
Ausbildung mit 35 und drei Kindern: „Mein Mann gibt den Hausmann“
Equal Pay Day
Sie hatte Mini-Jobs, bevor sie ihren Mann kennenlernte, dann wurde sie schwanger. Jetzt, mit 35 Jahren und drei Kindern, beginnt Silvana Elberg eine Ausbildung. Ihr Mann bleibt dafür zuhause.
Martina Leyer ist bei der Agentur für Arbeit Hamm die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Dass Frauen in der Arbeitswelt keine Nachteile erfahren und für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten sollten, ist ihr Tagesgeschäft. Und doch, so gibt sie zu, schoss ihr sofort ein Gedanke durch den Kopf, als Silvana Elberg vor ihrem Schreibtisch saß und von ihrem Wunsch erzählte: Sie wollte eine Vollzeitausbildung zur Pflegefachkraft machen, mit drei Kindern zuhause. Martina Leyer fragte nur eins: „Wie soll das gehen?“
Eine Frage, die sich natürlich auch Silvana Elberg und ihr Mann gestellt hatten – und so hatte die 35-Jährige sofort die Antwort parat. „Mein Mann gibt den Hausmann“, erklärte sie. Was dann folgte, ist eine Geschichte, die vielen Frauen Mut machen kann. Gerade am Equal Pay Day, der in diesem Jahr auf den 7. März fällt. Setzt man die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen auf die Tage eines Jahres, haben Frauen bis zum 7. März umsonst gearbeitet, während Männer die ganze Zeit über ihren Lohn erhielten. Ein Problem, das sich auch bei der Altersvorsorge bemerkbar macht.
Ein Vorbild für die Kinder und Unabhängigkeit vom Jobcenter
Geld zu verdienen und endlich vom Jobcenter wegzukommen, war der Antrieb, der Silvana Elberg handeln ließ. „Ich möchte meinen Kindern ein Vorbild sein. Sie sollen sehen, dass man arbeiten gehen muss, um Geld zu verdienen“, sagt Silvana Elberg. Dass der Weg dorthin mitunter schwer ist, hat sie am eigenen Leib erfahren.
Als sie ein Teenager war, erkrankte ihre Mutter schwer, der Stiefvater warf die junge Silvana aus der Wohnung. Den Hauptschulabschluss schaffte sie trotzdem mit der Note 2,6, aber nach dem Tod der Mutter kam sie nicht richtig hoch. „Meine Mutter war für mich der Mensch in dieser Welt“, erzählt sie.

Erst Kinder, dann der Beruf: Das Leben macht es Silvana Elberg nicht leicht. Aber nun ist die 35-Jährige auf dem Weg zu ihrem Traumjob.
Sie jobbte zwar, saß im Real an der Kasse, arbeitete in einer Disco und hatte viele Mini-Jobs, aber nie etwas Festes. Mit 26 Jahren lernte sie ihren heutigen Mann kennen und wurde schnell schwanger. „Da hab ich mich dann auf die Familienplanung konzentriert und die Berufsausbildung hinten angestellt“, sagt sie. „Ich hab`s einfach komplett andersrum gemacht als die meisten.“
Der Papa ist nicht die Mama, aber es läuft
Bereut hat sie das nicht. „Ich habe eine wunderbare Rasselbande. Natürlich können die manchmal stressig sein, aber die ziehen jetzt ganz toll mit.“ Die Jüngste ist inzwischen vier Jahre alt, der Älteste acht. Und was die ersten Jahre Mama machte, macht jetzt Papa. Auch wenn der nicht die Mama ist, läuft alles in der Familie rund. „Auch wenn mein Mann nach ein paar Wochen sagte: ,Uff, so hab ich mir das ja nicht vorgestellt. Ist das anstrengend‘“, verrät Silvana lachend.
Ihr selbst geht das Herz auf, wenn sie nach Hause kommt und die Kinder sie mit einem „Wir haben Dich so vermisst“ freudig in die Arme schließen. Jeder merke, dass ein ständiges Miteinander nicht selbstverständlich sei, und das tue allen gut. „Man verbringt die gemeinsame Zeit viel bewusster miteinander.“

Das Netzwerk Frau und Beruf im Kreis Unna macht jedes Jahr zum Equal Pay Day auf die Missstände in der Arbeitswelt aufmerksam. In diesem Jahr fällt der symbolische Tag, bis zu dem Frauen im Vergleich zu Männern aufgrund der Lohnlücke umsonst arbeiten, auf den 7. März. © Stadt Unna
Trotzdem war der Weg für Silvana Elberg nicht leicht: Für ihren Traumberuf Pflegefachfrau fehlte ihr der passende Schulabschluss. „Mein Mann wollte immer zur Bundeswehr“, verrät sie. Doch aufgrund einer angeborenen Augenkrankheit war er nicht tauglich. „Als wir uns zusammensetzten und überlegten, was wir tun könnten, um vom Jobcenter wegzukommen sagte er: „Ich möchte, dass Du Dir Deinen Traum erfüllen kannst. Ich kümmere mich um die Kinder, Du gehst Deinen Weg.“ Die Rührung darüber ist Silvana Elberg noch immer anzumerken: „Das hat mich geflasht“, sagt sie ehrlich.
