Dr. Christian Lüdke Wie man trotz der Krisen optimistisch ins Neue Jahr starten kann

Dr. Christian Lüdke: Wie man optimistisch ins Neue Jahr starten kann
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Zum Jahreswechsel gehören gute Vorsätze, aber auch Hoffnungen und Pläne. Das Jahr 2022 bescherte eine Krise nach der anderen. Nach dem Corona-Winter kam

der Angriff Russlands auf die Ukraine und damit ein inzwischen seit mehr als zehn Monaten andauernder Krieg. Energiekrise und immer weiter steigende Preise, Inflation und viele Ängste waren die Folgen. Kann man da optimistisch ins Neue Jahr gehen? Dr. Christian Lüdke, bekannter Lüner Psychologe, Klinischer Hypnotherapeut und Experte in vielen Fernsehbeiträgen, sagt „Ja“,

Nicht nur als Berater der Stiftung Familienunternehmen und Politik in Berlin weiß er, dass die meisten Menschen in diesem Land 2022 massive Belastungen erlebt haben. „In Unternehmen funktionieren alte Management-Strategien nicht mehr, man arbeitet unter dem Motto Versuch und Irrtum“, so Lüdke. Dabei waren schon die Jahre zuvor schwierig genug, aufgrund der Folgen der Pandemie.

Wütende Jungs, stille Mädchen

Folgen, die nun auch untersucht werden. So beleuchtet die sogenannte Copsy-Studie (Corona und Psyche) europaweit die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche. „Wütende Jungs und stille Mädchen lautet eine der Erkenntnisse“, so Lüdke. Die Forscher des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben herausgefunden, dass Mädchen während der Pandemie immer stiller wurden und eher Schmerzen bekamen. Jungs dagegen wurden immer aggressiver. „Das gilt für Kinder bis zu Erwachsenen. Besonders betroffen waren die Menschen, die schon vor Corona Probleme hatten, sie aber bis zur Pandemie noch kompensieren konnten.“

Die Experten gehen davon aus, dass diese Folgen in den kommenden Jahren noch mehr Menschen betreffen werden - sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich. Es gibt viele Studien in Krisenzeiten. Grundbedürfnisse der Menschen wie das Gefühl von Sicherheit und Bindung zu anderen Menschen seien in den Krisen dieses und der vergangenen Jahre bedroht gewesen. Genauso wie Erfolgserlebnisse, soziale Beziehungen und Hoffnungen.

An Silvester 2021 wurde in Lünen trotz aller Corona-Beschränkungen das neue Jahr mit reichlich Feuerwerk begrüßt. Jetzt ist 2022 vorbei, es hat viele Krisen mit sich gebracht.
An Silvester 2021 wurde in Lünen trotz aller Corona-Beschränkungen das neue Jahr mit reichlich Feuerwerk begrüßt. Jetzt ist 2022 vorbei, es hat viele Krisen mit sich gebracht. © Günther Goldstein (Archiv)

Die wichtigste Erkenntnis aus Krisen, so Lüdke, sei „egal was kommt, wir werden es gemeinsam schaffen.“ Und dieses „gemeinsam“ bringe auch das Stück Hoffnung, das man braucht, um optimistisch ins Neue Jahr 2023 zu gehen. Dabei sollte man wissen, dass die Vorfreude auf etwas Schönes mehr Glückshormone ausschüttet als das Ereignis selbst. Sich selbst oder andere zu „belohnen“ sei wichtig, aber eben noch wichtiger, um glücklich zu sein, sei die Ankündigung der Belohnung.

Lüdke rät, gerade in Krisensituationen die Aufmerksamkeit auf angenehme Dinge zu lenken, sonst gerate man zu sehr unter Stress. Wichtig sei auch, zu bedenken, „dass nur, wenn es uns selbst gut geht, wir auch anderen Menschen helfen können.“ Deshalb sollte man die Selbstfürsorge nicht vergessen. Sich selbst etwas Gutes zu tun - Spaziergang, Sport machen oder ein leckeres Essen kochen und genießen - bereite den Boden, um auch anderen Menschen zu helfen, sie zu unterstützen.

Keine Chance für Stress

Gerade in Krisenzeiten solle man versuchen, so Lüdke, Stress keine Chance zu geben. Das zeigten auch Erfahrungen aus vielen Kliniken. „Dort spielen die Menschen einfach Spiele oder schauen ihre Lieblingsserien, das hat eine heilsame Wirkung, weil Stress so keine Chance hat.“ Man solle auf sein „vegetatives Gleichgewicht“ achten - gemeint ist die Schnittstelle zwischen der körperlichen und seelischen Gesundheit. „Man sollte immer etwas haben, worauf man sich in naher Zukunft freuen kann,“ rät der 62-Jährige.

Das müssen keine großen Reisen oder Feiern sein, sondern auch Treffen mit Freunden, ein Kinobesuch oder das neue Buch seines/ihres Lieblingsautoren. Ziele kann man sich selber setzen. Dazu, so Lüdke, gibt es verschiedene Fragen. Was erwarte ich vom Leben oder - gerade an Silvester - was erwarte ich vom Neuen Jahr? Was macht mein Leben oder das kommende Jahr sinnvoll? „Mit solchen Fragen erreicht man, dass man selber aktiv wird und selbst die kommenden Monate oder Lebensphasen gestaltet, wie man es gerne möchte.“

Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke (62) sagt: Wir sollten auf unser vegetatives Gleichgewicht achten.
Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke (62) sagt: Wir sollten auf unser vegetatives Gleichgewicht achten. © Lüdke

Die berühmten guten Vorsätze gehören zum Jahreswechsel. Genauso wie in den meisten Fällen das Scheitern der Vorsätze mehr oder weniger kurz nach Neujahr. Deshalb sagt Lüdke: „Wir sollten uns durchaus Ziele setzen und damit uns selbst eine Belohnung ankündigen, damit wir die Glückshormone in uns aktivieren.“ Man sollte sich höchstens drei Ziele setzen, sich aber dafür deutlich mehr Zeit lassen, um diese Ziele auch zu erreichen. Mit klaren, konkreten Zielen könne man zuversichtlich ins Jahr 2023 gehen.

Wichtig sei es zudem, diese Ziele positiv zu formulieren. Also nicht „ich will nicht mehr rauchen“ sondern „ich möchte es schaffen, ohne Zigaretten zu leben“. Aus Negativen etwas Positives machen, das geht auch in den kleinsten Dingen. „Viele Menschen mögen beispielsweise den November nicht, wegen der traurigen Feiertage und des Wetters. Man kann einfach aus dem No-vember den Yes-sember machen, also schon im Namen etwas Positives und dann das Beste aus diesem Monat.“

Fragemuskel trainieren

Lüdke sagt aber auch, dass man sich durchaus Hilfe holen sollte, wenn man in persönlich schwierigen Situationen steckt. „Trainiert euren Fragemuskel, fragt nach Hilfe“, so sein Appell. Und da auch Haltung negative wie positive Zustände erzeuge, solle man ruhig „Powerposen“ in den eigenen vier Wänden üben. Und vor allem darauf achten, dass das eigene körperliche und seelische Wohlbefinden im Gleichgewicht ist.

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