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Demenzkranke dürfen erstmals wählen: Das sagt ein Lüner Altenheim-Chef
Bundestagswahl 2021
Zum ersten Mal dürfen bei der Bundestagswahl auch Demenzkranke wählen. Eine demokratische Entscheidung. Doch was sagt ein Fachmann, der tagtäglich mit Demenzkranken in Lünen arbeitet?
Demenzkranke durften bislang nicht an Wahlen teilnehmen. Das neue Wahlrecht sieht nun aber vor, dass Menschen, die dement sind, durchaus wählen gehen dürfen. Zum ersten Mal am Sonntag (26.9.), wenn der neue Bundestag gewählt wird.
Natürlich ist es auch in Lünen möglich, dass Menschen mit dementiellen Veränderungen ihr Kreuzchen bei dem Kandidaten und der Partei ihrer Wahl machen. Wenn sie nicht alleine ins Wahllokal gehen können, soll sie jemand begleiten.
Diesmal kein Wahllokal
Dirk Kreimeyer leitet das evangelische Altenzentrum in Lünen-Süd und sieht das neue Wahlrecht als schwierig an. „Wir haben Bewohnern, die wählen gehen wollen, schon immer ermöglicht, das auch zu tun“, so Kreimeyer.
Vor Corona war das einfacher, denn da diente das evangelische Altenzentrum auch als Wahllokal. Wegen der Pandemie und um die betagten Bewohner zu schützen, ist das Gebäude diesmal kein Wahllokal. Die alten Herrschaften müssen also zum Wahllokal zumindest begleitet werden.

Dirk Kreimeyer hat seine eigene Meinung zum neuen Wahlrecht. Er leitet seit vielen Jahren das evangelische Altenzentrum an der Bebelstraße. © Beate Rottgardt (Archiv)
„Wenn Angehörige da sind und das übernehmen können, ist es am besten. Aber wenn keine Angehörigen da sind und Bewohner wählen wollen, dann kümmern wir uns darum, dass sie zum Wahllokal begleitet werden“, so Kreimeyer.
Demenzkranke, die am Anfang der Krankheit stehen und nur minimal durch eine Alzheimer-Erkrankung beeinträchtigt sind, können sicher, so Kreimeyer, problemlos ihr Wahlrecht ausüben. „Sie wissen, was eine Wahl ist und auch, wen sie wählen wollen.“
Problem bei schweren Fällen
Bei schweren, also weiter fortgeschrittenen, Fällen von Demenz sieht Kreimeyer jedoch die Gefahr, dass Wahlmissbrauch Tür und Tor geöffnet werden. „Wenn den Demenzkranken jemand in die Wahlkabine begleiten muss, dann kann er ihn ja auch lenken, damit er dort sein Kreuzchen macht, wo es der Begleiter am liebsten hätte.“ Denn bei weiter fortgeschrittener Demenz weiß der Erkrankte meist nicht mal mehr, was eine Wahl bedeutet oder was der Bundestag ist. Und kann sich auch nicht erinnern, welcher Partei er früher gewählt hat.
Im evangelischen Altenzentrum ist der Großteil der Bewohner dementiell verändert - in verschiedenen Stufen. Lediglich etwa zehn Prozent der Bewohner sind körperlich und nicht dementiell eingeschränkt.
Kaum Anfragen von Angehörigen
Die Bundestagwahl sei derzeit kein großes Thema im Altenzentrum - weder bei den Bewohnern, noch bei Angehörigen oder Betreuern. „Einzelne, die die Wahlbenachrichtigung erhalten haben, wollen gerne wählen und das werden wir ihnen auch ermöglichen,“ so der Einrichtungsleiter. Aber von einer großen Anfrage auch von Seiten der Angehörigen her, könne nicht die Rede sein.
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
