Kleingeräten geschoben“, so Möller. Das sei zeitaufwendig, sorge aber dafür, dass der Verkehr fließe.
Situation täglich neu bewerten
In der Nacht zu Mittwoch (10.2.) habe man sich die Kreuzungsbereiche vorgenommen. „Sobald es etwas auftaut, werden wir versuchen, das Eis zu lösen“, sagt Möller. Täglich würde die Situation beobachtet, neu bewertet und reagiert.
Bis zum Wochenende, glaubt Möller, beliebe die Lage noch so. Seine 80 Leute seien mit nichts anderem beschäftigt und kämen platt von der Schicht. Der Eindruck der Bürger sei ein anderer. Möller könne das nachempfinden.
Dennoch ist der Winterdienst bisher nicht über die Stufe 1 der priorisierten 180 Hauptverkehrsstraßen hinaus gekommen. In Teilen würden Steigungen, Rampen, Ampeln und Bushaltestellen von Trupps manuell bearbeitet. „Langsam fangen wir jetzt auch an den gefährlichsten Stellen der Stufe 2 an“, sagt Möller. Dazu gehören 260 Nebenstraßen ohne übergeordnete Verkehrsbedeutung. Struckmannsberg oder Vogelsberg zählen dazu.
Doch in manchen Straßen, wie denen der Barbarasiedlung, will man WBL gar nicht sehen. Aus Angst, die Einfahrten würden mit Schnee zugeschoben. Für die Stufe 2 und 3 bestehe laut Möller rein rechtlich auch gar keine Streupflicht seitens WBL. Dort sei man aber dann aktiv, wenn es dem Verkehrsfluss helfe.
Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
