4500 junge Menschen feiern ausgelassen. Es sind nostalgische Erinnerungen, die viele mit dem Ferrum verbinden. Doch eine so große Disco wird es in Lünen wohl nicht mehr geben.

Lünen

, 22.07.2018, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Laute Musik und tausende Menschen vermischen sich in einer dreckigen Industriehalle mit alten Geräten und abgehockten Sesseln. Elektromusik tönt durch die riesige Halle, in der kurz zuvor noch Roheisen und Stahl erzeugt wurden. Junge Menschen tanzen, während die Nacht den Stadtteil Wethmar rundherum in Dunkelheit taucht.

„Es war eine total geniale Zeit“

Es sind Nächte, an die sich Nadine Georgi noch ziemlich genau erinnert. Und Nächte, die mittlerweile schon fast 20 Jahre her sind. Trotzdem kann sie sicher sagen: „Es war eine total geniale Zeit, das Ferrum war einfach einzigartig.“ Sie spricht von der „Ferrum Music Hall“, vielen Lünen einfach unter „Ferrum“ bekannt. Für ein knappes halbes Jahr öffnete es seine Türen im November 1998 in den alten Halle auf dem ehemaligen Westfalia-Gelände in Wethmar.

Viele Besucher aus der Region

„Das war eine sehr erfolgreiche Zeit“, erinnert sich auch Rainer Hubrach zurück. Er war gemeinsam mit Norbert Strohbücker Gründer des „Ferrums“. Und somit Mitbegründer einer Disco, die zu den Höhepunkten im Lüner Party-Leben zählt. Rund 4500 Leute kamen an den Wochenenden ins Ferrum. Und das nicht nur aus Lünen, sondern auch von außerhalb. „Wir haben uns dann auch mal die Kennzeichen der Besucher angeguckt, die teilweise von rund 60 Kilometern außerhalb kamen“, erzählt Hubrach.

Beginn der Partys war immer um 21 Uhr, das Ende offen. Ab 18 durften junge Erwachsene die Party-Halle eigentlich betreten, Menschen bis Mitte 30 seien ins Ferrum gekommen. Mit der Musik versuchten sie ein gemischtes Publikum zu begeistern.

DJs von 1Live vor Ort

Hubrach: „Wir hatten eine kleine Halle, in der die damals typische WDR 4-Musik gespielt wurde. In der großen Halle spielten Disco-DJs aktuelle Musik.“ Alle zwei Wochen kamen dafür DJs des Radiosenders 1Live nach Lünen, berichtet Hubrach weiter, auch sonst habe es immer unterschiedliche Events auf dem ehemaligen Gelände der Eisenhütte Westfalia gegeben.

Doch wie kommt man eigentlich auf die Idee, dort, wo jahrzehntelang Roheisen und Stahl erzeugt wurde, eine Diskothek zu eröffnen. Diese Idee beschreibt Hubrach recht simpel: „Wir wollten einfach mal versuchen, in Lünen etwas zu starten.“ Und das kam an, wie die Besucherzahlen damals bewiesen. Auch bei Nadine Georgi. „Ich war damals fast jedes Wochenende dort“, erinnert sich die damals 17-Jährige noch genau an ihre regelmäßigen Besuche. Und das obwohl die Partys offiziell eigentlich ab 18 Jahren waren.

Am Eingang zu der Partyhalle gab es eine riesige Garderobe, dann folgten die große Halle, in der vor allem die elektronische, zu der Zeit angesagte, Musik gespielt wurde. In der kleineren Schlager-Halle war sie eigentlich selten. Zum Sitzen gab es durchgesessene Sessel, sogenannte Bodengitter dienten als Tische in dem industriellen Club. „Es sah wirklich genauso aus, wie man sich eine Eisenhütte vorstellt“, so Georgi. Vergleichen könnte man die Disco ungefähr mit der Turbinenhalle, die auch heute noch in Oberhausen steht.

Abriss war von Beginn an beschlossen

Doch wo eine Zeit lang viel Party stattfand, sollte auch schon bald wieder der Abschied kommen. Denn von Beginn an waren die Tage des „Ferrums“ gezählt. Von vorneherein war den Gründen um Hubrach klar, dass die alten Hallen auf dem ehemaligen Westfalia-Gelände abgerissen werden sollen, nach rund fünf Monaten war im März 1999 schon wieder Schluss.

Eine Tatsache, die auch bei Facebook bei einer Umfrage der Ruhr Nachrichten sehr bedauerten. „Das Traurige am Ferrum war, das bei der Eröffnung schon der Termin für das Aus bekannt war“, bedauert da ein User.

Bei anderen Usern dominieren statt Traurigkeit aber vor allem nostalgische Erinnerungen an damals: „Das waren noch Zeiten“ oder aber auch „Oh Gott... solang schon her?!“, heißt es zum Beispiel.

In den 50er Jahren gab es ganz viele Discotheken

Und damit ist nicht nur das Ferrum gemeint, auch an andere Diskotheken erinnern sich die Lüner gerne zurück. Von 25 bis 30 Diskotheken in den 1950er Jahren ist in den Facebook-Kommentaren die Rede, außerdem vom „Comeback“, und dem „Chaplin Club“ oder dem „Schützenhof“. Daran erinnert sich auch Rainer Hubrach. „Vor ungefähr 40 Jahren hatten wir ganz viele Discos in Lünen. Anders als heute. Auch wenn man früher schon bei einer Größe von 150 Quadratmetern von Discos gesprochen hat“, erklärt der spätere Ferrum-Mitbegründer. Neben den oben genannten Clubs spricht er da auch noch vom „Lords Inn“ in Lünen-Süd oder vom „Tiffany“ beziehungsweise „Cat Balou“ im heutigen Stadthotel.

Alles Clubs, an die sich die heutige Lüner Disco-Generation wenn überhaupt aus Erzählungen erinnert. Denn das Nachtleben hat sich mittlerweile gewandelt. Es gibt einige Bars und Kneipen, richtige Diskotheken sind mittlerweile jedoch nur noch in der Nachbarstadt zu finden.

Ein Club könnte auch heute noch funktionieren

Dabei könnte ein Club auch in Lünen funktionieren, meint Rainer Hubrach: „So eine Disco dürfte nicht zu groß sein, dann würde sie nicht laufen. Ich denke auch, das Ferrum hätte sich auf Dauer nicht in Lünen gehalten. Aber in einer gewissen Größenordnung könnte ich mir eine Disko auch in Lünen vorstellen.“

Vorstellungen, die derzeit utopisch sind. Und so werden die nostalgischen Erinnerungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Lünen, die die Generationen vor ihnen im Ferrum oder anderen kleineren Diskotheken gesammelt haben, wohl eher in anderen Städten spielen. Denn eine Diskothek wie das Ferrum, in dem 4500 Menschen zusammen feierten, das wird es in Lünen wohl nicht mehr geben, da ist sich auch Rainer Hubrach sicher.

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