Donna Leon lebt mittlerweile in der Schweiz. Am 15. März kommt sie zu einer Lesung ins Lüner Hilpert-Theater.

© Jürg Waldmeier

Donna Leon: Kenne Brunetti genau, aber er bleibt ein Mann aus einem Buch

rnLesung in Lünen

Donna Leon ist eine der erfolgreichsten Krimi-Autorinnen. Ihr Commissario Brunetti ermittelte schon in 31 Bänden. Sie kommt zu einer Lesung nach Lünen und hatte vorher Zeit für ein Interview.

Lünen

, 08.03.2022, 19:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Vor 30 Jahren schrieb Donna Leon ihren ersten Kriminalroman um den venezianischen Commissario Brunetti, in wenigen Wochen wird der 31. Band „Milde Gaben“ erscheinen. Die Amerikanerin (79) stellt ihre neuesten Bücher am Dienstag (15.3.) um 19.30 Uhr im Lüner Heinz-Hilpert-Theater beim Festival „Mord am Hellweg“ vor. Mit dabei ist auch Schauspielerin Annett Renneberg, die die Signora Elettra in den inzwischen eingestellten Brunetti-Verfilmungen der ARD spielte. Sie liest den deutschen Part aus Band 30 „Flüchtiges Begehren“, die Autorin den englischen Originalpart. Ein paar Tage vor dem Besuch in Lünen hatte Donna Leon Zeit für ein Interview.

Hätten Sie, als Sie das erste Brunetti-Buch schrieben, jemals erwartet, dass es nun den 31. Fall für den Commissario gibt?

Niemals. Wenn mir das damals jemand gesagt hätte, dann hätte ich ihn ausgelacht. Aber die Leser mögen Brunetti und seine Fälle. „Milde Gaben“, der 31. Band, erscheint in Deutschland am 25. Mai.

Arbeiten Sie schon wieder am nächsten Krimi?

Das 32. Brunetti-Buch ist von meiner Seite aus fast fertig. Die Verlage brauchen auch ihre Zeit, um die Bücher ins Spanische und Deutsche zu übersetzen. Denn die Krimis sollen möglichst zeitgleich mit den englischen Ausgaben in Großbritannien und den USA erscheinen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Brunetti im Laufe der Jahre geworden, ist er eine Art fiktiver Freund für Sie?

Vielleicht würde ich ihn als Freund bezeichnen, aber nur, weil ich ihn sehr gut kenne. Wenn er mit unterschiedlichen Menschen spricht, weiß ich natürlich genau, wie er mit diesen Leuten redet, auf ganz verschiedene Art und Weise und auch warum er das tut. So wie ich es auch bei realen guten Freunden weiß. Aber er bleibt weiterhin ein Mensch in einem Buch, ich würde nicht auf die Idee kommen, plötzlich mit ihm zu reden.

Donna Leon war 2012 im Lüner Theater mit ihren Brunetti-Krimis zu Gast. Jetzt ist sie wieder im Rahmen von „Mord am Hellweg“ in der Lippestadt.

Donna Leon war 2012 im Lüner Theater mit ihren Brunetti-Krimis zu Gast. Jetzt ist sie wieder im Rahmen von „Mord am Hellweg“ in der Lippestadt. © Frank Bock (Archiv)

Sie haben lange in Venedig gelebt, sind vor einiger Zeit in die Schweiz gezogen. Warum haben Sie die Lagunenstadt verlassen?

Venedig hat etwa 50.000 Einwohner, und jedes Jahr - wenn nicht gerade Pandemie ist - kommen 30 Millionen Touristen. Das heißt pro Einwohner 60 Touristen, stellen Sie sich das für Ihre Stadt einmal vor. Es wurde mir einfach zu voll. Es gab keinen Moment der Stille mehr. Ich weiß noch, wie es vor 50 Jahren war, als man in Ruhe durch die Straßen gehen konnte. Jetzt ist es so wie in London auf der Oxford Street am Heiligabend. Ich besuche Venedig aber nach wie vor ab und zu.

Fühlen Sie sich in Ihrer neuen Wahlheimat, der Schweiz, wohl nach so vielen Jahren in der Lagunenstadt?

