
© Castner / Magalski
Dr. Castner: Taschentuch-Idee aus Lünen ein Durchbruch für Kita-Tests?
Lolli-Test
„Lolli-Test fällt wieder durch“ titelte unsere Redaktion. Ein Arzt vom Bodensee, Dr. Thomas Castner, las den Artikel und meldete sich - er kenne den Grund für die Probleme mit den neuen Tests.
Dr. Thomas Castner wohnt in Markdorf, einer Kleinstadt am Bodensee. Der Mann ist Facharzt für Anästhesie und Notfallmedizin sowie Sachverständiger für Medizinprodukte. Castner ist in dieser Funktion auch im „Netzwerk MP Sicherheit“ aktiv, einer Art Stiftung Warentest für Medizinprodukte.
Und Castner berät als Sachverständiger Schreiner Medical, den Vertreiber des AmonMed-Tests in Deutschland. Freitagabend entdeckt er im Internet unseren Online-Artikel zu den vermeintlich unzuverlässigen AmonMed-Tests.
Castner schreibt uns eine E-Mail, bittet um ein Gespräch. „Medizin und Wissenschaft kennen kein Falsch und kein Richtig“, nimmt er am Sonntag am Telefon Stellung. Wenn Familien feststellen, dass der Test eine Corona-Infektion bei ihrem Kind nicht erkennt, dann ist das in diesem Moment ihre Wahrheit. „Die Interpretation, dass der Antigen-Lolli-Test deshalb schlecht ist, beziehungsweise nicht richtig funktioniert, ist aber eine falsche Annahme.“
Test bescheinigt AmonMed-Produkt hohe Sensitivität
Der Test von AmonMed, der seit Januar vom Land an Kitas versendet wird, sei im Gegenteil sehr gut, ebenso der vorher verwendete Schnelltest von Wantai. Das Paul-Ehrlich-Institut, das Schnelltests auf ihre Sensitivität hin untersucht und einordnet, kommt ebenfalls zu diesem Schluss: Der AmonMed-Test erkennt demnach in der Überprüfung bei einer sehr hohen Viruslast eine Corona-Infektion zu hundert Prozent.
87 Prozent Sensitivität sind es bei einer hohen Viruslast und immerhin 30 Prozent bei einer geringen und nach den Maßstäben der Medizin als nicht mehr infektiös geltenden Virusmenge in der Probe. Das Paul-Ehrlich-Institut listet für viele andere Antigen-Schnelltests bei einer geringen Viruslast eine Sensitivität von null Prozent.
Warum scheitert der Lolli bei manchen Infektionen?
„Die Verteilung der Viren im Nasen- und Mundbereich variiert, und so wird es immer die Situation geben, in denen der eine oder andere Test keine Infektion erkennt“, so Dr. Thomas Castner. Ein PCR-Test etwa, der eine niedrigere Nachweisgrenze als ein Antigen-Schnelltest hat, erkenne eine Infektion schon zu einem frühen Zeitpunkt. Der Antigen-Schnelltest mit Nasenabstrich liefere schon kurz darauf positive Ergebnisse.
„Der Antigen-Lolli-Test mit einer Entnahme der Probe aus dem Mund detektiert eine Infektion etwa am dritten bis vierten Tag der Infektion. Die Tücke des Corona-Virus ist aber, dass Patienten schon zu Beginn der Erkrankung infektiös sein können“, erläutert Dr. Castner. Viren finden sich laut ihm zuerst im Nasenbereich, wenn die Virenlast dort schon wieder sinke, dann finden sich Viren oftmals - aber eben auch nicht immer - in ausreichender Zahl im Mund.
Mund ist schlechteste Wahl, aber besser als kein Test
„Speicheltests sollten nur dann verwendet werden, wenn wirklich kein Nasentest bei der Person durchführbar ist, also etwa bei kleinen Kindern oder Menschen mit einer Behinderung. Wenn ein Test zumindest im vorderen Nasenbereich toleriert wird, sollte dieser bevorzugt angewendet werden, da in der Nase eine höhere und gleichbleibende Viruskonzentration zu erwarten ist. “, erklärt Dr. Thomas Castner.
Im Bereich von Nasen-Hinterwand und dem Rachen hinter dem Zäpfchen haften die Viren an den Zellen, dort habe man eine besonders hohe Konzentration. Die Entnahme dort ist aber unangenehm, vor allem für Kinder. „Der Mund ist zwar die schlechteste Abnahmestelle für einen Abstrich von allen, weil hier auch die Virus-Konzentration am schlechtesten ist, aber am Ende ist das natürlich trotzdem immer noch besser als kein Test.“
Castner rät: „Eltern sollten den Abstrich für den Antigen-Lolli-Test morgens vor dem Zähneputzen und dem Frühstück entnehmen, sobald die Kinder etwas trinken, führt das zu einer Abnahme der Viruslast im Mundraum und verfälscht unter Umständen das Test-Ergebnis.“

Ist die Taschentuch-Idee aus Lünen tatsächlich eine Chance für sicherere Ergebnisse in den Kita-Tests? © Daniel Magalski
Taschentuch-Test als neue Idee?
Die Lolli-Tests seien, ebenso wie alle anderen Antigen-Tests, dazu da, um Infektionsketten möglichst früh zu erkennen und unterbrechen zu, verhinderten aber nicht vollkommen neue Infektionen. Dr. Thomas Castner: „Um Infektionen zu verhindern, müssten alle Menschen alle zwei Tage einen PCR-Test machen, aber das ist natürlich eine vollkommen unrealistische Annahme.“
Wenn Kinder nicht zulassen, dass das Stäbchen zum Sekret in die Nase kommt, kann dann nicht das Sekret zum Stäbchen kommen? Wir fragen Castner: „Könnten Kinder sich nicht einfach die Nase putzen und die Eltern reiben das Stäbchen dann über das Sekret im Taschentuch?“ „Die Idee ist gut, da beim Nase putzen auch Sekret aus dem hinteren Nasenbereich nach vorne geholt wird“, antwortet Castner und informiert noch am Sonntag eine Gruppe von Medizinstudenten.
Nasenabstrich noch ohne Zulassung
„Die Medizinstudenten haben sich im Rahmen eines Ausbruchs mit Corona infiziert und sind Teilnehmer einer unserer Fallstudien. Die Probanden werden nun neben weiteren Arten der Abstrich-Entnahme die Nase in ein handelsübliches Taschentuch schnäuzen und mit dem Material den AmonMed-Test durchführen“, schildert Castner. Ergebnisse aus diesem Versuch erwartet er zum Ende der Woche.
Anwendungsbeobachtungen hätten aber bereits gezeigt, dass der AmonMed-Test auch im Nasenabstrich funktioniere - im Moment fehlt aber noch die offizielle Zulassung für nasale Abstriche.
Der Kreis Unna ist meine Heimat, im Beruf wie im Privaten. Die Geschichten der Menschen in Lünen und Selm zu erzählen, das ist seit über zwanzig Jahren meine Leidenschaft - und für die Ruhr Nachrichten schaue ich auch gerne über die Grenzen nach Nordkirchen und Olfen.