Realschulabschluss nachgeholt
An der Volkshochschule machte sie ihren Realschulabschluss mit der Traumnote 1,2 nach. Doch die ersten Bewerbungen brachten nur Absagen. Woran es lag, erfuhr sie nie. „Ich machte mir Gedanken. Lag es am Alter? An den drei Kindern?“ Sie wusste nicht weiter. Ihre Lehrerin empfahl ihr den Gang zu Martina Leyer. Doch die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit erwischte sich selbst bei der Frage: Wie sollte das gehen? „Selbst wenn man tagtäglich damit zu tun hat, greifen gängige Mechanismen. Wir müssen alle umdenken“, sagt Leyer. Denn nie wurden Arbeitskräfte so dringend benötigt wie aktuell.
So riet die Fachfrau Silvana Elberg auch, zur Bildungsmesse zu gehen. Dort konnte die dreifache Mutter direkt den Kontakt zu Arbeitgebern aufnehmen und durch ihre offene und fröhliche Persönlichkeit einen ersten Eindruck hinterlassen, bevor die Unterlagen gesichtet wurden. Und das fruchtete. Von drei direkt abgegebenen Bewerbungen bei Kliniken im Umkreis führten zwei zu einem Vorstellungsgespräch - und in beiden hätte sie anfangen können. Silvana Elberg entschied sich jedoch für die Barbaraklinik in Hamm, weil sie dort einmal selbst schwer krank als Patientin auf der Intensivstation lag.
„Möchte zurückgeben, war mir gegeben wurde“
„Es stand wirklich auf der Kippe – und die haben sich dort so rührend um mich gekümmert, mich aufgebaut, meine Fragen beantwortet. Das möchte ich nun zurückgeben können.“ Und allen anderen Frauen möchte sie Mut machen, sich nicht von Mutterschaft oder geringer Schulbildung verunsichern zu lassen: „Man kann heute alles nachholen. Das schafft man auch als Mama. Auch wenn es vielleicht spät ist, es ist nie zu spät“, sagt Silvana Elberg.
Zumal eine Ausbildung heutzutage auch in Teilzeit möglich wäre. Sie selbst nutzt die Vollzeitvariante, weil ihr Mann mitzieht. Und deshalb sagt Silvana Elberg: „Ich bin jetzt einfach nur glücklich.“
Hilfsangebote von Jobcenter und Arbeitsagentur
- Martina Leyer und ihre Kollegin Tina Riedel vom Jobcenter informieren über „Ausbildung in Teilzeit“ am 14. März von 10 bis 11 Uhr.
- Zurück in den Beruf – Informationen zum beruflichen (Wieder-)Einstieg heißt es bei Martina Leyer am 17. März, 26. April, 16. Mai und 14. Juni jeweils von 15 bis 16 Uhr.
- Den Weiterbildungs-Dschungel durchblicken – Informationen zur Suche einer passenden Weiterbildung und Möglichkeiten einer Förderung, insbesondere auch für Beschäftigte und Arbeitgeber, die an Informationen zur Suche und Förderung eine Weiterbildung/Umschulung während einer Beschäftigung interessiert sind, gibt es an jedem 3. Mittwoch im Monat jeweils von 16.30 bis 17.30 Uhr.
- Da es digitale Veranstaltungen sind, ist eine Anmeldung bei Martina Leyer und Tel. 02381 910 2167 oder per Mail an Martina.Leyer@arbeitsagentur.de erforderlich.
Jahrgang 1979, aufgewachsen und wohnhaft in Bergkamen. Magister-Studium in Münster in Soziologie, Wirtschaftspolitik und Öffentlichem Recht. Erste Sporen seit 1996 als Schülerpraktikantin und dann Schüler-Freie in der Redaktion Bergkamen verdient. Volontariat und Redakteursstellen im Sauerland sowie Oldenburger Münsterland. Seit zehn Jahren zurück in der Heimat und seit Mai 2022 fest beim Hellweger angestellt.
