Bücher in Zeiten des veränderten Medienkonsums: Was nach Harry Potter beliebt ist

Zum Kinderbuchtag

In dieser Woche war Internationaler Kinderbuchtag. Aber lesen Mädchen und Jungen überhaupt noch? Und wenn ja, was? Eine Lüner Buchhändlerin gibt Antworten.

Lünen

, 04.04.2019, 13:12 Uhr / Lesedauer: 3 min
Maike Westbrock (l.) und Heidi Vakilzadeh geben einen Einblick in aktuelle Kinder- und Jugendbuchtrends.

Maike Westbrock (l.) und Heidi Vakilzadeh geben einen Einblick in aktuelle Kinder- und Jugendbuchtrends. © Kristina Gerstenmaier

Eine Mischung aus aktuell brisanten Themen, fantastischer Realität, kreativ vermitteltem Sachwissen und gemixten Medienformen ist es, die Kinder und Jugendliche momentan zum Lesen bringt. Vielfalt also anstelle eines Bestsellers: „Einen Harry-Potter-Effekt gibt es zur Zeit nicht“, sagt Heidi Vakilzadeh, Inhaberin der Lippe Buchhandlung.

Anlässlich des Internationalen Kinderbuchtages am 2. April berichtet die Buchhändlerin, was vonseiten ihrer jüngerer Kunden derzeit nachgefragt und von Verlagen in Umlauf gebracht wird. Dabei betont sie: „Anders als bei Erwachsenenbüchern, vor allem bei Krimis, spielt es bei Kinder- und Jugendbüchern eigentlich keine Rolle, aus welchem Land sie kommen. Sie müssen einfach schön sein.“

Auch Erwachsene entdecken Jugendbücher

Im Bereich der Jugendliteratur sind es - dank der Schüler-Klimaschutzbewegung - Umweltthemen, die in Romanen verarbeitet werden. So wird zum Beispiel „Die Bienenkönigin“ von Claudia Praxmayer (ab 14 Jahren), ein Jugend-Thriller, in dem es um Bienensterben geht, derzeit gerne gekauft. Auch die Auseinandersetzung mit den modernen Medien und die damit verbundene Schnelllebigkeit spiegelt sich im Leseverhalten der Jugendlichen wider: Auch der Roman „Offline ist es nass, wenn`s regnet“ von Jessi Kirby (ab 14), das die Geschichte einer 18-Jährigen erzählt, die ganz ohne Handy mit dem Rucksack loszieht, wird gerne gekauft.

Quer durch die Altersklassen

Ein Effekt, den der Harry-Potter-Hype hatte, sei, so Vakilzadehs Kollegin Maike Westbrock, dass immer mehr Bücher quer durch alle Altersklassen, „All-Age“, gelesen würden. „Seit Harry Potter haben auch Erwachsene das Jugendbuch für sich entdeckt“, sagt sie. So wie ihren derzeitigen Favoriten aus der Sparte Jugendliteratur: „Ellingham Academy - Was geschah mit Allice“ von Maureen Johnson (ab 13). In dem Roman, „der Jugendliche und auch Erwachsene fesselt“, wie Westbrock sagt, geht es um begabte Internatsschüler, die versuchen einen historischen Kriminalfall zu lösen.

Jugendliche lesen weniger

„Insgesamt“, weiß Buchhändlerin Heidi Vakilzadeh, „lesen Jugendliche, dadurch dass sie immer mehr mit den Neuen Medien konfrontiert werden, immer weniger. Auch wenn sie als Kinder vorher gerne gelesen haben, hören viele von ihnen einfach auf, sobald sie mit anderen Medien in Berührung kommen.“ Verlage versuchten das über besonders aufmerksamkeitserregende Cover aufzufangen. „Die Deckblätter haben sich deutlich verändert“, sagt Vakilzadeh, „das ist wie dieses ‚das Auge isst mit‘ beim Kochen.“ Ebenso gibt es viele Klassiker, wie Pippi Langstrumpf oder Räuber Hotzenplotz, die komplett neu illustriert wurden und so neue Leser gewinnen wollen. Und ein weiterer, ganz neuer, Bereich seien die Beiträge von Youtubern und Bloggern, die auf den Buchmarkt drängen und versuchten, die Jugendlichen innerhalb ihrer Lebenswelt abzuholen.

