Am Samstag (12.11.) hatten viele Lünerinnen und Lüner Post im Briefkasten. Absender: die Stadt Lünen. In dem Umschlag lag die Wahlbenachrichtigung für einen besonderen Urnengang am 11. Dezember. Alle Lünerinnen und Lüner ab 16 Jahren, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder die eines anderen EU-Landes, sind aufgerufen, abzustimmen: nicht etwa über die Zusammensetzung eines Parlaments, sondern über die Zukunft zweier Freiflächen am neuen Autobahnanschluss Lünen-Süd.
Protest gegen Ratsentscheidung
Sollen das 6,7 Hektar große Klötersfeld und die 7,3 Hektar unbebaute Fläche an der Derner Straße – beide sind nur durch die Bahnlinie getrennt – Acker- und Naturland bleiben oder Standorte für Gewerbeansiedlungen werden? Der Lüner Stadtrat hatte bereits darüber entschieden: pro Gewerbeansiedlung. Dieses Votum war auf lauten Protest gestoßen - nicht nur bei Natur- und Umweltschützern, sondern insbesondere auch bei Anwohnern des Lüner Südens, die wegen der zusätzlichen Versiegelung eine wachsende Überflutungsgefahr für ihre Häuser befürchten. Die Gegnerinnen und Gegner der Ratsentscheidungen für eine Bebauung haben breite Unterstützung mobilisiert - und Unterschriften gesammelt.
5460 Lünerinnen und Lüner unterschrieben für einen Erhalt der Freifläche Klötersfeld und 5185 für den Erhalt der Fläche an der Derner Straße - mehr als genug, damit ihr Bürgerbegehren Gültigkeit erlangte: Der Stadtrat musste sich ein zweites Mal mit dem Thema beschäftigen. Allerdings kamen die gewählten Bürgervertreterinnen und -vertreter mehrheitlich wieder zum gleichen Ergebnis: pro Bebauung. In so einem Fall sieht die Gemeindeordnung den Bürgerentscheid vor: eine Abstimmung aller Wahlberechtigten - entweder am Sonntag, 11. Dezember, persönlich in den Wahllokalen oder schon jetzt nach Erhalt der Wahlunterlagen per Briefwahl.
43 Gesichter abgebildet
Nicht nur die Wahlunterlagen steckten bei vielen bereits im Briefkasten, sondern auch Karten, mit denen die Initiatoren des Bürgerentscheids zur Teilnahme an der Wahl am dritten Adventssonntag aufrufen. „Die Mehrheit der Lüner Politik will trotz des ausgerufenen Klimanotstands (...) zulassen, wertvolles Naturland auf dem Klötersfeld und an der Derner Straße mit Industrie- und Gewerbegebieten zu überbauen“, steht darauf. Und in dicken Lettern: „Wir LünerInnen können das stoppen.“
Auf der Rückseite sind 43 Männer und Frauen abgebildet, die genau diesen doppelten Planungsstopp fordern: sowohl für ein Industriegebiet im Klötersfeld, das die Harpen Immobilien GmbH, die Eigentümerin der Fläche, bauen und vermieten will, als auch für ein Gewerbegebiet an der Derner Straße, in dem das Lüner Wirtschaftsförderungszentrum (WZL) kleinere Gewerbebetriebe ansiedeln möchte.

Die 43 Abgebildeten, die zweimal Ja stimmen wollen - nämlich für die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses des jeweiligen Bebauungsplans - stammen aus ganz Lünen. Unter ihnen sind ein Rechtsanwalt, eine Pfarrerin, ein Tankstellenbetreiber, eine Studentin und ein Tierarzt. Ihre Gesichter sind auch auf den großen Wahlplakaten zu sehen, die seit dem Wochenende überall im Stadtgebiet stehen.
Wahlbeteiligung entscheidet
Die vor mehr als 30 Jahren gegründete Bürgerinitiative gegen die Müllkippe Dortmund Nordost, die sich in unmittelbarer Nähe beider Flächen befindet, organisiert den Wahlkampf. Das Wichtigste sei es jetzt, die Menschen zu mobilisieren, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, sagt die Vorsitzende Marina Lorson. Denn entscheidend sei nicht nur, dass am 11. Dezember die Mehrheit mit „Ja“ stimmt, sondern auch dass genügend mitmachen. Die Mehrheit muss mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten betragen. Durch eine niedrige Abstimmungsbeteiligung könnte der Entscheid also scheitern.
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