Bei der Ausbildung von Flüchtlingen, gibt es viel zu beachten. Amtsgänge, Sprachschwierigkeiten, Nachhilfe. Dass sich der Aufwand lohnt, zeigt ein Azubi bei der Firma Baasner in Lünen.

Lünen

, 10.02.2020, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wenn Charles Ilesanmi von seiner Arbeit erzählt, dann lächelt er immer wieder. Nicht, weil sein Beruf überaus lustig wäre. Auch nicht, weil er sich darüber lustig machen will. Sondern weil er seinen Job gerne macht. Aber auch, weil sich so seine Chancen verbessern, in Deutschland bleiben zu dürfen.

Als Auzubildender im Betrieb von Norbert und Andrea Baasner in Lünen lernt Ilesanmi, den hier alle Charles nennen, das Handwerk des Gartenlandschaftsbauers. Für alle Beteiligten, und davon gibt es in diesem Fall schon ein paar, ist das ein großer Erfolg.

Denn Ilesanmi kam als Flüchtling aus Nigeria nach Lünen. Kein Pass, keine Zeugnisse, keine Deutschkenntnisse. Dennoch war für ihn schon während des Sprachkurses beim Multikulturellen Forum schnell klar, dass er eine Berufsausbildung machen wollte.

Charles Ilesanmi aus Nigeria macht eine Ausbildung zum Gartenlandschaftsbauer im Betrieb von Norbert und Andrea Baasner.

Charles Ilesanmi aus Nigeria macht eine Ausbildung zum Gartenlandschaftsbauer im Betrieb von Norbert und Andrea Baasner. © Matthias Stachelhaus

Ausbildungssuche ohne Dokumente

Er fragte seine Betreuerin nach Möglichkeiten. „Das war gar nicht so leicht“, sagt Hatice Müller-Aras vom Multikulturellen Forum dazu. Denn neben den fehlenden Papieren kam noch das relativ hohe Alter von Ilesanmi als Hindernis hinzu.

Aufgrund der Ausgangssituation war klar: In einem handwerklichen Beruf könnte es die besten Chancen geben. Bei der Suche nach einem Unternehmen, das sich auf dieses Abenteuer einlassen wollte, kam Ilesanmi und dem Multikulturellen Forum auch eine glückliche Fügung zur Hilfe.

Denn Janis Küçük, Sohn von „MultiKulti“-Gründer Kenan Küçük, sammelte 2018 Praxis beim Forum, für das eigene Studium. Er erzählte seinem Freund Fabian Baasner von der Suche nach einer geeigneten Ausbildungsstelle für den Nigerianer.

Andrea Baasner, Charles Ilesanmi, Hatice Müller-Aras, Norbert Baasner (v.l.n.r.) arbeiten zusammen, damit die Ausbildung zum Gartenlandschaftsbauer für den Nigerianer ein Erfolg wird.

Andrea Baasner, Charles Ilesanmi, Hatice Müller-Aras, Norbert Baasner (v.l.n.r.) arbeiten zusammen, damit die Ausbildung zum Gartenlandschaftsbauer für den Nigerianer ein Erfolg wird. © Matthias Stachelhaus

„Unser Sohn hat uns dann gefragt, ob wir es nicht versuchen wollen“ sagt Norbert Baasner. Multikulti habe in Baasners Firma schon eine gewisse Tradition. Menschen aus acht verschiedenen Nationen arbeiten in dem Betrieb mit 31 Mitarbeitern.

Hohe Motivation versus Sprachschwierigkeiten

Nachdem Ilesanmi eine Woche lang zur Probe gearbeitet hatte, sei Baasner klar gewesen, dass man ihn ausbilden wolle. „Er war unglaublich motiviert“, sagt Norbert Baasner.

„Er sprach da zwar noch sehr schlecht Deutsch, das war im Nachhinein aber gar kein Problem.“ Zu Beginn habe man sich mit Englisch beholfen, mittlerweile wird nur noch Deutsch gesprochen.