Auf jeden Fall. Ich bin auch seit zwei Jahren Schweizer Staatsbürgerin. Hier lebe ich in einem kleinen Dorf mit gerade mal 350 Einwohnern, wo sich auch jeder kennt.

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Wissen Sie, wie es in Venedig in der Pandemie, in den Lockdowns war?

Freunde haben mir erzählt, dass es wie in den 60er-Jahren war, keine Boote, keine Wassertaxis, keine Menschen - sie haben mir Fotos geschickt und die Stadt war leer. Jetzt wird es wieder voller. Die Politiker behaupten zwar immer, sie wollen nicht so viele Touristen, doch sie tun alles dazu, immer mehr Touristen in die Stadt zu holen, des Geldes wegen.

Donna Leon hat mittlerweile schon den 32. Brunetti-Krimi geschrieben. Nr. 31 erscheint in wenigen Wochen.

Donna Leon hat mittlerweile schon den 32. Brunetti-Krimi geschrieben. Nr. 31 erscheint in wenigen Wochen. © Jürg Waldmeier

Wenn Sie nun nicht mehr in Venedig leben, gibt es die Brunetti-Krimis mittlerweile dann doch auf Italienisch?

Nein, es wird sie auch nicht auf Italienisch geben. Ich hatte nur zwei schlechte Erlebnisse mit den Büchern in all den Jahren. Es waren Nachbarinnen von mir, zwei ältere Damen, die nur italienisch sprachen. Sie schimpften über die Bücher, weil sie in einer Zeitung gelesen hatten, dass eine Amerikanerin etwas über Korruption in ihrem Lande geschrieben hat. Ich bin inzwischen einfach zu alt, um mir diese Art von Ärger anzutun.

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Mögen Sie Lese-Reisen und Lesungen vor Publikum, so wie in Lünen beim Festival „Mord am Hellweg“?

Ja, sehr. Es ist einfach schön, das Gefühl zu bekommen, warum die Menschen die Bücher mögen. Ich weiß auch, dass sie Signorina Elettra mögen. Schauspielerin Annett Renneberg hat diese Rolle gespielt und liest auch wieder den deutschen Part bei der Lesung. Ich habe sie vor 20 Jahren kennengelernt und wir sind Freundinnen geworden.

Annett Renneberg bei der Lesung 2012 im Lüner Theater. Die Schauspielerin kommt auch wieder zu der Veranstaltung.

Annett Renneberg bei der Lesung 2012 im Lüner Theater. Die Schauspielerin kommt auch wieder zu der Veranstaltung. © Frank Bock (Archiv)

Haben Sie noch weitere Pläne mit Lesungen außer dem Auftritt bei „Mord am Hellweg“?

Ich werde auch beim internationalen Literaturfestival „Lit:Cologne“ in Köln lesen. Dann geht es nach London, wo der 31. Fall „Give Unto Others“ (Deutscher Titel „Milde Gaben“) gerade erschienen ist. Und im Juni steht noch eine kleine Lesereise an. Ich freue mich schon sehr auf den Besuch in London, denn ich habe zwei Jahre lang wegen der Pandemie keine englischsprachige Buchhandlung mehr besucht. Im Internet wollte ich keine Bücher bestellen, deshalb hat jetzt eine Londoner Buchhandlung eine lange Liste von mir bekommen.

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Der Krieg in der Ukraine mit hunderttausenden von Flüchtlingen bestimmt derzeit das Leben in Europa. Wäre der Krieg oder auch die Pandemie ein Thema für eines Ihrer nächsten Bücher?

Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, mich sechs Monate lang beim Schreiben mit Krieg zu beschäftigen, denn es ist so schrecklich. Ich werde auch nie über Verbrechen an Kindern oder über Kidnapping schreiben, diese Themen würden mich zu sehr aufwühlen.

Die Lesung mit Donna Leon und Annett Renneberg findet am 15. März um 19.30 Uhr im Heinz-Hilpert-Theater, Kurt-Schumacher-Str. 39, statt, Karten gibt es im Kulturbüro Lünen, Tel. (02306) 104 22 99, Mail: kulturbuero@luenen.de