Niederaden
Backtradition endet an Kreisstraße: Zuletzt bruzzelte im Ofen ein Ferkel
Der Ofen ist aus. Neun Stunden hat er im Adener Café in Niederaden noch geglüht, bevor die Bäckerei für immer schloss. Gebacken wurde kein Brot, sondern ein Ferkel. Für einen besonderen Anlass.
Es war ein Kraftakt. Mit Gepolter rutschte der tonnenschwere Backofen auf die Ladefläche des Transporters. Fast den ganzen Tag hatte Ulrich Hilgert mit seinen Helfern das Herzstück des Adener Cafés an der Kreisstraße in Niederaden demontiert. Das ging nicht ohne Flex.
Die Geschichte des Ofens ist wechselvoll. Gebacken hat er schon an der Alsenstraße, zwischenzeitlich war er sogar einmal verkauft und wieder zurückgekauft worden. Jetzt kam das große Elektro-Gerät auf den Schrott. In fünf Herden konnten 60 Brote oder 300 Brötchen gleichzeitig gebacken werden. Der Ofen war einer der kleineren der einstigen Hilgert-Bäckereien. Das Adener Café nutzte nur noch einen Herd davon. Seit Sonntag (16.10.) ist es dicht. Die Baustelle vor der Haustür hatte ihm den Rest gegeben. Damit ist die Bäckereitradition an der Kreisstraße endgültig zu Ende.
Mit Wehmut schaut Ulrich Hilgert, Bäckermeister und seit vier Jahren Privatier, allerdings nicht zurück. Er blickt nach vorn. Denn es geht weiter, auch ohne Ofen.
Zuletzt heizte er einem 25 Kilogramm schweren Spanferkel ein: Ulrich Hilgert feierte am Samstag (15. Oktober) in seinen 67. Geburtstag. Seine Gäste waren begeistert. Das Fleisch sei der Hit gewesen. Wie es der Zufall will: Am gleichen Tag hat auch Nachfolger Alfredo Varlese (49) Geburtstag.
Der alte Backofen mit fünf Herden wird verladen. © Quiring-Lategahn
Der will aus dem ehemaligen Adener Café ein italienisches Feinkostgeschäft mit Bistro machen. Espresso aus der italienischen Kaffeemaschine, dazu erlesene Weine, Bio-Obst direkt von italienischen Landwirten, Öle oder Büffel-Mozarella aus Neapel sollen neben Schinken-und Käsespezialitäten das Flair aus dem beliebten Urlaubsland in die heimische Küche holen. Alfred Varlese weiß: Die Deutschen kochen gerne italienisch und suchen besondere Zutaten dafür.
Italienische Feinkost ab Mitte November
In dem angeschlossenen Bistro wird es künftig auch italienische Snacks geben. „La Dispensa Italiana“ soll es heißen, zu deutsch italienische Speisekammer. Neben Alfredo Varlese werden dort Samuele Carmelo Scarvaglieri und Maria Rosa Nicolosi tätig sein. Ein weiterer Partner in Italien ist Emanuele Finizio. Für Mitte November ist die Eröffnung geplant, vorher wird renoviert.
Italienische Feinkost in direkter Nachbarschaft sieht Verena Hilgert, die mit ihrem Mann Christian seit 2009 den Party-und Cateringservice Tasty betreibt, als perfekte Ergänzung.
Bevor sich Alfredo Varlese für die Kreisstraße entschied, hatte Ulrich Hilgert bei anderen Bäckereien für eine Nachfolgelösung angefragt. „Doch in der jetzigen Zeit wollte niemand eine Filiale eröffnen“, berichtet er. Lang und wechselvoll ist die Geschichte der Bäckerei Hilgert. Vor über hundert Jahren gründete Großvater Anton Hilgert 1919 in Wattenscheid eine Bäckerei. Zwei Jahre später richtete er an der Kreisstraße eine Backstube ein. Der Anfang begann mit Tränen: Am Eröffnungstag verkaufte der neue Bäcker nur drei Kassler-Brote. Großmutter Anna weinte. Alle restlichen Backwaren brachte Anton dann per Kutschwagen herum. Es war eine harte Zeit.
Aus dem geschlossenen Adener Café soll ein italienischer Feinkostladen werden. Darauf freuen sich (v.l.) Maria Rosa Nicolosi, Samuele Scarvaglieri, Ulrich Hilgert, Sandra und Alfredo Varlese. © Quiring-Lategahn
Von der Blüte bis zur Pleite
Sohn Willi Hilgert übernahm 1959, 15 Jahre später stiegen die Zwillingssöhne Ulrich und Klaus mit ein. Sie machten 1978 ihre Meisterprüfung und übernahmen 1987 den Betrieb.
Die Bäckerei wurde größer. 1993 eröffneten die Hilgerts an der Scharnhorststraße eine Großbäckerei, die mittlerweile zehn Filialen beliefert. Bis auf 30 Läden wuchs die Hilgert-Kette. Zwischenzeitlich war der jetzt abgebaute Backofen angeschafft worden. Von der Alsenstraße wechselte er 1993 in die zwischenzeitlich eröffnete Partyküche an die Kreisstraße.
Noch hängen die Meisterbriefe an der Wand, doch jetzt endet die Backtradition an der Kreisstraße. © Quiring-Lategahn
Die Brüder zerstritten sich, es folgte die Pleite. 2000 verkaufte Hilgert den Ofen, um ihn fünf Jahre später zurückzukaufen für die dann kleinere Bäckerei, die in dem umgebauten Reweladen eröffnete. Das alles ist längst Vergangenheit, wie jetzt auch der Ofen.
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