Ilesanmis Motivation ist auch fast zwei Jahre später noch ungebrochen. Jeden Morgen um 5.45 Uhr kommt Norbert Baasner zur Arbeit und schließt das Eingangstor auf. „Charles wartet da schon auf mich“, sagt er und grinst.

Charles Ilesanmi aus Nigeria macht eine Ausbildung zum Gartenlandschaftsbauer im Betrieb von Norbert und Andrea Baasner.

Charles Ilesanmi aus Nigeria macht eine Ausbildung zum Gartenlandschaftsbauer im Betrieb von Norbert und Andrea Baasner. © Matthias Stachelhaus

Ämter und Kammern dazuholen

Bevor der Ausbildungsvertrag unterschrieben werden konnte, gab es aber zunächst Gespräche. Viele Gespräche. Denn auch Ämter und Landwirtschaftskammer mussten mit ins Boot geholt werden.

Eine Beschäftigungserlaubnis musste beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beantragt werden, zusammen mit der Landwirtschaftskammer braucht es eine Lösung für die fehlenden Schulzeugnisse, die für gewöhnlich nun mal vorliegen müssen.

Mit Hilfe des Multikulturellen Forums ließen sich diese Hürden überwinden. „Wir hätten sonst gar nicht gewusst, wen wir bei den Behörden ansprechen können“, sagt Norbert Baasner.

Auch die Unterstützung der Landwirtschaftskammer habe sehr geholfen. Dort bestand man lediglich darauf, dass die Schulpflicht nicht aufgehoben wird. (Anm. d. Red.: Erwachsene Auszubildende sind in NRW von der Berufsschulpflicht befreit, wenn sie zum Ausbidlungsbeginn über 21 Jahre alt sind.)
Für das Engagement bekam die Firma 2018 eine Sonderehrung beim interkulturellen Wirtschaftspreis.


Projekt ausgelaufen

Das Beispiel zeige, wie wichtig eine Lotsenanlaufstelle für Betriebe sei, die geflüchtete Menschen ausbilden wollen, sagt Hatice Müller-Aras. Dafür brauche es Ressourcen, Know-How und Begleitung bei Praktika und Ausbildung.

Das Projekt des Multikulturellen Forums, das auch die Ausbildung von Charles Ilesanmi möglich gemacht hat, ist allerdings in der Zwischenzeit ausgelaufen. „Wir helfen natürlich trotzdem, so gut wir können“, so Müller-Aras.

Duldung, Aufenthaltserlaubnis und Hochachtung

Ziel der Ausbildung ist aber nicht nur, das soll hier nicht verschwiegen werden, Ilesanmis Berufswunsch zu erfüllen. Währenddessen gilt, unter bestimmten Bedingungen, die sogenannte Ausbildungsduldung. Sprich der Nigerianer wird nicht ausgewiesen. Bei erfolgreichem Abschluss und anschließender Beschäftigung (auch in einem anderen Betrieb) hat er eine Aufenthaltserlaubnis in Aussicht.

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Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Und ein schwerer. Denn für Charles Ilesanmi ist nach Feierabend der Tag noch längst nicht rum. „Montags und mittwochs gehe ich ins Café Neuland“, erzählt er. Ansonsten lerne er täglich nach der Arbeit. Mindestens eine halbe Stunde lang.

„Davor habe ich Hochachtung“, sagt Baasner. Die Arbeit selbst sei schließlich auch schon anstrengend.

Mechaniker auf der Baustelle

Neben dem hohen Engagement kann Ilesanmi aber auch noch mit ganz praktischen Fähigkeiten überzeugen. In seiner Heimat war er Mechaniker. „Für uns ist es unglaublich wertvoll, jemanden auf der Baustelle zu haben, der sich auch mal direkt vor Ort um eine defekte Maschine kümmern kann“, sagt Baasner.

„Charles konnte uns sein Können nicht belegen“, sagt Andrea Baasner, „er hat es uns gezeigt.“