Fabian (12) hat Dysmelie Mit moderner Hightech-Prothese nimmt er sein Leben in die Hand

Fabian hat Dysmelie: Mit Hightech-Prothese nimmt er sein Leben in die Hand
Lesezeit

Es macht ein leicht surrendes Geräusch, wenn Fabian Bierfreund die Finger an seiner linken Hand bewegt. Sechs Motoren setzen sie in Gang. Sie gehören zu einer elektronischen Hightech-Prothese, deren Sensoren er mit eigener Muskelkraft ansteuern kann. Mit ihr hat Fabian sein Leben gut im Griff.

Die Pfanne beim Spiegelei-Braten festhalten oder auch Fahrradfahren - das ist für den 12-jährigen Lüner, dessen linker Arm drei Zentimeter unter dem Ellenbogengelenk aufhört, kein Problem. Dysmelie nennt sich die angeborene Verkürzung von Gliedmaßen. Mutter Nicole Bierfreund hat davon in der 20. Schwangerschaftswoche erfahren, bei einer Spezialuntersuchung mit Feindiagnostik. Als „Laune der Natur“ hätten die Ärzte das den Eltern erklärt. Am Anfang sei es schwer gewesen. Fabian konnte nicht krabbeln, habe sich aber irgendwie nach vorne gerobbt. Auf dem Bobbycar drehte er später begeistert seine Runden. Zu sehen, wie Fabian alles meistert, sei eine Erleichterung. „Dysmelie gehört zu meinem Leben dazu“, sagt er.

Ganz offen geht der Schüler der Geschwister-Scholl-Gesamtschule damit um, dass seine Hand abends ans Ladekabel muss. In dem Prothesen-Schaft, der mehrfach im Jahr angepasst wird, und den sich Fabian mit einem Fortnite-Motiv individuell gestalten ließ, sind Akkus verbaut. Fabian zeigt mit seiner Prothese im Unterricht auf und spielt sogar Posaune. Dazu legt er allerdings seine „Vincent Evo 4“, wie die um die 50.000 Euro teure Technikhand mit den programmierten Griffmustern heißt, zur Seite. Sie erleichtert seinen Alltag. Doch es gibt auch Grenzen: Schleifebinden kann er damit nicht.

Fabian mit seinen Eltern
Nicole und Arthur Bierfreund haben in der 20. Schwangerschaftswoche erfahren, dass Fabians Arm nicht weiterwächst. © Quiring-Lategahn

120 Gäste beim Dysmelietreffen

Die Orthopädietechniker der Firma Ortho Form in Lünen-Gahmen, Zum Gewerbepark 9, kümmern sich um Fabian, seit er drei Jahre alt ist. Nicht nur um ihn. Von weit her kommen Betroffene, um sich von den Spezialisten mit Prothesen versorgen zu lassen. Das Armprothesen-Team Boris Tenzler, Bennet Krüger und Thomas Bernstein hat für Samstag (19.11.) um 10 Uhr das zweite Dysmelietreffen in Lünen organisiert. Es wird mit 120 Teilnehmern aus der ganzen Region gerechnet. Sie kommen um 10 Uhr im Marmorsaal bei Stolzenhoff, Zum Pier 59, zusammen.

Im Mittelpunkt soll der Austausch von Betroffenen und Familienangehörigen stehen. Es geht um Erfahrungen, Hilfen und neue Technik, die auch vor Ort ausprobiert werden kann. Fabian und seine Familie werden auch dort sein. „Interessant ist zu sehen, wie die anderen ihr Leben meistern“, sagt Nicole Bierfreund. So erlebe man auch, dass man kein Einzelfall sei.

Gips nach Armbruch

Fabian ziegt seine Kunsthand
Fabians Kunsthand ist nicht schwerer als die angeborene. Den Prothesenschaft hat er sich mit einem Fortnite-Motiv individuell gestalten lassen. © Quiring-Lategahn

Fabian ist ein Kämpfer. Wenn er etwas will, dann schafft er es auch. In Sport und Schwimmen hat er eine Eins, er klettert mit seiner Kunsthand. Allerdings muss er auf Spielplätzen höllisch aufpassen, dass kein Sand ins Getriebe kommt. Als er auf einem Skateboard unterwegs war, ging das schief. Er stürzte und brach sich den Ellenbogen an seinem verkürzten Arm. Es folgten sechs Wochen Gips. Am Ende passte der Schaft der Prothese nicht mehr. Es gab einen neuen von seinem Orthopädie-Experten.

Hart im Nehmen ist Fabian. Einer, der nicht viele Worte macht. Auf seine erste Prothese, die „Kinderhand 2000“, folgte das Modell „Vincent Young 3“, jetzt hat er „Vincent Evo 4“ - und es wird nicht die letzte sein. Die Prothese wird seiner wachsenden Handgröße angepasst.

Technisch gilt die „Evo 4“ als multiartikulierende Hand. Das bedeutet, dass alle Finger bestimmte Griffoptionen haben. Auch Drehbewegungen des Handgelenks sind möglich. Die Prothese mitsamt Technik wiegt genauso viel wie ein angeborener Unterarm mit Hand. Einmal im Jahr muss die Kunsthand zur Inspektion. Für Fabian gehört sie zu seinem Leben.

Strahlentherapie in Lünen : Neuer Linearbeschleuniger berücksichtigt sogar das Atmen

Erste Anzeichen für Grippewelle in Lünen: Praxen laut Ärztesprecher voll

Erfolgreich auf Rollen und Rädern : Lüner Arzt ist als Rentner bei Rennen an der Spitze