Immer neue Bände in der gleichen Reihe

Bei der Literatur für etwas jüngere Leser liegen Bücher im Trend, die Nicht-Leser zu Lesern machen wollen. So zum Beispiel die Comic-Roman-Reihen „Gregs Tagebuch von Jeff Kinney (ab 10, Band 13 erscheint am 12. April) oder „Mein Lotta-Leben“ von Alice Pantermüller und Daniela Kohl (ab 8, inzwischen gibt es 15 Bände).

Aber auch literarisch anspruchsvollere Bücher sind gefragt, wie „Bitte nicht öffnen: Bissig!“ von Charlotte Habersack (ab 8), in dem der Junge Nemo per Post eine Kiste mit der Aufschrift „Bitte nicht öffnen“ bekommt und sie natürlich öffnet. „Hier vermischen sich Realität mit Fantasie und das Buch ist gleichzeitig witzig und spannend“, beschreibt Maike Westbrock. Auch hier ist bereits ein zweiter Band erschienen.

In dieselbe Sparte lässt sich die Reihe „Die Schule der magischen Tiere“ von Margit Auer (ab 8) einordnen. Im Mittelpunkt der inzwischen zehn Bände steht eine Schulklasse, die nach und nach von dem Bruder ihrer Lehrerin sprechende Tiere geschenkt bekommt, die ihnen zu besonderen Gefährten werden.

Und auch solche Bücher, die „Sachwissen krativ vermitteln“, wie „Der kleine Major Tom“ eine Weltraumgeschichte von Bernd Fessler (ab 7) oder „Wie Tiere denken und fühlen“ von Karsten Brensing (ab 9), treffen den Nerv der Zeit.

Bei Bilderbüchern braucht es nicht immer Neues

Bei den Büchern für die ganz Kleinen sind es nach wie vor diejenigen, die möglichst viele Sinne ansprechen, wie Fühlen, Hören und hinter Klappen etwas zu entdecken, die nachgefragt werden. Neu auf den Markt kommt bald ein Stift mit Aufnahmefunktion, sodass man Buchseiten aufsprechen und später wieder vorlesen lassen kann.

Dauerbrenner bei den Kinderbüchern: Wimmelbücher.

Dauerbrenner bei den Kinderbüchern: Wimmelbücher. © Kristina Gerstenmaier

Ungebrochen im Trend liegen jedoch Wimmelbücher. Heidi Vakilzadeh empfiehlt die Jahreszeiten-Bücher von Rotraut Susanne Berner oder die Tag-und-Nacht-Bilderbücher von Kerstin M. Schuld. „Im Bilderbuchmarkt muss es nicht immer neu sein“, sagt sie. „Diese Bücher sind auch noch für etwas Ältere toll. Sie erzählen nur mit Bildern ganze Geschichten und es lässt sich immer etwas Neues entdecken. Und dazu sind sie noch wirklich kommunikationsfördernd.“

Heidi Vakilzadehs liebste Empfehlung: Ein Märchenbuch zum Lesen, Erzählen und Schauen.

Heidi Vakilzadehs liebste Empfehlung: Ein Märchenbuch zum Lesen, Erzählen und Schauen. © Kristina Gerstenmaier

Ihr eindeutiger Favorit ist aber ein Buch, das Vorlesen und Erzählen anhand von Bildern vereint: „Meine wunderbare Märchenwelt. Die schönsten Märchen der Brüder Grimm.“ Zu jedem Märchen gibt es darin eine Doppelseite, die dazu animiert, das Gelesene anhand des detailreichen Bildes noch einmal nachzuerzählen.

Aktionstag

Der Internationale Kinderbuchtag

Seit 1967 gibt es den Internationalen Kinderbuchtag, der ins Leben gerufen wurde, um die Freude am Lesen zu unterstützen und die internationale Verständigung durch Kinder- und Jugendliteratur und die Verbreitung hochwertiger Kinderbüchern zu fördern. Zu Ehren des dänischen Märchenerzählers Hans Christian Andersen wurde sein Geburtstag gewählt. In diesem Jahr stand der Tag unter dem Motto „Books help us slow down“.